Rotlicht - ©  Holger Schué / Pixabay

Prostitution im Kosovo: Blauhelme im Bordell

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Nato-Soldaten und Uno-Personal treiben den Handel mit Sexsklavinnen im Kosovo an, kritisiert ein amnesty-international-Bericht.

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Nato-Soldaten und Uno-Personal treiben den Handel mit Sexsklavinnen im Kosovo an, kritisiert ein amnesty-international-Bericht.

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Mutter Courage: Was ist, bist du überfalln worden? Aufn Rückweg? Sie ist aufn Rückweg überfalln worden! Wenn das nicht der Reiter gewesen ist, der sich bei mir besoffen hat! Ich hätt dich nie gehn lassen solln. Schmeiß das Zeug weg! Das ist nicht schlimm, die Wund ist nur eine Fleischwund. Ich verbind sie dir und in einer Woche ist sie geheilt, Sie sind schlimmer als die Tier.

Der Feldprediger: Ich werf ihnen nix vor. Daheim haben sie nicht geschändet. Schuld sind die, wo Krieg anstiften, sie kehren das unterste zuoberst in die Menschen.

(Bertolt Brecht, Mutter Courage und ihre Kinder)

Das Unterste zuoberst in den Soldaten kehrte nicht nur der Dreißigjährige Krieg, sondern auch alle Kriege zuvor und danach. Die Zusammenballung meist junger Männer im Krieg führt immer zu großer sexueller Nachfrage. Kann sie nicht befriedigt werden, häufen sich Vergewaltigungen. Der katholische Feldmarschall Tilly, wird erzählt, habe tagelang zu Gott gebetet, dieser möge ihm die Schandtaten seiner enthemmten Söldner nicht anrechnen.

Trosshuren und rote Laterne

Von so genannten Trosshuren versprachen sich Heerführer aller Zeiten eine Entspannung der aufgeheizten Stimmung. So sollen 1.200 Prostituierte, 400 davon zu Pferde, den Einmarsch der spanischen Truppen des Herzog Alba in den Niederlanden begleitet haben. Zur Organisation und Überwachung dieses Gefolges war sogar ein eigener "Hurenweibel" abkommandiert, schreibt der Berliner Sozial- und Politikwissenschafter Herfried Münkler.

Der Stellungskrieg des Ersten Weltkriegs verwandelte die mitziehende in die ansässige Form der Prostitution: Bis heute hat sich die rote Laterne als Erkennungszeichen für Bordelle erhalten. Ursprünglich signalisierte sie die Freudenhäuser für französische Offiziere, während unteren Chargen nur der Zutritt zu Bordellen mit blauen Lichtern gestattet war.

Soweit zur Geschichte, soweit zum Krieg - jetzt zum Heute und zum Frieden: Und es hat sich nicht viel verändert, zumindest nicht im Kosovo. Laut einem Bericht von amnesty international (ai) treiben Nato-Soldaten und Uno-Personal den Handel mit Sexsklavinnen in dieser Region in die Höhe. Seit vor fünf Jahren 40.000 KFOR-Soldaten und mehrere hundert UnoBeamte in die Krisenregion gekommen sind, habe "sich ein kleiner lokaler Markt für Prostitution in eine wahre Industrie auf der Grundlage eines von kriminellen Banden durchgeführten Menschenhandels verwandelt", kritisiert die Menschenrechtsorganisation. "Es ist empörend, dass genau die Leute, die eigentlich dazu da sind, diese Frauen und Mädchen zu beschützen, stattdessen ihre Position ausnutzen und sie ausbeuten - und damit auch noch durchkommen", schimpft Gudrun Rabussay von ai-Österreich, die den Bericht kürzlich präsentierte.

Freunde: Polizei und Zuhälter

Crazy Horse, Chicago, Odessa... die Namen der Bordelle, Nachtclubs und Tanzlokale geben Rechenschaft über die Herkunft des Gros ihrer Kundschaft. "Jeden Tag kamen viele einheimische Polizisten in die Bar, sie waren mit dem Lokalbesitzer befreundet, auch UN-Polizisten kamen zweimal", zitiert amnesty eine Rumänin, die 2003 aus den Händen der Menschenhändler befreit wurde. "Viele Männer vergewaltigten mich, junge und alte, lokaler und internationaler Herkunft...", heißt es in der Zeugenaussage eines 17-jährigen albanischen Mädchens.

UN: "Unberechtigter Vorwurf"

Die Uno-Verwaltung im Kosovo (Unmik) weist die amnesty-Vorwürfe als "sehr unausgewogen" zurück. Unmik wirf dem ai-Bericht vor, auf Grund von Angaben aus den Jahren 1999 und 2001 erstellt zu sein. Diese "veralteten Informationen" würden als aktuell dargestellt. Somit entstehe der falsche Eindruck, als hätte sich inzwischen nichts verändert. "Und das stimmt einfach nicht", beteuert Dmitry Pryakhin gegenüber der furche. Pryakhin ist stellvertretender Leiter der Unmik-Pressestelle in PrisÇtina. Allein 2003 habe es 2.047 Polizeirazzien in einschlägigen Lokalen gegeben, zählt Pryakhin auf. 57 Etablissements wurde geschlossen, mehr als 120 Personen verhaftet.

Auch den Vorwurf, die Polizei sehe die betroffenen Frauen als Kriminelle und nicht als Opfer, lässt Pryakhin nicht gelten: "Die Polizei behandelt die bei Razzien angetroffenen Frauen zu allererst als Opfer." Als Beweis legt der Presseoffizier eindruckvolle Zahlen von in ihre Heimat rückgeführten oder in Schutzprogramme aufgenommenen Frauen vor.

Die amnesty-Anklage, in Frauenhandel und Prostitution verwickelte KFOR- und Unmik-Mitarbeiter würden ihre Immunität zur Verschleppung und Niederschlagung der gegen sie angestrengten Prozesse nutzen, entgegnet Pryakhin: "Unmik-Personal, das in der Prostitution verdächtigten Lokalen angetroffen wird, muss mit unmittelbaren und strikten disziplinären Maßnahmen rechnen." Gudrun Rabussay von ai-Österreich ist mit der Reaktion aus PrisÇtina zufrieden: "Vor wenigen Jahren wurde noch generell geleugnet, dass es Probleme in diesem Bereich gibt." Ein Umdenkprozess auf UN-Seite ist Rabussay nur Recht.

Zu spät kommt dieses Problembewusstsein für Kathryn Bolkovac. Die UN-Mitarbeiterin aus Nebraska, USA, arbeitete für die Vereinten Nationen in Bosnien. Nachdem sie ihren Vorgesetzten über Blauhelme, die in Frauenhandel verwickelt waren, berichtet hat, wurde sie entlassen. Ein Arbeitsgericht gab Bolkovac Recht und verurteilte die Vereinten Nationen auf Zahlung von 156.000 Euro Schadensgeld.

"Die UN-Regeln sind diesbezüglich eindeutig", sagt Günther Greindl. Die Umsetzung der Theorie in die Praxis obliege aber den Kommandanten der nationalen Kontingente. Greindl, General in Ruhe, war Kommandant der österreichischen Uno-Truppen bei Auslandseinsätzen und ist Präsident der österreichischen Blauhelme. Der General gibt zu bedenken, dass diese Soldaten in extremen Situationen zum Einsatz kommen und trotz aller Belehrungen und Ausbildungen, "die menschliche Natur oft stärker ist". Greindl zu UN-Soldaten, die in Prostitution verwickelt sind: "Soll nicht vorkommen, kann aber vorkommen und wird vorkommen."

"Wir riefen den Bordellbesitzer an, dass wir kommen", heißt es in der Zeugenaussage eines KFOR-Soldaten: "Er öffnete sein Garagentor, und wir stellten unseren Jeep hinein." Und ein anderer Soldat meint: "Das Problem ist, dass niemand den Bedarf an Bordellen in der KFOR berücksichtigt. Ich sage ja nicht, die Prostituierten sollen von Amerika oder Frankreich herkommen, aber es könnten doch Bordelle für gewisse Zeit gemietet und unter Kontrolle der Einheiten betrieben werden."

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