Werbung
Werbung
Werbung

Grandiose Ruinenstadt inmitten der syrischen Wüste

Alle Travniceks, die über die baufällige Akropolis die Nase rümpfen und prinzipiell immer einheimischen Erdäpfelsalat mit sich führen, seien gewarnt: Außer Ruinen gibt es nichts zu sehen in Palmyra. Ja, bis vor nicht allzu langer Zeit dümpelte hier gar nur ein einziges dürftiges Hotel vor sich hin, das Hotel Zenobia (benannt nach einer Kaiserin, auf die wir noch zu sprechen kommen werden), ausreichend für gerade 40 Leute. Inzwischen gibt es aber das neue Meridien-Hotel, flach hingestreckt unter den Palmen der Oase, das mit 300 Betten und Swimming-Pool schon höheren Ansprüchen gerecht wird. Dennoch ist der Massentourismus hier eigentlich eher eine Drohung der Zukunft: Wer die Möglichkeit hat, etwa im Februar, März oder April zu reisen (der Sommer ist wegen der extremen Temperaturen nicht gerade zu empfehlen), wird in Syrien eine angenehme Alternative zu den manchmal nervenaufreibenden Touristenzentren der restlichen Welt finden.

Was ist nun an Palmyra (das übrigens heute wieder - wie zu Beginn seiner Geschichte vor 4.000 Jahren - den semitischen Namen Tadmor trägt) so faszinierend, dass man sich in Damaskus widerspruchslos in einen Bus verfrachten lässt, um dann stundenlang auf schnurgeraden Straßen durch die Wüste zu gondeln? Spätestens der erste Rundgang durch das riesige Ruinenfeld beantwortet diese Frage! Wenn die abendliche Sonne den Baaltempel und die riesenhafte Säulenstraße in ihr rötliches Licht taucht, werden die Ruinen wieder lebendig: Die lange Reihe hochaufragender Säulen (deren Konsolen einst die lebensgroßen Statuen palmyrenischer Würdenträger schmückten), Reste von prächtigen Toren, das einzigartige Tetrapylon am Ende der Säulenstraße, die arabische Burg auf einem nahen Hügel (auch wenn sie nur Hinzufügung einer späteren Zeit ist) - das alles schafft eine Atmosphäre, die die Phantasie leicht zurückfinden lässt in jene Zeit, in der Palmyra zu den Weltstädten gehörte und selbst mit in Rom Konkurrenz zu treten vermochte.

Werfen wir also einen Blick auf die Geschichte Palmyras, um eine angemessenere Vorstellung von der Bedeutung des Ortes zu erhalten.

Die Geschichte Palmyras ist ein schönes Beispiel für den klassischen Topos von Aufstieg und Untergang, von Hochmut und Fall. Zwar wissen die Historiker aus assyrischen Verträgen, dass die Stadt schon im zweiten vorchristlichen Jahrtausend existiert hat, aber erst die Kontaktaufnahme mit den Römern zu Beginn unserer Zeitrechnung lässt das Bild schärfer werden. Schon damals war Palmyra als Stützpunkt an der Weihrauchstraße eine reiche Handelsstadt gewesen, deren Wirtschaftsbeziehungen bis nach Indien reichten. Als Mittler zwischen den feindlichen Großmächten der Parther und Römer nimmt die Bedeutung der Stadt dann weiter zu.

Im zweiten Jahrhundert unserer Zeit gerät Palmyra zwar immer mehr unter römischen Einfluss, kann aber den neuen Konflikt zwischen Sassaniden und Römern für sich ausnutzen. Kaiser Gallienus macht den Palmyrener Odainat, nachdem dieser wichtige Siege über die Sassaniden und einige lästige Gegenkaiser errungen hatte, zum "Dux Romanorum" und zum Oberbefehlshaber aller römischen Truppen im Orient. Odainat wird zwar ermordet, seiner Nachfolgerin Zenobia gelingt es aber, Palmyra endgültig zur Großmacht zu erheben: Während der Regierungszeit der römischen Kaiser Claudius und Quintillus erobert sie Syrien, Ägypten und Kleinasien bis zum heutigen Ankara. In Alexandria lässt sie Münzen prägen, die sie als Kaiserin zeigen. Rom reagiert prompt auf die Herausforderung und lässt dem schnellen Aufstieg ein ebenso schnelles Ende folgen: 271 beginnt Aurelian seinen Feldzug gegen Palmyra, und bereits im darauffolgenden Jahr wird die Stadt zerstört. Zwar wird die Stadt unter Diokletian noch einmal zum Militärlager, und Justinian lässt die Befestigungen erneuern, aber dann verschwindet Palmyra für mehr als ein Jahrtausend völlig aus der Geschichte.

Im 17. Jahrhundert werden die Ruinen von Kaufleuten aus Aleppo wiederentdeckt, ein weiteres Jahrhundert später machen die Stiche des Österreichers Fischer von Erlach Palmyra auch in Europa bekannt.

Die Säulenstraße, die das Zentrum der Stadt war, und um die herum sich Theater, Tempel, Thermen und riesige Plätze anordneten, legt noch immer eindrucksvolles Zeugnis ab von der einstigen Prachtentfaltung, die Palmyra für Architekten und Kunsthistoriker zu einer "Sternstunde des Städtebaus" werden lässt. Aber die Stadt war nicht nur das - sie war auch die Wiege einer höchst eigenständigen Mischkultur aus westlichen und östlichen Elementen: hellenistische Architektur, aramäische Schrift, babylonische Religion und parthische Skulptur formten gemeinsam eine neue Identität. Ein gutes Beispiel ist der noch weitgehend erhaltene Baal-Tempel. Während sein Äußeres dem Tempelideal des Hellenismus, dem Hermogenes-Tempel in Magnesia, nachgebildet ist, wurde in seinem Inneren die babylonisch-orientalische Gottheit Baal verehrt. Nicht weniger bemerkenswert sind die etwas außerhalb der Stadt liegenden Grabtürme, in denen die vornehmen Familien Palmyras ihre Verstorbenen bestatteten - möglicherweise sind die Palmyrener sogar selbst die "Erfinder" dieser ungewöhnlichen Grabform.

Überflüssig hinzuzufügen, dass Palmyra nur ein Höhepunkt ist, den eine Syrienreise dem an Geschichte Interessierten zu bieten vermag: Ugarit, das Palmyra noch an Alter übertrifft, die Kreuzritterfeste Krak des Chevaliers oder das Simeonskloster wären einige weitere Beispiele.

Darüberhinaus ist eine Reise durch Syrien natürlich nicht nur eine Reise in die Geschichte, sondern zugleich die Begegnung mit einer Kultur, die für Europäer noch immer eine Quelle der Irritation ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung