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Parteipolitik blockiert die EU-Aufstockung

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Großbritannien begrüßt die EU-Erweiterung. Härte zeigt man bezüglich der Sperrminorität. Osterreich wird sich am 15. April bei einem EU-Forum in London präsentieren.

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Großbritannien begrüßt die EU-Erweiterung. Härte zeigt man bezüglich der Sperrminorität. Osterreich wird sich am 15. April bei einem EU-Forum in London präsentieren.

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Großbritannien sieht die Zulassung Österreichs zur Europäischen Union als eine Bereicherung im wahrsten Sinne des Wortes. Mit der Ausweitung des „Europa der Zwölf“ auf die vier reichen und stabilen EFTA-Staaten – die Zustimmung der jeweiligen Landesbevölkerung vorausgesetzt ist die Vorstellung der Union von Arktis und russischer Grenze bis zum Mittelmeer verwirklicht, wie sie Premier John Major seit jeher vorschwebt.

Durch den Beitritt Österreichs endet eine Periode, die London als einer der Signatare des Staatsvertrages nolens vo ens mitbestimmt hat: der Ausschluß eines europäischen Kern-landes von der politischen und wirt-schaftUchen Hauptströmung des Kontinentes. Die immerwährende Neutralität, Absenz von wirtschaftlichen und militärischen Verbindungen, war Voraussetzung für den Abzug der Roten Armee. Wien ist, wie der „Independent“ schreibt, „im Kalten Krieg eine einsame, sogar isolierte Stimme inmitten der lauteren Gespräche zwischen Ost und West geworden“. Dieser unnatürliche Zustand sei erst mit dem Zusammenbruch des Kommunismus zu Ende gegangen, als „die Österreicher, die sich als Westeuropäer empfinden, Sicherheit in einer größeren AUianz suchten".

Aus seiner Lage, Geschichte und kulturellen Ausstrahlung ist Österreich viel mehr für die Union prädestiniert als die britische Insel, die sich immer als ein Bindeglied zwischen Ubersee und Europa gesehen hat. Als vormahger Partner in der Europäischen Freihandelszone genoß Wien immer die volle Sympathie des Königreiches. Heute ist Österreich den Inselbewohnern zu einem bevorzugten Ferienziel geworden. London hat auch größtes Verständitis, wenn sich das Donauland die luftverpestenden Laster so lange wie möglich, vielleicht auch über das Jahr 2004 hinaus, vom Leibe hält.

Das herzliche Empfanfen Österreichs hat aber für as Königreich durchaus materielle Gründe. Das Alpenland wird (wie Norwegen und Schweden) Netto-Zahler sein, also meRr in die Brüsseler Kasse einzahlen als aus ihr emp-, fangen. Dieses Los teilt auch Großbritannien, obwohl Lebensstandard und Einkommen viel niedriger sind. London erwartet sich durch die Neuzugänge wenigstens eine geringe Entlastung der eigenen Beitragsleistungen und Verbündete in der Forderung nach finanzieller Vorsicht innerhalb der Gemeinschaft.

Die 1990 zum Rücktritt gezwungene Premierministerin Thatcher hat sich aus ihrer panischen Angst vor einer Föderation ein Europa vom

Atlantik bis zum Ural zum Ziel gesetzt. Nachfolger Major gibt es billiger: erst die reichen EFTA-Staaten, dann die finanziell schwachbrüsti-gen ex-kommunistischen Länder in die Union. Beiden Führern ist die Überlegung gemeinsam, daß von einer Erhöhung der Mitgliederzahl zwangsläufig eine Gegenwirkung gegen das Zentrum zu erwarten ist. Demgegenüber fürchten Föderalisten, daß der Zusammenhalt der EU durch die von den Briten so lauthalsvertretene Ausweitung leide.

Londons Rechnung geht mit dem Beizug der Alpenrepublik und der skandinavischen Länder nur teilwei- se auf. Wien will ein födera-

Itives Europa durchaus ins Kalkül ziehen, für die Tories ist das ein Schreckgespenst. Wien sträubt sich nicht gegen das Sozialkapitel im Maastricht-Vertrag, eine Verpflichtung, der sich London durch eine Extrawurst, die Ausnahme-Klausel, entzogen hat. Die skandinavischen Länder verhalten sich nicht anders als Österreich.

Die einzelnen Referenden sieht London keineswegs als eine ausgemachte Sache. Aus^ nationalem Egoismus und aus purer Parteipolitik scheute sich Außeruninister Douglas Hurd nicht, die Aufstockung der Gemeinschaft zu blockieren. Unter Rücksicht auf die Anti-Europäer in seiner Partei kann er sich nicht mit verminderter Veto-Gewalt des Königreiches gegen unhebsame Gesetze im neuen Ministerrat abfinden. Es sei denn, daß Erweiterung der EU doch mehr zählt, als stures Verharren auf der alten Wahlstruktur.

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