"Politiker steigen ins Flugzeug, ..."

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Der Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea provozierte erneut die Forderungen nach der Verknüpfung von Hilfsleistungen mit politischen Zielvorstellungen. Der Arzt Peter M. Ngatia aus Uganda schlägt im furche-Gespräch indessen vor, vermehrt auf die Arbeit von afrikanischen NGOs zu setzen.

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Der Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea provozierte erneut die Forderungen nach der Verknüpfung von Hilfsleistungen mit politischen Zielvorstellungen. Der Arzt Peter M. Ngatia aus Uganda schlägt im furche-Gespräch indessen vor, vermehrt auf die Arbeit von afrikanischen NGOs zu setzen.

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die furche: Die Bilder sind bekannt: Menschen dem Hungertod nahe, daneben Kriegsgerät, viele Millionen Dollar wert. Was halten Sie angesichts dessen von der Forderung, nach der Verknüpfung von Hilfsleistungen mit politischen Bedingungen?

Ngatia: Die Idee, Hilfe an Bedingungen zu knüpfen, ist grundsätzlich nicht zu verwerfen. Es ist aber falsch, die Durchführung von Hilfsleistungen von politischen Forderungen abhängig zu machen. Wer leidet darunter, wenn zum Beispiel die Weltbank ihre Hilfe einstellt? Ist es die Regierung, oder sind es die Notleidenden? Wenn Politiker oder ihre Verwandten krank werden, steigen sie ins Flugzeug nach Europa und lassen sich hier behandeln. Aber die 90 Prozent der Menschen die kein Flugzeug besteigen können, die leiden unter den Sanktionen.

Eine Lösung sehe ich nur darin, undemokratische Regierungen zu umgehen. Hat denn Hilfe immer durch die Hand von Regierungen zu gehen? Warum gibt man Hilfsmittel nicht an vertrauenswürdige Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs)? Afrikanische NGOs, wie meine Organisation AMREF, arbeiten mit den Menschen und für diese. Sie garantieren, dass die Unterstützung jenen Menschen zugute kommt, die sie wirklich benötigen. Wenn Regierungen aber nicht mitspielen, sollte keineswegs die Hilfe versiegen, sondern den NGOs anvertraut werden.

die furche: Herr Ngatia, Sie sind der Direktor von AMREF (African Medical and Research Foundation) in Uganda. Wie sehr ist Ihre NGO auf die Mithilfe der nationalen politischen Instanzen angewiesen?

Ngatia: Gesundheitsvorsorge hängt fundamental mit den Möglichkeiten von Information und Aufklärung zusammen. Es ist wichtig, mit Politikern insbesondere auf lokaler Ebene zusammenzuarbeiten, die das Vertrauen der Bevölkerung besitzen. Aufgrund ihrer politischen Kampagnen haben sie Erfahrung und Ressourcen, um die Menschen zu erreichen und zu überzeugen.

die furche: Was unterscheidet AMREF von anderen Hilfsorganisationen?

Ngatia: AMREF und die Fliegende Ärzten arbeiten wie andere Gesundheitsorganisationen in der Versorgung von Notfällen (zum Beispiel das Hochwasser in Mosambik). Darüberhinaus versuchen wir eine Entwicklung in Gang zu bringen, die die Gesundheitssituation in den einzelnen afrikanischen Ländern nachhaltig zum Positiven verändert. AMREF hat somit zwei Gesichter, das Notfall- und das Entwicklungsgesicht.

die furche: Welche Krankheit ist Afrikas größtes Problem?

Ngatia: Aids hat Malaria überholt. 70 Prozent aller 34 Millionen HIV-Positiven leben in Ländern südlich der Sahara. Dabei sprechen wir von einer Bevölkerungszahl von 600 Millionen, also zehn Prozent der Weltbevölkerung. Von allen infizierten Kindern leben sogar 87 Prozent in Afrika. Der Virus greift um sich. Jedes Jahr steigt die Infektionsrate um durchschnittlich 15 Prozent, bis hin zu 40 Prozent in einigen Ländern. Acht Millionen afrikanischer Kinder sind Aids-Waisen, und laut einer Untersuchung in Südafrika waren 23 Prozent der Schwangeren HIV-positiv.

die furche: Was sind Gründe für die starke Ausbreitung von Aids in Afrika?

Ngatia: Vor allem ist es fehlende Information über die Ursachen und die Verbreitung. Die Menschen wissen nicht, wie sie sich vor Aids schützen können. Organisationen wie AMREF versuchen deswegen vor allem Information zu transportieren. Damit die Botschaft so viele Menschen wie möglich erreicht, gehen wir in die Dörfer und halten Aufklärungsveranstaltungen ab. Besondere Bedeutung kommt dabei den Dorfältesten, Lehrern und Gesundheitsbeauftragten zu, die entscheidend für die Weitervermittlung des Gesundheitsverhalten sind. Es bräuchte aber nicht ein oder zwei NGOs für diese Arbeit, sondern eine Revolution - was die Weitergabe von Informationen betrifft - wäre nötig.

Dazu kommen Traditionen, die die Verbreitung von Aids fördern. Zum Teil gibt es die Tradition, dass der Bruder eines Verstorbenen dessen Frau heiratet. Dadurch wurde gesorgt, dass die Frau weiterhin sozial versorgt ist. Aber jetzt, wo der Ehemann an Aids gestorben sein kann, wirkt sich diese Tradition fatal aus. Ein anderes Thema ist die Beschneidung von Frauen. In einigen Ländern Afrikas wird nach wie vor die Mehrzahl der Frauen beschnitten. Mit den dabei verwendeten Instrumenten kann die HIV/Aids-Infektion weiter übertragen werden. Gesundheitsorganisationen, wie AMREF, kommt gerade in diesen Bereichen die entscheidende Rolle zur Aufklärung vorbehalten.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

AMREF wurde 1999 mit dem weltweit höchstdotierten Preis für humanitäre Leistungen, dem Conrad N. Hilton Award, ausgezeichnet. Weitere Informationen: 1060 Wien, Sandwirtg. 14, Tel.: 01/59 55 330 Internet: http://www.amref.org Spendenkonto: 0956-55551/00, BLZ 11000

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