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Ruf nach Abrüstung auch in den USA

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Der zündende Funke der europäischen Friedensbewegung ist in die Vereinigten Staaten übergesprungen. Der Ruf nach einer atomaren Abrüstung wird immer lauter.

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Der zündende Funke der europäischen Friedensbewegung ist in die Vereinigten Staaten übergesprungen. Der Ruf nach einer atomaren Abrüstung wird immer lauter.

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Hauptstoßrichtung dieser Bewegung ist die Aufklärung der Öffentlichkeit darüber, was ein Atomkrieg zwischen den Supermächten bedeuten würde. Das Ziel ist die Mobilisierung breiter Schichten der Bevölkerung, um mit ihrer Hilfe Druck auf die Regierung auszuüben, die dazu gebracht werden soll, ein „Einfrieren" aller Atomwaffen zu verfügen.

Ihren Aktivitäten und dem Echo in den Massenmedien nach zu schließen, handelt es sich bei der amerikanischen Friedensbewegung nicht nur um kleine Zellen, sondern um aktive Organisationen mit einer breiten Basis. Ihre Zahl wird auf etwa 75 geschätzt, gegenüber rund 700 solcher Vereinigungen in der Bundesrepublik Deutschland.

Ähnlich wie dort geht die amerikanische Anti-Atom-Bewegung durch alle politischen Lager. Sie umfaßt alle gesellschaftlichen Schichten und alle Altersstufen, sie zählt Bischöfe genau so zu ihren Aktivisten wie Gewerkschaftsführer. In ihren Reihen finden sich Freiberufler und Unselbständige, Erzkonservative und Linksliberale.

Die Atomabrüstungs-Idee findet in den Vereinigten Staaten einen denkbar günstigen Nährboden vor, und zwar aus mehrfachen Gründen: Da sind zunächst einmal die im Jahre 1980 seitens der amerikanischen Regierung aufgeschobenen SALT II-Verhand-lungen und die enorme Aufstok-kung des Rüstungsbudgets durch die Reagan-Administration. Der Anteil der Militärausgaben an den US-Gesamtausgaben beträgt heuer 27 Prozent und wird in den nächsten Jahren weiter steigen. Bis 1987 soll der Budgetposten „Verteidigung" auf 400 Milliarden Dollar ansteigen.

Die an und für sich sehr komplexe Frage einer Atomabrüstung wird dadurch noch komplizierter, weil Moskau behauptet — und möglicherweise auch wirklich glaubt —, daß die USA der Sowjetunion gegenüber einen Vorsprung hätten, während die amerikanische Regierung die Meinung vertritt, daß die UdSSR überlegen sei.

Präsident Ronald Reagan hat erst dieser Tage wieder, erklärt, daß die Sowjets stärker seien und daß ein „Einfrieren" der Atomwaffen-Arsenale der beiden Supermächte auf dem heutigen Stand ein gravierender Fehler wäre. Denn die Sowjets könnten dann ihren heutigen Vorsprung zementieren und hätten überhaupt kein Interesse an einem Ubereinkommen über eine Reduktion oder eine völlige Eliminierung der Atomwaffen.

Andere Stimmen, darunter solche von einigen Abgeordneten und Senatoren, räumen ein, daß die Sowjets auf einigen Gebieten —vor allem bei den Interkontinen-tal-Raketen - eine Überlegenheit hätten, geben aber zu bedenken, daß die Vereinigten Staaten hinsichtlich ihrer etwa doppelt so starken Bomben-Flugzeug-Flotte und ihrer Unterseeboote (die besonders leise und schwer auf spürbar sind) einen Vorsprung aufweisen. Mit einem Wort: daß es einen Zustand gibt, den man „Gleichgewicht der Ungleichgewichte" nennen könnte.

Aus dieser unterschiedlichen Einschätzung der Lage ergeben sich begreiflicherweise erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Frage, ob beziehungsweise wie man die Sowjets zu einem Abrüstungs-Abkommen bewegen sollte. Da gibt es zunächst die Träumer. Ihre Argumentation: Wenn die USA im Alleingang alle ihre Nuklearwaffen zerstören würde, stünde die UdSSR unter einer Art moralischen Zugzwanges, hätte also keine andere Wahl, als dem amerikanischen Beispiel zu folgen.

Eine viel größere Rolle spielen diejenigen Atomgegner, die zunächst für ein „Einfrieren" der heutigen Arsenale der USA und der Sowjetunion eintreten und bilaterale Verhandlungen über einen synchronen Abbau einem späteren Zeitpunkt vorbehalten möchten.

Die Reagan-Administration lehnt aber eine solche Vorgangsweise ab. Sie hält nichts von einem „Einfrieren" und möchte sozusagen mit der zweiten Phase, also dem etappenweisen Abbau, beginnen.

Zwar schwanken die USA noch immer zwischen einem Festhalten an der Strategie der nuklearen Abschreckung und der Forderung einer simultanen Reduktion der Atomwaffen-Arsenale. Aber im Kongreß gibt es bereits eine Reihe von Gesetzesvorlagen, die alle im wesentlichen insofern übereinstimmen, als sie Verhandlungen mit den Sowjets fordern — sei es bezüglich eines Einfrierens der Arsenale, sei es über ihren Abbau.

Die Atomfrage steht in Washington also auf der Tagesordnung.

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