Römische Entscheidung im Fotofinish

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Ein Raunen geht durch die Menge. Die Ergebnisse der ersten Nachwahlbefragungen blinken auf einer Leinwand vor dem Palazzo Chigi, dem Sitz des italienischen Ministerpräsidenten, auf. Der von vielen Italienern erhoffte Machtwechsel scheint stattgefunden zu haben. "Endlich haben wir wieder einen Ministerpräsidenten von europäischem Format", so ein Anhänger von Prodis Mitte-Links-Bündnis "L'Unione".

Ob es wirklich zum großen Machtwechsel kommt, ist Stunden später zwar fraglich. Dass Prodi das europäische Parkett kennt wie kein zweiter Regierungschef innerhalb der Europäischen Union, ist jedoch gewiss, war er doch von 1999 bis 2004 Präsident der EU-Kommission in Brüssel.

Seine ersten Sporen verdiente sich der 1939 in der mittelitalienischen Region Emilia-Romagna geborene Prodi allerdings auf der Universität und in der Privatwirtschaft. Fast zwei Jahrzehnte lehrte er an der altehrwürdigen Hochschule in Bologna Volkswirtschaft und Industriepolitik. Nach einem einjährigen Intermezzo als Industrieminister unter Giulio Andreotti 1979 machte sich der immer mit leiser Stimme sprechende Prodi vor allem als Sanierer eines tief verschuldeten Staatskonzerns einen Namen.

Doch der heute 66-Jährige konnte die Politik nicht bleiben lassen: 1995 vereinigte er Sozialisten, Linksdemokraten, Kommunisten, Republikaner und Grüne im Parteienbündnis "Ulivo" (Olivenbaum) und führte es in die Wahlen. Sein damaliger Herausforderer: Silvio Berlusconi und seine Mitte-Rechts-Partei "Forza Italia".

Während seiner Zeit als Ministerpräsident hatte der von seinen Freunden "Professore", von seinen Gegner "Mortadella" Betitelte, es geschafft, die EU-Konvergenzkriterien zu erfüllen und Italien damit auf Euro-Kurs zu führen. Doch Prodis politische Fortune sollte nicht ewig dauern. Kommunisten-Chef Faustino Bertinotti entzog ihm nach einem Streit um Staatshaushalt und Pensionsreform das Vertrauen. Nach 876 Tagen schritt Italien wieder zu den Urnen. Massimo D'Alema folgte ihm als Spitzenkandidat des "Ulivo" und Regierungschef nach.

Obwohl Familienmensch, verbrachte Romano Prodi nicht lange zu Hause bei seiner Frau Flavia, seinen beiden Söhnen und den Enkelkindern. Aufgrund seiner vielfältigen Erfahrungen wählten die Staats-und Regierungschefs der Europäischen Union ihn im März 1999 zum Präsidenten der Kommission. Sein Verhandlungsgeschick war vor allem bei den Vorbereitungen zur EU-Osterweiterung gefragt. Eine zweite Amtsperiode ließ der bekennende Katholik Prodi aus. Ihm Wohlgesinnte meinen, er selbst spekulierte immer wieder mit seiner Rückkehr nach Italien. Seine Kritiker hingegen, kreid(et)en ihm Farblosigkeit, das Fehlen von Visionen und mangelnde Entscheidungsfreude an.

Nun heißt's warten: Warten, ob Prodi den "Stiefel" wieder mit Unterstützung von Polit-Urgestein Bertinotti und schwierigen Machtverhältnissen im Parlament auf die Erfolgsbahn lenken kann. Warten, ob er mit versprochener Lohnsteuersenkung, Wiedereinführung der Erbschaftssteuer und Reduktion der Lohnkosten bei Langzeitverträgen seinen Ruf als Sanierer stärkt. Und warten, ob ihm das am Wahltag von seinen Anhängern geschenkte Schwein, tatsächlich Glück gebracht hat.

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