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Sandkastenspiel um Benjamin

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Ohne Zweifel, der neue Mann mit dem Himmelfahrtskommando in der Himmelpfortgasse ist trotz seiner Jugend — er ist mit 32 Jahren der jüngste Minister in der jungen Geschichte der Zweiten Republik — auf dem besten Weg, eine große Karriere zu machen. Hannes Androsch, der mit 29 Jahren in den Nationalrat einzog und dort schnell zu einem der profiliertesten Finanz- und Budgetsprecher der SP wurde, hatte noch wenige Wochen vor der Wahl einer Bundesländerzeitung gegenüber geäußert: „So unglaubwürdig das vielleicht auf den ersten Blick scheinen mag, ich will nicht Minister werden.“ Ob dies nun jenes bewußte Understatement war, welches so manchen Politiker unserer Tage ziert, oder ob er es mit dem Nicht-Minister-sein-Wollen tatsächlich ernst meinte — Tatsache ist, daß seine Berufung in da Minderheitskabinett Kreisky einem hartumkämpften Kompromiß innerhalb der Partei und einem klugen Plan Kreiskys entsprang. Wiewohl An drosch Mitarbeiter am SPÖ-Wirtschaftskonzept war und von Kreisky als solcher auch vor der Wahl der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, war es der jetzige Sozialminister Ing. Rudolf Häuser, der mit der Führung des sozialistischen Steuerkomitees beauftragt wurde. In das Verhandlungskomitee wiederum, das die Steuervorstellungen der beiden großen Parteien im Hinblick auf eine mögliche Koalitionsregierung zu prüfen hatte, wurde jedoch n,icht Häuser, sondern der Wiener Vizebürgermeister Slavik als Vorsitzender geholt. Finanzminister ist aber keiner von beiden geworden, auch nicht Veselsky, nicht der ebenfalls stark im Gespräch gewesene Dr. Stari-bacher — Finanzminister wurde der vom sozialistischen „Express“ freimütig „Benjamin“ titulierte Androsch.

Der „Benjamin“ mit seiner Vorliebe für Tennis, das er im Prater-Park-Klub spielt, ist — das zeigt sein bisheriges Vorgehen auf dem politischen Spiegelparkett — alles andere als ein Budgettechnokrat. Androsch entpuppte sich, ganz im Gegenteil, als Vollblutpolitiker, der die Dinge auch als solcher, und nur als solcher, zu betrachten gewillt ist. Das erinnert stark an seinen Vorgänger Koren — „kein Amateur, ein Prof.“ — und läßt sich in die Wortkombination „Kein Technokrat, ein Politiker“ abwandeln.

Ganz anders als die Korens dürfte die Rolle sein, die Ansrosch als Finanzminister des Kreisky-Kabi-nettg zu spielen gedenkt, beziehungsweise die Rolle, die man ihm zu spielen zugedacht hat. Stieg Koren — Lehrer Androschs an der Hochschule für Welthandel — innerhalb weniger Jahre zur zentralen Figur im Kabinett Klaus auf und verstand er seine Funktion als eine, in der e r die Prioritäten der Wirtschaftpolitik zu setzen hatte, so verhält es sich mit Androsch ganz anders. Einerseits zeichnet sich im Bundeskanzleramt unter der Stabsführung Veselskys bereits ab, wo nach dem Willen Kreiskys die tatsächlichen und wirtschaftlichen Entscheidungen gefällt werden, anderseits dürfte Kreisky ganz spezielle Pläne mit Androsch haben: Die in den letzten Tagen von prominenten Sozialisten wiederholt gezeichneten drohenden Schatten eines riesigen Defizits im Staatshaushalt, das starke propagandistische Herausstreichen jener bewußten 17 Milliarden, die angeblich im kommenden Budget noch ohne Dek-kung dastehen und überhaupt das einsetzende Kombinationskarussell um mögliche Neuwahlen lassen die Nominierung Androschs in einem ganz anderen Licht erscheinen, als dies ursprünglich der Fall war. Wenn nämlich die SPÖ einen starken Finanzminister gewollt hätte, dann hätte sie Schachner, Slavik oder Staribacher in die Himmelpfortgasse geschickt. Von diesen Genannten wäre allerdings kaum zu erwarten gewesen, daß sie bei Kreiskys Schachzug, wenn die Vermutung stimmt, mitgemacht hätten. Will Kreisky tatsächlich unter dem Vorwand der katastrophalen Budgetsituation, der vorgespiegelten finanzierungstechnisch unmöglichen Härte des von der ÖVP zurückgelassenen Prokrustesbettes im Verein mit dem Hinweis auf die für eine echte Budgetsanierung unzureichende parlamentarische Sitzverteilung vorzeitig losschlagen, dann ist Androsch sicherlich der Mann, der Kreisky als Liquidator der angeblichen ÖVP-Schuldenpolitik blindlings unterstützt. Geht es gut aus und schafft die SPÖ die absolute Mehrheit, dann wird es am Dank für Androsch nicht fehlen, geht es schief, dann Ist Androschs Jugend der beste Panzer-gegen die zu erwartende Speerwurfserie auf den Finanzrninister. Und diese zweite Variante gewinnt immer mehr an Wahrscheinlichkeit, um so mehr, als in Umrissen bereits die gewaltigen Forderungspakete der SP-Regierungsmitglieder sichtbar werden. Auch wenn Kreisky auf alle finanziellen Zuckerln, wie 'Witwenpensionserhöhung, Pensionserhöhung, Steuerreform verzichtet, hat er damit noch lange kein tragbares Budgetdeflzit erreicht. Denn die meisten von Kreisky in die Regierung genommenen sozialistischen Interessenvertreter, um nicht zu sagen „pressure groups“, haben bereits sehr massiv Geld, Geld und wieder Geld vom Finanzminister gefordert:

• Häuser will sich zweifellos als Gewerkschafter an die große Ausgabetradition der früheren SP-Sozialminister halten;

• Staribacher hat sich bereits offiziell mit dem Wunsch nach Erhöhung der Industrie- und Gewerbeförderungsmittel gemeldet;

• Moser ist offensichtlich nicht willens, das Zeitlupentempo im Ausbau des Autobahnen- und Bundesstraßennetzes mit anzusehen;

• für Forschung und Bildung soll, einem einvernehmlichen Wunsch aller Sozialisten entsprechend, viel mehr als bisher ausgegeben werden;

• Freihsler gibt offen zu, daß die Verkürzung der Wehrdienstzeit in Verbindung mit einer Neutralitäts-Feuerwehr nicht ohne zusätzliche Mittel abgehen wird, und

• Landwirtschaftsminister Weihs und Verkehrsminister Frühbauer haben die Absicht, ihre Ressorts finanziell zumindest nicht aushungern zu lassen.

Um alle diese Forderungen auf einen grünen Zweig zu bringen, ist Androsch als Prellbock ohne Zweifel zu schwach, neue Steuern wird sich Kreisky öfter als zweimal überlegen, was also bliebe, wäre das Vabanque-spiel mit vorzeitigen Neuwahlen. Die kommenden Budgetverhandlungen werden bald mehr Licht in das Dunkel bringen.

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