Polen Coronaüberlastung - © Foto: Getty Images / NurPhoto / Krzysztof Zatycki

Polens dramatische Covid-Krise

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Die Pandemie hat nun auch Polen schwer getroffen. Das Gesundheitssystem ist überlastet, die Krankenhäuser sind voll, Kranke bleiben unversorgt. Das ärztliche Personal schlägt Alarm.

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Die Pandemie hat nun auch Polen schwer getroffen. Das Gesundheitssystem ist überlastet, die Krankenhäuser sind voll, Kranke bleiben unversorgt. Das ärztliche Personal schlägt Alarm.

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Wochenlang warteten die Menschen in Polen verzweifelt auf eine Trendwende in der Corona-Krise. Nun scheint sie da zu sein. Die täglichen Neuinfektionen gehen im Vergleich etwas zurück, auch die Sterbezahlen. Jedoch sterben immer noch in kaum einem Land in Europa, in kaum einen Land weltweit derart viele Menschen an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung wie in Polen. 2296 Neuinfektionen meldete das Gesundheitsministerium in Warschau am Dienstag; im selben Zeitraum starben 28 Menschen an oder mit Covid-19. Das ist bemerkenswert, denn wenige Wochen zuvor lag dieser Tageswert noch oberhalb von 900. In Polen leben 38 Millionen Menschen.

Der 7-Tage-Schnitt der Todesfälle pro eine Million Einwohner allerdings liegt bei zehn und ist damit so hoch wie der im ebenfalls besonders stark getroffenen Brasilien; in Polen also sterben zur Zeit, gemessen an der Bevölkerungsgröße, etwa drei- bis fünfmal mehr Menschen als in Deutschland oder Österreich. Im ersten Quartal dieses Jahres lag die Übersterblichkeit in Polen bei 24 Prozent oberhalb dessen, was in den zurückliegenden drei Jahren für den gleichen Zeitraum ausgewiesen wurde. Es ist ein trauriger Rekord.
Im größten östlichen EU-Mitgliedsland hatte in der dritten Epidemiewelle das große Sterben begonnen. Während in Deutschland oder Österreich im April Mediziner vor vollen Intensivstationen warnten, war in Polen bereits das gesamte Gesundheitssystem zusammengebrochen. So schilderten Ärzte, Rettungssanitäter und Patienten noch vor zwei Wochen die Lage im Land im Gespräch mit dieser Zeitung.

Selbst junge Menschen mit leichten oder mittelschweren Krankheitsverläufen konnten nicht angemessen behandelt werden. Das medizinische Personal war schlicht überlastet. Krankenwagen konnten Personen mit Atemnot zuhause nicht mehr abholen, in langen Schlangen parkten sie oft stundenlang vor Notaufnahmen, um auf frei werdende Betten zu warten; Krebsoperationen mussten auf unabsehbare Zeit verschoben werden. Schrittweise setzt mit sinkenden Neuinfektionen wieder so etwas wie ein Normalbetrieb ein.

Nichts geht mehr

„Es ist schlimmer, als Sie es sich vorstellen. Nichts funktioniert so wie es soll. Es gibt keine Leute mehr, die die vielen Patienten versorgen könnten“, berichtete noch im April ein Rettungssanitäter aus Wroclaw in Niederschlesien, mit etwa 800.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt des Landes. „Wir können nicht mehr. Das ist ein Massaker. Anders kann ich es nicht sagen“, rief der Sanitäter mit drastischen Worten. Seine Stimme überschlug sich. Es war spürbar, wie sehr ihn mitnimmt, was er täglich erleben musste. Der Mann möchte unerkannt bleiben, möchte nicht, dass sein Arbeitgeber erfährt, dass er redet. Auch weiß er, dass seine Schilderungen nicht dem entsprechen, was führende Politiker der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) oder die Staatsführung sagen.

„Ich möchte sehr stark betonen, dass sich die polnische Gesellschaft sowohl in Bezug auf die Anzahl der Krankenhausbetten als auch in Bezug auf die Anzahl der Beatmungsgeräte sicher fühlen kann“, sagte Präsident Andrzej Duda nach einer Kabinettssitzung im vergangenen Monat. Der Rettungssanitäter aus Wroclaw beschrieb eine andere Situation.

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