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Vom Brexit über Trump bis Orbán -und irgendwo dazwischen natürlich auch die österreichische Regierung -wird gerne ein Bogen gespannt. Die solcherart unter dem Begriff "Populismus" subsumierten Phänomene werden dabei zur ultimativen Bedrohung der (oder Gegenprojekt zur) "liberalen" Demokratie stilisiert. Dementsprechend gilt mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament die größte Sorge der Frage, wie stark die "(Rechts-)Populisten" wohl zulegen werden.

Wer aber sind diese sogenannten Populisten? Im Europäischen Parlament (EP) sind sie zur Zeit auf drei Fraktionen aufgeteilt, die zusammen auf immerhin 153 von 751 Sitzen kommen (die beiden größten EP-Fraktionen, EVP und Sozialdemokraten, haben 217 bzw. 187 Sitze). In Wahrheit sind diese drei Fraktionen freilich äußerst heterogen, auch jede für sich betrachtet. So gehören etwa die britischen Tories gemeinsam mit der nationalkonservativen polnischen Regierungspartei PiS und der rechtsliberalen tschechischen Bürgerpartei (des ehemaligen Minister-bzw. Staatspräsidenten Václav Klaus) ODS zu den "Europäischen Konservativen und Reformern"(EKR), der mit 75 Sitzen drittgrößten Fraktion im EP.

Neuformierung rechts der Mitte

Mit Sicherheit werden sich die Fraktionen rechts der Mitte nach den Wahlen neu formieren. Das war schon in der Vergangenheit so -und wird sich diesmal durch das (voraussichtliche) Ausscheiden der Briten gar nicht vermeiden lassen: Die EKR verlieren beim derzeitigen Stand mit den Tories knapp ein Viertel ihrer Mitglieder, beim "Europa der Freiheit und der direkten Demokratie" (EFDD) sind 17 von 41 Mandataren aus dem Vereinigten Königreich (lauter Hardcore-Brexiteers aus der UKIP-Partei oder deren Abkömmlingen). Die zweite große Partei in dieser Fraktion ist übrigens -dies nur als weiteres Beispiel für die Heterogenität der EP-Fraktionen -die linkspopulistische italienische Fünf-Sterne-Bewegung, die zusammen mit Matteo Salvinis Lega in Rom die Regierung bildet.

Es wird also insbesondere auf der rechten Seite des politischen Spektrums tatsächlich spannend im Europäischen Parlament. Werden sich all die rechtsliberalen, nationalkonservativen, nationalistischen, zum Teil auch extrem rechten Parteien unter einem Dach wieder finden, wie mehrfach ventiliert wurde? Bemühungen dazu gibt es jedenfalls.

Ringen zwischen EVP und Orbán

Die europäischen Christdemokraten und Konservativen der "Europäischen Volkspartei"(EVP) tangiert all dies mehr, als sie zuzugeben bereit ist. Auch wenn EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber sich demonstrativ von den "Populisten" abgrenzt und nur eine Zusammenarbeit mit Kräften links der Mitte für geboten hält, gibt es doch viele Überschneidungen mit der EVP und etlichen (gewiss nicht allen) der Rechtsparteien, jedenfalls hinsichtlich der (potenziellen) Wählerschaft. Am Ringen zwischen EVP und Viktor Orbáns Fidesz zeigt sich ja exemplarisch die Brisanz dieser Frage: Wieviel Orbán verträgt oder aber braucht die EVP?

Der gängige Populismus-Diskurs, dem offenbar zumindest partiell auch Manfred Weber folgt, wurde kürzlich vom schottischen Historiker Niall Ferguson in einem NZZ-Interview trefflich auf den Punkt gebracht (s. auch "Also sprach", r. u.):"Als Rechter bist du ein potenzieller Nazi. Sozialisten und Kommunisten hingegen sind moralisch einwandfreie Sozialdemokraten, die auf ihrem Weg zur Beglückung der Menschheit bloss ein paar folgenschwere Fehler begangen haben." Die Wähler verweigern sich dieser Logik freilich zunehmend.

rudolf.mitloehner@furche.at

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