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Nach dem noch nicht ausgestandenen Kaukasus-Konflikt fragt sich Ost wie West, wie es in den gegenseitigen Beziehungen weitergeht. Keine Wiederauflage des Kalten Kriegs ist der Konsens bei den Alpbacher Politischen Gesprächen.

Mit dem Symposium zum Thema "Wahrnehmung Russlands in Europa" haben die Politischen Gespräche des Europäischen Forum Alpbach "ins Auge des Bullen getroffen", sagte der russische EU-Botschafter Vladimir Chizhov. Wenige Tage nach der russischen Intervention in Südossetien und dem Einmarsch russischer Truppen in georgisches Kernland ist die Frage nach den Russland-EU-Beziehungen aktueller und umstrittener denn je.

Kein neuer Kalter Krieg

Die Debatte zwischen Chizhov und den anderen Diskutanten machte deutlich, wie kontrovers die gegenseitigen Sichtweisen und Schuldzuschreibungen derzeit sind. Einig war man sich am Alpbacher Podium, moderiert vom Generalsekretär des österreichischen Außenministeriums, Johannes Kyrle, nur in dem einen Punkt: Dass es sich bei der momentanen Konfrontation zwischen Ost und West um keine Neuauflage des Kalten Kriegs handelt. Obgleich die Moskauer ORF-Korrespondentin Susanne Scholl klarstellte: "Es ist kein neuer Kalter Krieg, denn auf beiden Seiten steht kaum mehr eine Ideologie dahinter - doch es herrscht jetzt wieder die Methodik des Kalten Kriegs: Wenn ihr das tut, dann tun wir das!"

Russlands Botschafter Chizhov beschuldigte denn auch die Europäische Union, mit "doppelten Standards" zu messen: Während Russland ständig von der EU kritisiert werde, unterstützten die Europäer im Gefolge der USA die georgische Aufrüstungspolitik. Doch dem nicht genug, setzte Chizhov seine Vorwürfe fort, solidarisierten sich die baltischen EU-Staaten und Polen sogar nach dem Krieg um Südossetien mit dem georgischen Staatspräsidenten und "Massenmörder" Saakaschwili.

Für den Innsbrucker Politikwissenschafter und Russland-Experten Gerhard Mangott das Stichwort, um im Gegensatz zum früheren Eisernen Vorhang von einem heutigen intellektuellen Vorurteile-Vorhang zu sprechen, der Europa bzw. den Westen und Russland trenne.

Trennendes vorangestellt

Für Mangott ist die Realität um vieles komplexer und lässt sich nicht in gegenseitigen Schuldzuschreibungen wie "Barbaren" oder "Killer" zusammenfassen. Mangott wirft sowohl Russland als auch Europa vor, in der langen Geschichte gemeinsamer Beziehungen das Trennende hervorgehoben und "kein Interesse an der Suche nach einer gemeinsamen Identität" gehabt zu haben.

Fraser Cameron, Direktor des EU-Russland-Zentrums in Brüssel und ebenfalls am Alpbacher Panel, ist von Amts wegen für die Pflege der Beziehungen zwischen Europa und Russland zuständig. Die EU wolle ein schwaches Russland - dieser russische Vorwurf, so Cameron, "ist ein Mythos". Schon aus Eigennutz sei die Europäische Union an einem freien und starken Russland interessiert. Ja mehr noch: "Russland ist für die EU der natürliche Partner!" Und Cameron gesteht Russland zu, sowohl was die Freiheit als auch die nationale und wirtschaftliche Stärke betrifft, große Fortschritte erzielt zu haben. Insofern habe sich Russland mit dem Angriff auf Georgien selbst am meisten geschadet: Die 20 Milliarden Dollar Verluste an der Moskauer Börse als eine Reaktion auf den Kaukasus-Konflikt sprechen eine eindeutige Sprache. Zwei Fragen bleiben für Cameron offen: "Ist Russland ein sicherer Hafen für ausländische Investitionen?" Und: "Ist es dieses Bild, das Russland von sich in der Welt zeigen will?"

Der russische EU-Botschafter entgegnete seinem Brüsseler Kollegen daraufhin, dass "sich die EU lieber Sorgen über ihr Image in Russland machen sollte". Und Chizhov blieb bei seiner Meinung: "In den Köpfen westlicher Politiker ist es eine fixe Idee, Russland einzudämmen und in seiner Macht zu beschneiden!" Als einen weiteren Beweis dafür, neben dem westlichen Rüstungsengagement im Kaukasus, nannte Chizhov die in den letzten Wochen beschlossenen US-Raketenabwehrpläne in Tschechien und Polen. Demgegenüber hob der russische Botschafter diejenigen "weisen EU-Politiker" hervor, die dem Druck nicht nachgeben und mit Russland an der Umsetzung von gemeinsamen Pipeline-Projekten arbeiten.

Partner & Feind zugleich?

"Russland zugleich als strategischen Partner und Feind sowie Bedrohung zu begegnen", ist für Chizhov keine zukunftsweisende EU-Position. Davon könne in der Europäischen Union auch keine Rede sein, entgegnete Fraser Cameron. Weder die WTO-Verhandlungen mit Russland abzubrechen noch über andere Wirtschaftssanktionen nachzudenken, wären für Cameron derzeit vernünftig: "Doch Russland ist Mitglied in der OSZE und im Europarat - und das dort Verlangte ist bindend für Russland und die EU!"

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