Prinzen-Zwist im Hause sauD

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Arabesken

Reichtum

Saudi-Arabien ist eines der reichsten Länder der Welt - auf Rang 14, gemessen an seinem BIP. Das Land verfügt über großzügige Sozialleistungen und sichert derart bisher die politische Stabilität.

Wahhabismus

Der sunnitisch-fundamentalistische wahhabitische Islam ist Staatsreligion. Im Laufe der letzten Jahrzehnte verschärften sich die Spannungen zwischen der sunnitischen Mehrheit und den Schiiten.

Polit-Ränke um Hariri

Nach seiner Rücktrittserklärung hat der libanesische Premierminister Saad Hariri angekündigt, bis Freitag aus Saudi-Arabien in seine Heimat zurückzukehren. Gerüchte über eine Gefangennahme wurden dementiert. Hariri sagt: "Mir geht es gut."

Die letzten drei Könige Saudi-Arabiens waren 61,80 und 79 Jahre alt, als sie den Thron bestiegen. Prinz Mohammed ist erst 32.

Schwerter und Reform

Die Familie Saud beim berühmten Schwertertanz. Kronprinz Mohammed bin Salman scheint das Land öffnen zu wollen, nach anderer Sicht der Dinge aber sichert er bloß seine Herrschaft.

Am Gefängnisklo sprang ihm ein seltener Hoffnungsschimmer ins Auge. Auf der Toilette Nr. 5 schöpfte er wieder Mut. Zwischen hunderten Kritzeleien auf verschmierten Wänden fand er neue Zuversicht: "Der Säkularismus ist die Lösung", stand da. Raif Badawi jubelte, denn "dass ich so etwas zu lesen bekam inmitten Hunderter vulgärer, in allen erdenklichen arabischen Dialekten geschriebener Wörter, bedeutet, dass es irgendwo hier in diesem Gefängnis zumindest eine Person geben muss, die mich versteht. Jemanden, der das versteht, wofür ich gekämpft habe, und weswegen man mich hier eingesperrt hat."

Raif Badawi ist der bekannteste politische Gefangene in Saudi-Arabien. Seine Straftat war, dass er sich für Meinungs-und Redefreiheit, für Frauen-und Minderheitenrechte einsetzte, und die Meinung vertrat, das sei "in absolutem Einklang mit der göttlichen Religion, die immer und ewig zum Guten, zur Liebe und zum Frieden aufruft". 2012 kam er wegen "Beleidigung des Islam" ins Gefängnis, verurteilt zu zehn Jahren Haft, zu mehr als 200.000 Euro Bußgeld und zu 1000 Peitschenhieben. Die ersten 50 Schläge wurden im Jänner 2015 im Beisein einer johlenden Menschenmenge vor einer Moschee in der Hafenstadt Dschidda vollstreckt. Aufgrund der tiefen Wunden hätte er eine weitere Auspeitschung nicht überlebt. Angeführt von seiner mit den drei Kindern ins kanadische Exil geflüchteten Frau Ensaf Haidar kam es zu einem internationalen Aufschrei. Die Peitschenhiebe wurden auf unbestimmte Zeit ausgesetzt.

Vor dem Generationswechsel

Badawi ist 33 Jahre alt und gehört zur gleichen Generation, wie der dieser Tage nach der absoluten Macht im Wüstenstaat greifende Kronprinz Mohammed bin Salman. Offiziell hat zwar noch König Salman das letzte Wort, doch alle Machtpositionen sind bereits in der Hand des jungen Saud. Seine Inthronisation wird demnächst erwartet und damit ein Generationenwechsel sondergleichen und ein Bruch mit bisherigen Traditionen der Machtübergabe im Hause Al Saud. Die letzten drei Könige waren 61,80 und 79, als sie den Thron bestiegen. Prinz Mohammed ist 32.

Der fast gleichaltrige Badawi setzte sich in einem ihm zum Vorwurf gemachten Texte dafür ein, dass der Staat "die Rechte aller Religionen bewahrt, sie fördert und unterstützt, ohne Diskriminierung oder Bevorzugung einer Religion gegenüber einer anderen, ohne den Glauben der Mehrheit über andere Religionen zu stellen". Mohammed bin Salman redete unlängst in einem vielbeachteten Guardian-Interview einem moderaten, saudischen Islam das Wort, "der offen gegenüber der Welt und allen Religionen ist". Meinen die beiden, der Häftling und der Kronprinz, das gleiche? Würde Mohammed bin Salman das Gekritzel an der Klowand im Gefängnis unterschreiben, Säkularismus gutheißen und verstehen, wofür Badawi gekämpft und weswegen man ihn eingesperrt hat?

Für Badawis Frau fußen die Ideen des Kronprinzen auf denen ihres Mannes, und sie hofft auf einen Kurswechsel in Saudi-Arabien (siehe Interview). Die jemenitischschweizerische Politikwissenschaftlerin Elham Manea relativiert gegenüber der FURCHE aber die Ansagen des Kronprinzen: So sehr begrüßenswerte Veränderungen damit einhergehen, sei es die Erlaubnis für Frauen, Auto zu fahren, in Stadien gehen zu dürfen oder die Vorherrschaft der Männer zu beschränken, die von Mohammed bin Salman "angekündigten Maßnahmen, bedeuten noch keine substanziellen Veränderungen in Bezug auf gute Regierungsführung, politische Teilhabe und Gleichheit vor dem Gesetz".

Würde Mohammed das Gekritzel an der Klowand im Gefängnis unterschreiben, Säkularismus gutheißen und verstehen, wofür Badawi gekämpft hat?

Die Suche nach der Jugend

Manea lehrt an der Universität Zürich, ist Mitbegründerin der Ibn-Rushd-Goethe Moschee in Berlin, die für einen säkularen liberalen Islam steht, und ist das Sprachrohr der Familie Badawi in Europa. In der Politik des Kronprinzen sieht sie vor allem ein Angebot an die saudische Jugend. 60 Prozent der Bevölkerung in Saudi-Arabien sind unter 21 Jahre alt: "Der Kronprinz setzt auf die Unterstützung durch die Jugend. Sowohl die Entmachtung der Religionspolizei als auch mehr Unterhaltungsmöglichkeiten und mehr Rechte für Frauen zielen auf das junge Segment in der saudischen Gesellschaft". Ob diese Unterstützung der Jungen für den jungen Kronprinzen angesichts der wachsenden Spaltung innerhalb der königlichen Familie, der Unzufriedenheit des religiösen Establishments und der sich zuspitzenden Kontroversen in der Region für einen tatsächlichen Kurswechsel in Saudi-Arabien ausreichen wird, ist für Manea fraglich.

Selbst wenn Mohammed Salman sich durchsetzt, geht damit eine grundlegende Reform des Wahhabismus einher? Davon hängt das Schicksal von Raif Badawi ab.

Der Heißsporn

Mohammed bin Salman, von ausländischen Beobachtern und saudischen Kritikern als Heißsporn, als hyperehrgeizig, skrupellos, impulsiv und arrogant beschrieben, kämpft derzeit an vielen Fronten. Dass ihm bei seinen internen Säuberungswellen und seinem außenpolitischen Konfrontationskurs ausgerechnet US-Präsident Donald Trump die Mauer macht, trägt wenig zur Vertrauensbildung auf dem internationalen Parkett bei. Zurecht. Der Kronprinz schleudert gefährlich viele Politik-Bälle gleichzeitig in die Luft. Es braucht ihm nur einer zu entgleiten, der Aufprall würde die Region und die Welt einer Schockwelle aussetzen, politische, wirtschaftliche und kriegerische Verwerfungen provozieren. Der Krieg in Jemen, der Streit mit dem Emirat Katar und die sich immer schneller drehende Eskalationsspirale mit dem Iran einschließlich eines sich abzeichnenden Stellvertreterkriegs im Libanon die herkömmliche, auf Ausgleich und Kompromiss bedachte Außenpolitik Saudi-Arabiens war einmal. Riad ist ein destabilisierender Faktor geworden, der bereit ist, seiner Rhetorik Taten folgen, sprich zu den Waffen greifen zu lassen.

Der Prinz braucht sein Volk

So paradox es klingt: Der autokratische Kronprinz muss auf sein Volk setzen. Er braucht dessen Unterstützung, um sich im Machtkampf mit dem Establishment in Saudi-Arabien durchzusetzen und Rückhalt für sein regionalpolitisches Hasardspiel zu bekommen. Dafür bietet er den Saudis, ganz klassisch, Brot und Spiele: Wirtschaftlicher Aufschwung auch für jene, die sich vom staatlichen Subventionismus ausgeschlossen sehen, ein besser funktionierender Staat statt rigider Bürokratie und vor allem offizielle Möglichkeiten Spaß zu haben. Um aus Saudi-Arabien einen modernen Staat zu machen und primär um die eigene Macht zu festigen, knöpft sich Mohammed die saudische Elite vor und schont seine Verwandtschaft nicht. Zum Vorgehen gegen die königliche Familie habe sich der Kronprinz entschieden, zitiert Reuters einen Insider , als er erkannt habe, dass mehr Mitglieder als erwartet gegen seine Thronfolge seien.

Der Kronprinz pokert hoch. Und selbst wenn er sich durchsetzt, geht eine grundlegende Reform des Wahhabismus einher? Von der Antwort auf diese Frage hängt das Schicksal von Raif Badawi und seinesgleichen in Saudi-Arabien ab. Dazu müsste aber vor allem die Losung "Der Säkularismus ist die Lösung" nicht nur auf der Wand eines Gefängnisklos in Saudi-Arabien zu finden sein.

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