Moldawien - © Foto: APA / AFP / Daniel Mihailescu

Republik Moldau: Wenn Hoffnung und Ungewissheit Hand in Hand gehen

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In der Republik Moldau wird mit großer Sorge beobachtet, was sich in der Ukraine zuträgt. Groß ist auch die Angst, selbst zum Angriffsziel Russlands zu werden. Direkte Drohungen gab es zuhauf. Jetzt ist auch die Republik Moldau EU-Beitrittskandidat. Ein Stimmungsbericht.

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In der Republik Moldau wird mit großer Sorge beobachtet, was sich in der Ukraine zuträgt. Groß ist auch die Angst, selbst zum Angriffsziel Russlands zu werden. Direkte Drohungen gab es zuhauf. Jetzt ist auch die Republik Moldau EU-Beitrittskandidat. Ein Stimmungsbericht.

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Ein kleines Konzert im Park, moldauische und EU-Fähnchen. Das ist alles. Nein, Feierstimmung herrscht keine in Chișinău in diesen so historischen Tagen für das Land, in denen es gerade zum EU-Beitrittskandidaten gekürt wurde. Denn da war auch noch dieser Pfeil auf einer Militärlandkarte zum Ukrainekreig, die der belarussische Diktator Lukaschenko Anfang März präsentiert hatte. Einige dieser Pfeile zeigten nach Kiew, andere reichten aus dem Donbass in die Zentralukraine, aus Belarus in die Nordwestukraine und wieder andere direkt in die Republik Moldau.

Der Krieg strahlt aus, auch nach Chișinău. Hunderttausende Ukrainer waren zwischenzeitlich da. Und zugleich sind da all die Drohungen seitens Russlands inklusive lautem Säbelrasseln in Moldaus abtrünniger, pro-russischer Region Transnistrien. Und nun also das: Moldau als EU-Beitrittskandidat. In einer Weinbar im Zentrum Chișinăus liest ein junger Mann seinen Freunden die Nachricht vor. Allgemeines Kopfnicken, Zustimmung. Das wars aber auch schon. Euphorie kommt keine auf in Chișinău. „Es gibt Hoffnung“, meint Daniela Domici, eine Filmemacherin. Hand in Hand gehe diese Hoffnung allerdings mit viel Ungewissheit: „Wir wissen nicht, wie sich die Dinge verändern werden.“ Und immerhin sei es ein langer Weg bis zum Beitritt.

Es ist Ungewissheit, die dominiert. Und sie ist es auch, die die Entscheidung der EU, Moldau die Türen zu öffnen, als etwas dazwischen erscheinen lässt. Als einen Schritt unter vielen. Aber viel eher eben auch als Beginn eines vielfach wohl mühsamen und vor allem auch konfliktträchtigen Prozesses.

Anlass als Ansporn

Für Mihail Popșoi ist die Entscheidung aber doch immerhin ein „moralischer Ansporn“. Mihail Popșoi ist Parlamentspräsident und einer der Top-Vertreter der regierenden „Partei der Aktion und Solidarität“ (PAS), die Präsidentin und Regierung stellt. „Wir hätten es natürlich vorgezogen, wenn dieser Prozess in Zeiten des Friedens stattgefunden hätte“, sagt er. „Aber die Geschichte wählt Zeitpunkte nicht aus.“ Und in diesem jetzigen geopolitischen Kontext gebe es eben auch keine Alternative für die EU als die Einbindung der Ukraine und Moldawiens. Denn ein Zögern seitens der EU, so sagt Mihail Popșoi, würde seitens des Aggressors sofort als „Zeichen von Schwäche“ ausgelegt werden.

Als Moldaus west-orientierte Präsidentin Maia Sandu im Dezember 2020 das Amt antrat, gab es keine Pandemie. Der Krieg in der Ukraine war festgefahren, so wie ihn Moldau selbst mit der abtrünnigen Region Transnistrien seit den 1990er-Jahren kennt. Als die westlich orientierte PAS bei den Parlamentswahlen im Sommer 2021 dann die absolute Mehrheit holte, schien ein Krieg in dem Ausmaß, wie er heute in der Ukraine tobt, ebenso irreal wie ein Beitritt Moldaus zur EU.

Aber immerhin: Erstmals seit Jahren hatte das Land mit Maia Sandu als besonnen agierender, aber zugleich klar westlich orientierter Präsidentin, ausgestattet mit einer klaren Mehrheit im Parlament, nach vielen Jahren politischer Instabilität eine Reformregierung mit solider Mehrheit. Selbst als Russland im Herbst 2021 Moldau das Gas abdrehte, roch das eigentlich noch wie business as usual im Umgang mit einem Land, das eben genau das tut, wenn unbotmäßige Regierungen in Staaten ans Ruder kommen, die es zur eigenen Einflusssphäre zählt.

Und jetzt: In Transnistrien sind mehrere tausend russische Soldaten stationiert. Offiziell sind es 1500. Und wie echt die Bedrohung ist, die von dieser russischen Militärpräsenz im Land ausgeht, verdeutlichen Stellungnahmen russischer Amtsträger: Erst die Pfeile auf Lukaschenkos Karte, dann eine Serie ungeklärter Explosionen in Transnistrien, für die Transnistrien und Russland Moldau oder auch die Ukraine verantwortlich machten. Moldau und die Ukraine wiederum sahen darin den Versuch, Transnistrien militärisch zu mobilisieren und Moldau zu destabilisieren. Und in Folge hagelte es im April dann direkte Drohungen aus Moskau und Warnungen vor einem Szenario, in dem Russland „intervenieren“ müsse.

Mülleimer der Geschichte

Nachdem Moldaus Regierung dann russische Kriegspropaganda unter Strafe stellte und die Ausstrahlung russischer TV-Kanäle unterband, kamen weitere Drohungen aus Moskau. Maia Sandu werde im „Mülleimer der Geschichte“ landen, so der russische Senator Alexej Puschkow: „Sie sollte sich vorsichtiger gegenüber Russland und seinen Symbolen äußern, umso mehr da Chișinău nicht für russisches Gas zahlen kann.“

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