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Salzburger Nachlese

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Die Salzburger Landtagswahlen vom 26. April, die von den Parteimanagern aller Richtungen einerseits gerne als lokale Landesangelegenheit definiert und anderseits doch als Testwahlen von allgemeiner Bedeutung angesehen wurden, haben ein in mehrfacher Hinsicht bemerkenswertes Ergebnis gebracht. Und dieselben Parteien, die den Doppelcharakter dieses Wahlganges kreiert haben, werden gut daran tun, daraus die richtigen Konsequenzen beziehungsweise Lehren zu ziehen.

Die Österreichische Volkspartei, seit 1945 Regierungspartei im Lande, wenn auch seit 1949 nur mehr mit relativer Stimmen- und Mandatsmehrheit, hatte ihren Wahlkampf ganz darauf abgestellt, ihren Führungsanspruch zu erhalten und ihn womöglich durch den Gewinn eines Mandates zu verstärken. Der Appell, mit dem bisherigen Landeshauptmann DDr. Ingenieur Hans Lecfi-ner als Spitzenkandidaten „den Besten“ zu wählen und ihren langjährigen Landeshauptmann und Lan-desparteiobmann Dr. Klaus in Wien durch die Wahl Lechner in Salzburg zu stärken, hat anscheinend doch einen Teil der Wählerschaft — hier ist immer jene ausschlaggebende Randschicht außerhalb des eigentlichen Stimmenkaders jeder Partei gemeint — beeinflußt. Zu den 82.942 Stimmen bei den Landtagswahlen des Jahres 1959 konnte die ÖVP diesmal 7268 neue gewinnen und mit einem Ergebnis von 90.210 ihren Mandatsständ von 14 auf 15 erhöhen. Damit erscheint also das erste Ziel der Regierungspartei tatsächlich erreicht: Ein Mandat mehr als bisher, abgenommen der FPÖ, die von 30.915 auf 23.785 Stimmen zurückgefallen ist.

Der Schönheitsfehler liegt allerdings darin, daß der reine Stimmenzuwachs bei den Sozialisten gegenüber 1959 etwas größer ist, nämlich 8177. Er wird aber schon erklärlich dadurch, daß die Kommunisten von ihren 3430 Stimmen nahezu ein Drittel, nämlich 1060, verloren haben und daß daher das sozialistische Plus gegenüber dem ÖVP-Zuwachs wohl zu einem guten Teil auf die Wählerwanderung von der KPÖ zur SPÖ zurückzuführen ist. Damit hat gleichzeitig auch die sozialistische Behauptung einiges an Gewicht verloren, die Jungwähler seien zum größeren Teil zu ihr gestotßen; ja die Tatsache, daß die Volkspartei zum Beispiel in der Landeshauptstadt Salzburg um 917 Stimmen mehr gewonnen hat als die SPÖ, die hier seit Jahr und Tag den Bürgermeister — und noch dazu einen weit über den engsten Parteikreis angesehenen Mann, nämlich Sparkassendirektor Kommerzialrat Alfred Bäck, der als Landtagsabgeordneter auch in der Landespolitik eine Rolle spielt — stellt, deutet eher auf das Gegenteil hin.

Wo in den Landbezirken der Stimmengewinn der SPÖ größer war als jener der ÖVP, hatte dies in der von Jahr zu Jahr deutlicher und stärker werdenden Strukturänderung des Landes und seiner Wirtschaftsbasis — Abwanderung von der Landwirtschaft, zunehmende Industrialisierung — einerseits und in Unzufriedenheit mit lokalen Parteiinstanzen und deren ungenügender Tätigkeit anderseits seine Hauptursachen. Dazu kommt, daß der FPÖ-Wählerstock im Gegensatz zur Landeshauptstadt auf dem Lande hauptsächlich die Arbeiter- und Angestelltenschaft und zum geringeren Teil die freiheitlich eingestellte Bauernschaft waren; beide Gruppen fühlten sich aber durch die bisherige Politik ihrer Mandatare in Landtag, Arbeiterkammer usw. ungenügend vertreten; daher die stärkere FPÖ-SPÖ-Tendenz auf dem Lande.

Jedenfalls wird die Volkspartei von Ort zu Ort ebenso genau die Ursachen erfreulichen Stimmenzuwachses wie mancherorts jene eines auffallenden Abfalls untersuchen müssen, und zwar je eher, desto besser, denn am Tag nach der Wahl zum Landtag haben eigentlich schon die Vorbereitungen für die Gemeinderatswahlen begonnen, die im Oktober in allen Orten des Landes mit Ausnahme der Landeshauptstadt Salziburg fällig sind. Wenn auch auf kommunaler Ebene die politischen Aspekte vielleicht nicht die erste Rolle spielen und hinter denen der aufgestellten Persönlichkeiten und deren Leistungen, vor allem in der ausgelaufenen Gemeinderatsperiode, in den Hintergrund treten, so wird es doch in den „Verlustgemeinden“ um so notwendiger sein, bis zum Herbst alle Anstrengungen zu unternehmen, um verlorengegangenes Terrain wiederzugewinnen. Da für die Gemeinderatswahlen überdies aller Voraussicht nach der Masseneinsatz der Bundespolitiker mit Kanzler Doktor Klaus an der Spitze, dem sicherlieh ein Gutteil des erzielten Erfolges zuzuschreiben ist, fehlen wird, erscheint diese Analyse um so wichtiger.

Das „Eingreifen der Kirche“ wurde sowohl von den Sozialisten wie von den Freiheitlichen — und in ihrem Gefolge auch von einem Teil der parteiunabhängigen Presse — angeprangert. Gemeint war damit ein persönlicher Artikel des General-vi'kars, der darauf hingewiesen hatte, es sei Gewissenssache der katholischen Wähler, christliche Männer zu wählen, die leider nicht von allen Parteien an die Spitze gestellt worden seien. In der stark übertriebenen Auslegung und Kommentierung dieses Appells kamen sowohl bei SPÖ wie bei FPÖ gemeinsame „antiklerikale'4 Affekte wieder einmal zum Durchbruch. Sie zeigten sich übrigens auch bei der ersten Sitzung der noch amtierenden Landesregierung am Tag nach der Wahl Der FPÖ-Landesrat Leitner, dessen Regierungssitz am seidenen Faden einiger weniger Stimmen gehangen war, versagte entgegen seiner langjährigen Haltung diesmal einer 80.000-Schilling-Subvention für die Elternvereinigungen an den (größtenteils katholischen) Privatschulen seine Zustimmung, so daß die ÖVP mit 3:4 in der Minderheit blieb.

Die Sozialistische Partei im Land Salzburg konnte den größten absoluten Stimmenzuwachs gegenüber 1959 mit einem Plus von 8177 erzielen. Sie fühlt sich demnach auch als die eigentliche „Siegerin“, zumal sie sogar gegenüber ihrem Ergebnis bei den Nationalratswahlen 1962 noch zugenommen hat, während die Volkspartei unter ihrem damals erreichten Höchststand von rund 94.000 Stimmen geblieben ist. Erwägt man aber, wie schon oben erwähnt, daß das sozialistische Plus ausschließlich den Kommunisten-Stimmen zu danken ist und daß die Nationalratswahlen von 1962 unter ganz anderen Aspekten geschlagen worden sind beziehungsweise daß erfahrungsgemäß nur bei Nationalratswahlen die nichtsozialistische Wählerrandschicht in hohem Prozentsatz überhaupt zu den Urnen zu bringen ist, erscheint der SP-Sieg vom 26. April schon in einem etwas anderen Licht. Immerhin mag die Volkspartei darin einen Fingerzeig erblicken, ihre Arbeit auf dem Land, wo die Einbrüche in den bäuerlichen Bereich, vor allem bei den aus dem Bauernhaus abwandernden Kindern, unverkennbar sind, zu intensivieren.

Den nationalliberalen Kreisen im Land Salzburg, in erster Linie in der Landeshauptstadt, ist die Politik der FPÖ in den letzten Jahren nicht nach dem Sinn gewesen. Das zeigt deutlich der 23prozentige Stimmenverlust der FPÖ, deren Führer noch dazu bei den ersten Kommentaren nach der Wahl den Fehler begangen haben, die Schuld hiefür nur bei den anderen, vor allem bei der Volkspartei, zu suchen und nicht bei sich selber.

Auch nicht annähernd das gesteckte Ziel erreichen konnten die „Europäischen Föderalisten“ (EFP), die mit 2382 Stimmen zwar mit einem Dutzend über dem kommunistischen Ergebnis liegen, aber nicht einmal 50 Prozent der in einem einzigen Wahlbezirk erforderlichen Stimmen für ein Grundmandat für sich buchen konnten. Da in den letzten Monaten der Allgemeine Bauernverband in seinem Ursprungsland Salzburg immerhin eine unbekannte Größe gewesen war und seine Spitzenfunktionäre auf der EFP-Liste kandidiert haben, ist dieses Ergebnis um so beachtlicher.

Die Zusammenarbeit im Land Salzburg wird nach einem sehr hart geführten Wahlkampf und dem Mandatsgewinn der Volkspartei einerseits, dem stärkeren Stimmengewinn der Sozialisten anderseits nicht leichter werden, zumal die angeschlagene FPÖ noch immer das Zünglein an der Waage zu spielen vermag und sich ihre Mitarbeit da und dort teuer abkaufen lassen wird. Es sind aber Anzeichen dafür vorhanden, daß, wie bisher, alle drei Parteien das Gesamtwohl und den weiteren Aufstieg von Wirtschaft und Wohlstand im Land über die engen parteipolitischen Interessen stellen werden.

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