Sajdik - © picturedesk.com / Natalia Fedosenko / Tass

OSZE: Der stille Abgang der Friedenshilfe

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Der Krieg in der Ukraine hat die OSZE, jene Organisation, die den Frieden zwischen Ost und West fördern sollte, ihrer Existenzgrundlagen beraubt. Wie soll, wie kann es weitergehen? Experten raten zu kleinen Schritten.

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Der Krieg in der Ukraine hat die OSZE, jene Organisation, die den Frieden zwischen Ost und West fördern sollte, ihrer Existenzgrundlagen beraubt. Wie soll, wie kann es weitergehen? Experten raten zu kleinen Schritten.

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Noch wenige Tage war sie irgendwie da, die Hoffnung, dass alles doch nur Theaterdonner sein könnte. Die Russen versprachen einen Truppenabzug, der Westen baute auf Verhandlungen und das Prinzip Hoffnung. Eine Illusion. Seit vier Wochen werden Städte zu Schutt geschossen; tausende Menschen sind getötet; Hunderttausende stecken fest in umkämpften Ballungszentren; zehn Millionen Menschen sind auf der Flucht – ein Viertel der ukrainischen Bevölkerung. Und ein Ende ist nicht absehbar.

Wie an der militärischen Front dieses Krieges steht es auch an der diplomatischen. Da sprach der russische UN-Botschafter davon, die Ukraine bombardiere sich selber. Und Diktator Putin betont, die Ukraine sei ein Land, das es eigentlich nicht gebe. „Die Sicherheitsarchitektur Europas liegt momentan ziemlich in Trümmern“, sagt Christian Strohal. Er ist einer der Geburtshelfer eben dieser Architektur. Bei der Helsinki-Konferenz 1975, welche die KSZE konstituierte (die Vorgängerorganisation der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), war Strohal Mitglied der österreichischen Delegation. Später war er Österreichs ständiger Vertreter bei der OSZE.

Sämtliche Regeln gebrochen

In Trümmern liege die Sicherheitsstruktur des Kontinents laut ihm, „weil sämtliche Regeln, die wir seit 1945 aufgestellt haben, von einer Seite gebrochen worden sind“. Strohal sagt: „Die zunehmende Selbstisolierung Russlands hätte uns zu denken geben müssen – mehr als wir das getan haben.“ Seit Jahren war der Dialog mit Moskau in den altbewährten europäischen Formaten immer wieder ins Stocken geraten, in der OSZE wie auch im Europarat.

Jetzt aber steckt es. Aus dem Europarat ist Russland ausgetreten. Die Lähmung der OSZE wiegt aber weitaus schwerer. „Der wesentlichste Verlust“, so sagt Martin Sajdik, „ist der Verlust des Vertrauens“. Sajdik war zwischen 2015 und 2020 Ukraine-Sondergesandter der OSZE. Er hat bei den Gesprächen in Minsk vermittelt, er kennt die Feinheiten und die Fallstricke. Was bleibt, ist ein Vakuum. Es war ein sehr stiller Abgang, den eine der wohl wichtigsten bisherigen Institutionen in diesem Krieg – übertönt von Kriegsgeheul – Anfang März vollzogen hat: Die Special Monitoring Mission (SMM) der OSZE. In ihrem bisher letzten Bericht vom 7. März 2022 heißt es trocken: „Die Mission hat die vorübergehende Evakuierung internationaler Missions-Angehöriger aus dem Operationsgebiet abgeschlossen.“ Ukrainische Missions-Angehörige hätten die Administration der Infrastruktur der SMM übernommen – in Erwartung einer Fortsetzung der Mission. Und der letzte Punkt: „Die SMM hat ihre Berichterstattungsaktivitäten eingestellt.“ Offiziell liegt die Mission nun auf Eis.

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