Trollfrabriken - © Illustration: Rainer Messerklinger

Pekings KonTROLLore im Netz

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China baut in großem Stil Fake-Accounts auf, um soziale Netzwerke mit prochinesischer Propaganda zu fluten. Ein Ärgernis für Tausende.

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China baut in großem Stil Fake-Accounts auf, um soziale Netzwerke mit prochinesischer Propaganda zu fluten. Ein Ärgernis für Tausende.

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Die amerikanische Studentin Kalen Keegan veröffentlichte auf Twitter Impressionen aus ihrem College-Leben. Doch auf einmal wurden von dem Account @Kalenkayyy keine Partyfotos mehr gepostet, sondern chinesische Propaganda. Chinesische Trolle hatten den Account gekapert und in ein regierungstreues Verlautbarungsorgan verwandelt. Zunächst wurden die Proteste in Hongkong als „antichinesische amerikanische Verschwörung“ denunziert. Nach dem Lockdown in Wuhan wurden dann verstärkt lobhudelnde Beiträge über die Pandemiebekämpfung geteilt. Zwar konnte die Studentin über einen Ersatz-Account ihre Follower darauf hinweisen, dass ihr Profil gehackt wurde. Doch sie musste tatenlos mit ansehen, wie ihr Account für chinesische Kampagnen instrumentalisiert wurde.

Es war kein Einzelfall. Das Recherche­büro ProPublica hat insgesamt 10.000 Fake-Accounts aufgespürt, die offenbar enge Verbindungen zum Regime in Peking haben. Zu den Opfern gehören unter anderem ein Professor aus North Carolina, ein Web-Designer aus Großbritannien sowie ein Analyst aus Australien. Unter falschem Namen werden Regimekritiker wie der im New Yorker Exil lebende chinesische Tycoon Guo Wengui diffamiert oder heldenhafte Mangas chinesischer Polizisten gepostet.

Das Zielpublikum sind vor allem im Ausland lebende Chinesen, weil Twitter wie auch andere Dienste in China durch die Great Firewall blockiert sind. Zwar hat der Kurznachrichtendienst nach eigenen Angaben 170.000 chinesische Propaganda-Accounts gesperrt. Doch die Rechercheure von ProPublica wollen Beweise dafür gefunden haben, dass die Einflussnahme weitergeht. So sollen die Konten von einer Internet-Marketing-Firma namens OneSight gesteuert werden, die Tweets der staatlichen Nachrichtenagenturen China News Service und Xinhua sowie der regierungsnahen Zeitung People’s Daily promotet. Die Agentur soll bei der Erstellung von ­Fake-Accounts eine entscheidende Rolle gespielt haben.

Die staatlich orchestrierte Informationskampagne ist größer als bislang angenommen. Die BBC hat vor einigen Wochen ein Netz von 1200 Fake-Accounts identifiziert, die über Plattformen wie Twitter, Facebook oder YouTube prochinesische Propaganda verbreiteten. Die Hacker kaperten dabei entweder bestehende Accounts (vor allem aus Russland und Bangladesch) oder bastelten neue Profile mit gestohlenen Informationen (etwa Profilbildern von TikTok-Influencern), die dann zu einem Netz automatisierter Skripte verschaltet wurden. Diese Bots sollen dann pausenlos Posts retweetet und gelikt haben. Die Tatsache, dass dutzende Accounts innerhalb weniger Minuten dieselben Inhalte posteten, legt den Verdacht nahe, dass es sich hier um eine eng koordinierte Operation handelt.

Vermischte Botschaften

Auffällig ist, dass in die Propaganda-Beiträge auch immer wieder weichere Inhalte eingestreut wurden, etwa Tiervideos oder Bilder asiatischer Models. Ein Muster, das sich bereits bei der Operation „Spamou­flage Dragon“ zeigte. Bei dem Netzwerk wurden prochinesische Beiträge unter anderem unter russischen Namen verbreitet und immer wieder mit Spam vermischt – möglicherweise um nicht enttarnt zu werden.

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