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Prolongiertes Unbehagen

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Mit dem Frieden in der seit 1961 in Westdeutschland regierenden Koalition von CDU CSU und FDP war es noch nie zum Besten bestellt. Seit aber die Kommunalwahlen in

Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen am 27. September einen überraschend hohen Sieg der SPD und, zumindest in Nordrhein-Westfalen, eine ebensolche Niederlage der CDU CSU und der FDP brachte, ist es mit dem Koalitionsfrieden offenbar endgültig vorbei. Da das Ergebnis der Kommunalwahlen in Hessen, Rheinland-Pfalz und Im Saarland sich kaum von dem der beiden genannten Länder unterscheiden dürfte, so ist vorauszusehen, daß die Konflikte so schnell nicht beigeiegt werden können. Jedes derartige Wahlergebnis bestärkt ja sowohl in der CDU CSU wie in der FDP die Kreise, die diese Koalition für einen Fehler halten und darum bemüht sind, sie noch vor den Bundestagswahlen 1965 zu beenden.

Gemeinde und Bund

Nun ist es immer strittig, ob man von den ganz anders gearteten Kommunalwahlen auf das künftige Ergebnis einer Bundestagswahl schließen kann. Anhänger der CDU haben daher auch nicht mit Unrecht auf den großen Sieg der SPD bei den Kommunalwahlen 1956 verwiesen, dem der bisher größte Sieg der CDU 1957 bei den Bundestagswahlen gefolgt war. Die Problematik von Bundestags- und Kommunalwahlen ist sehr verschieden. Auch sind die meisten Wähler der bei Kommunalwahlen immer eine Rolle spielenden Wählergemeinschaften Anhänger der CDU. Diese Erfahrungen haben sich in Niedersachsen bestätigt, dessen Wahlergebnis daher gesondert betrachtet werden muß. Etwas anders sieht es bei den Wahlen im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen aus. Dort wird man aus verschiedenen Gründen bei einiger Vorsicht von einer Testwahl sprechen können. Dieses Wahlergebnis war daher auch der eigentliche Schock für die Koalitionsparteien. Dort büßten CDU und FDP je zwei Prozent ein, während die SPD sechs Prozent gewinnen konnte.

Wählergemeinschaften spielten kaum eine Rolle, so daß der CDU

auch dieses Trostpflaster versagt blieb. Splittergruppen, die erfahrungsgemäß bei Kommunalwahlen besonders in Erscheinung treten, haben noch nicht einmal 2,5 Prozent für sich gewinnen können. Verschärft wurde der Eindruck der Niederlage für die CDU noch durch die Tatsache, daß es der SPD gelang, ihr auch die letzten Rathäuser in den Großstädten abzunehmen. Besonders bitter war es für die FDP, daß sie in einigen Städten die Fünf-Prozent- Klausel nicht überwinden konnte und daher in einigen Stadtparlamenten nicht mehr vertreten ist.

Die SPD rückt vor Die Wahl hat eine bisher auf der kommunalen Ebene noch nicht so deutlich erkennbare, allgemeine Tendenz bestätigt: In den Ländern, in denen kein Wählerreservoir von sich auflösenden Splitterparteien vorhanden war, befindet sich die SPD in deutlichem Vorrücken. Mit anderen Worten: der Zentralisationsprozeß seit 1949 auf ein Dreiparteiensystem ist in erster Linie der CDU CSU zugute gekommen. Er war eine Voraussetzung für die Wahlsiege der vergangenen Jahre. Wo dieser Prozeß abgeschlossen ist, macht sich immer deutlicher eine Abwanderung zur SPD bemerkbar, die schon in den letzten Jahren vorhanden war, nun aber erst deutlich in Erscheinung tritt. Diese Tendenz scheint eine ihrer Wurzeln in den kommunalen Verhältnissen zu haben, wo die SPD in den letzten Jahren ihre Schlüsselstellung ausbauen konnte und wo sie beträchtliche Erfolge errungen hat. Das allen Leuten vor Augen stehende Beispiel kommunaler Politik scheint das alte Vorurteil gegen die SPD nach und nach zurückzudrängen. Hier rächt sich der schlechte Unterbau der CDU. Die Zeit der großen bürgerlichen Bürgermeister, wie sie für die Weimarer Republik so charakteristisch war, scheint vorbei zu sein, während die SPD in ihren Oberbürgermeistern ein großes Reservoir regierungsgewohnter Persönlichkeiten besitzt, das ihr einmal sehr zustatten kommen kann. Von dieser Seite her betrachtet scheinen Schlußfolgerungen auf das Ergebnis der Bundestagswahlen von 1965 nicht ganz abwegig.

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