Moldawien Impfung - © Fotos: Matthias Schumann

Republik Moldau: Vom Politstreit zum „Impfkrieg“

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In der Republik Moldau toben erbitterte Auseinandersetzungen über die Impfung gegen Covid-19. Und das, obwohl es Impfstoff in Hülle und Fülle gibt. Eine Reportage.

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In der Republik Moldau toben erbitterte Auseinandersetzungen über die Impfung gegen Covid-19. Und das, obwohl es Impfstoff in Hülle und Fülle gibt. Eine Reportage.

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Über Limbeni Vechii türmen sich Wolken. Und im Dorfladen gibt es Streit. Ein junger Mann brüllt: Man solle ihn doch endlich in Ruhe lassen. Corona sei nur eine Grippe, die Impfung eine Farce. Er lacht, er grinst, er bebt. Und auch die alte Dame hinter der Theke wiegt den Kopf hin und her, versteckt sich hinter der mit Klebeband fixierten Plexiglasscheibe über dem Ladentisch zwischen Mohngebäck, Schokoriegeln und Kaugummis. Sie murmelt in ihren Atemschutz: Dass sie halt Angst habe vor der Impfung.

Jana Buliga will Flugblätter in dem Geschäft hinterlegen. Damit sollen die Bewohner des Dorfes dazu bewogen werden, sich impfen zu lassen. Doch der junge Mann lacht sie aus. Draußen gießt es mittlerweile in Strömen. Allen in dem Laden bleibt also die Wahl unter zwei Übeln: ausharren und streiten – oder nass werden. Zwei Burschen ist der Regen egal: Zu zweit brausen sie auf einem klapprigen Fahrrad immer und immer wieder johlend die menschenleere Hauptstraße hinunter – vorbei an der Schule, vorbei an der Poliklinik, vorbei am Laden und vorbei an dem Kampagnen-Bus mit dem Lautsprecher, über den ein Werbejingle abgespielt wird. Der Inhalt: ein Aufruf, sich doch bitte impfen zu lassen.

Es ist offensichtlich: Die Impfkampagne in Moldawien steckt fest. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO haben nur 23 Prozent der Bevölkerung vollen Impfschutz. Allerdings ist die Datenlage unklar: Viele Moldauer haben einen rumänischen Pass – und sich dort impfen lassen, doch die elektronische Verarbeitung der Impfzertifikate ist nicht verknüpft. Ein anderes Problem sind gefälschte Zertifikate, die ab 60 Euro zu haben sind. Klar ist nur eines: Die knapp zwei Jahre währende Pandemie hat durch Moldawiens Gesellschaft tiefe Gräben gezogen. „Impfkrieg“, „Impfstoff-Krieg“, „Pharma-Weltkrieg“ lauten die Bezeichnungen der Moldauer selbst für das, was sich in ihrem Land seit Pandemiebeginn abspielt.

Machtkampf in der Politik

Denn einhergegangen ist die Seuche bisher im Drei-Millionen-Einwohner-Land mit einem fundamentalen Machtkampf um die politische Ausrichtung. Und das Thema Impfung – die Beschaffung von Vakzinen ebenso wie der Streit um internationale Impfstoff-Spenden an Moldawien – waren Kernthemen dieses inner-moldawischen Ringens. Nur eines ist nach all den Turbulenzen kein Problem mehr: ein Mangel an Impfstoffen. Eher das Gegenteil ist der Fall. Alles ist vorhanden und zugelassen: Die Impfstoffe von Pfizer, AstraZeneca, Johnson&Johnson, Xenovax, Sputnik. Die Regierung hat Impfstoff angekauft, auch die Initiative COVAX der WHO hat Impfstoff bereit gestellt, rund 530.000 Dosen.

Moldawien war immerhin das erste Land Europas, das über COVAX Impfstoff erhalten hat. Vor allem aber kamen zum Teil auch umstrittene Spenden auf bilateraler Basis zustande: aus Rumänien kamen 500.000 Dosen, aus Russland 140.000, aber auch aus anderen EU-Staaten wie Deutschland, das alle übriggebliebenen AstraZeneca-Dosen an Moldawien gespendet hat. Auch die USA gaben etwas ab. Spenden aus Staaten und Mächten, die in Moldawien ihre je eigenen politischen Interessen verfolgen. In einem Impfzentrum in Chişinău kann man folglich nun wählen, wonach einem ist: Pfizer, Johnson&Johnson, AstraZeneca. Nach und nach trudeln da auch Studenten ein. Eine Dame mittleren Alters begleitet ihre Schwester, die sie überredet hat. Ausgelegt ist das Zentrum auf täglich rund tausend Impfungen. An diesem Tag waren es aber gerade einmal 118. Und das in der Hauptstadt – und angesichts der noch laufenden Kampagne.

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