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Rätselraten um die kranke US-Währung

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Jahrzehntelang gab es zwei markante Symbole für die Führungsrolle der Supermacht Amerika: einerseits die nukleare Überlegenheit, andererseits den US-Dollar als Leitwährung der westlichen Wirtschaftswelt. Die militärische Vorherrschaft läuft inzwischen ins Leere, denn es gibt den Widerpart UdSSR nicht mehr. Nicht ganz so einfach zu erklären ist hingegen die seltsame Entwicklung der amerikanischen Währung: Seit langem rätseln die Experten, warum das seit Monaten Erwartete und Prognostizierte einfach nicht eintritt: die Stärkung des schwindsüchtigen US-Dollars (siehe Grafik). Dabei weist die amerikanische Wirtschaft eine sehr gute Performance auf. Das Land hat ein gutes Wirt schaftswachstum, steigende Zinsen, die Inflation ist (noch) unter Kontrolle. Trotzdem reichten bei Redaktionsschluß 1,4955 DM, um einen Dollar zu kaufen, gegenüber dem japanischen Yen wurde kürzlich das Rekordtief von 96,86 erreicht. So muß auch Peter Mooslechner, der Währungsexperte des Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitutes in Wien gegenüber der FURCHE eingestehen: „Wir haben uns bei der Prognose der Dollarkursentwicklung ständig geirrt“. Woran glaubt man in Fachkreisen angesichts vieler fehlgeschlagener Prognosen dann aktuell eigentlich noch? Robert Senz, Bond-Analyst der GiroCredit, interpretiert zum Beispiel die Entwicklung so:

Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen haben die Ameri kaner Interesse an einem schwachen Dollar, weil das die Exportchancen verbessert und den Importdruck vermindert. Die Regierung Clinton zeigt außerdem keine klare Haltung in der Wechselkurspolitik. Widersprüchliche Aussagen aus der Umgebung des Präsidenten oder von Notenbankfunk- tionären, wie erst kürzlich wieder von Schatzsekretär Lloyd Bentsen, stiften Verwirrung.

Diese politische Konfusion führt zu Marktunsicherheiten.

Die amerikanische Wirtschaft ist ins Gedränge gekommen, die Nachfrage nimmt zu, das bedeutet Inflationstendenzen. Für 1995 rechnet man mit 3,5 Prozent (derzeit 3,0). Da Länder mit hoher Inflationsrate eher geneigt sind, abzuwerten, spiegelt sich diese Erwartung bereits beim Dollar wieder. Er bekömmt Gegenwind.

Bestimmend sind auch die geldpolitischen Spannungen zwischen Deutschland und Amerika. Bonn hat es geschafft, ganz Europa auf einem Zinsniveau zu halten, das höher ist, als es der ökonomischen Situation (bedingt durch die Wiedervereinigung) entspricht. Das drückt auf alle anderen Währungen. Die neue deutsche Regierung hat außerdem offiziell noch nicht ihre Politik gegenüber dem Dollar festgelegt.

Plausibel erscheint übrigens auch eine Einschätzung der „Süddeutschen Zeitung“: Dort sieht man die Gründe für den schwachen Dollar vor allem darin, daß die Amerikaner seit Jahren auf Pump leben und sich im Ausländ - vorwiegend in Japan - mit Geld eingedeckt haben. Durch die unsoliden Staatsfinanzen wurde all mählich die US-Währung ausgehöhlt.

Einigkeit besteht allerdings bei allen von der FURCHE befragten Experten darüber, daß man - gemessen an den Kursschwankungen der letzten Jahre - keinesfalls heute von einer „Krise des Dollars“ sprechen könne. Wie tief die Währung noch fallen kann? Das vermag niemand mit Sicherheit zu sagen. Das größte Problem sei, heißt es, daß sich die immer zahlreicher wer denden Marktteilnehmer an Währungsgeschäften nicht so sehr an harten Fundamentaldaten orientieren, sondern an weichen Daten wie Stimmungen und Einschätzungen über die weitere Entwicklung.

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