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Scharfer Wind von rechts

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Vor allem in den Städten blies der Wind hart von rechts. Die Volksdemokraten, deren Kader unerschütterlich schien, verloren in Helsinki din Drittel ihrer Wählerzahl, im ganzen Land fielen sie von 21,2 auf 19,1 zurück, was als Beweis dafür dienen kann, daß die roten Bastionen in den Wäldern ungebrochen sind. Südfinnland jedoch erhielt mit 121.811 gegen 108.143 eine konservative Mehrheit. Auch die Liberale Volkspartei, die außerhalb des demokratischen Wahlverbandes stand, doch für die Außenpolitik

Kekkonens eintritt, verlor in Helsinki die Hälfte ihrer früheren 34.400 Stimmen; im ganzen Land, ging sie von 6,5 auf 4,5 Prozent zurück.

Wie in allen solchen Fällen sucht man nun auch in Finnland nach den Ursachen dieser Niederlage. Einige von ihnen, die zur Beruhigung der Regierungsparteien beitragen können, liegen nahe zur Hand: die Wahlbeteiligung lag mit 65 Prozent weit unter dem Durchschnitt der Parlamentswahlen, das Wetter war zugegebenermaßen sehr schlecht, und die Anhänger Kekkonens waren von seiner Wiederwahl so überzeugt, daß sie zu Zehntausenden zu Hause blieben. Der letztgenannte Umstand mag tatsächlich eine Rolle gespielt haben, warum jedoch der eisige Winter gerade die Landbevölkerung des Nordens nicht von dem Gang zu den Urnen abhalten konnte, ist schwerer zu erklären.

Eine andere Erklärung lautet, daß der einfache Bürger von Zeit zu Zeit gern die Gelegenheit benutzt, gegen diese oder jene Erscheinung in der Gesellschaft zu protestieren. Gründe zur Unzufriedenheit gibt es in Finnland mehr als genug: Die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor imgewöhnlich groß, und die Folgen der Deval- vierung sind über die ansteigenden Preise für jeden Bürger fühlbar geworden. Auch dieser Bedarf an einer Protestmöglichkeit mag eine Rolle gespielt haben, und der Protest konnte überhaupt nur durch die Stimmenabgabe für einen der bürgerlichen Kandidaten erfolgen. Die Regierungsparteien können nun immer noch hoffen, daß bei einer Parlamentswahl ein Teil der Abtrünnigen in das alte Parteilager įurūckfinden wird.

Ein sowjet-gegnerischer Flügel

Stellt man das alles in Rechnung, dann bleibt trotz allem immer noch ein großer Rest des Beunruhigenden übrig. Es scheint außer Zweifel zustehen, daß ein Teil der früheren sozialdemokratischen Wähler unter keinen Umständen für Kekko- nen stimmen wollte; einige Sozialdemokraten sehen in dem Präsidenten immer noch jenen bürgerlichen Politiker, der die Sozialdemokraten durch lange Zeit als außenpolitisch unzuverlässig erklärt hat, andere wieder mißtrauen seiner Außenpolitik, und das heißt hier, seiner Politik des gutnachbarlichen Verhältnisses zur Sowjetunion. Diese Sozialdemokraten haben sich bewußt für den Sowjetgegner Virkkunen ausgesprochen. Diesen extrem nationalen Flügel hat es bei den Sozialdemokraten schon immer gegeben, mag sein, daß er seit dem Ausscheiden Tanners zahlenmäßig nur schwach ist. Die Vorstellungen, die in diesen Kreisen und beim rechten Flügel der Konservativen von den Möglichkeiten einer antisowjetischen Politik Finnlands bestehen, haben bereits mehrere Male zu sehr unheilvollen Resultaten geführt. Die Erkenntnis von den in ihnen liegenden Gefahren führten ja zur Konzeptionierung der Paasikivi-Linie in der Außenpolitik, der Kekkonen aus den bitteren Erfahrungen zweier Kriege heraus die aktuelle moderne Form gegeben hat.

Die Pflicht zur Objektivität gebietet, zu erwähnen, daß die rechtsextremistische Linie Virkkunens und Venamos keineswegs als die parteipolitische Linie der Konservativen bezeichnet werden kann, es ist im Gegenteil so, daß während des Wahlkampfes laut gewordene Anklänge an jene verschwommene großfinnische Phraseologie der dreißiger und vierziger Jahre, die es nicht weit zum Faschismus hatte, auch in Parteikreisen der Konservativen peinliches Aufsehen erregte. Die Gegner der Kekkonen-Linie befinden sich in allen Parteilagern, wenn sie auch insgesamt weniger als ein Drittel der Wählerschaft ausmachen.

Fragen und keine Antworten

Es ist bezeichnend, daß besonders Venamo sehr hart auf die Notwendigkeit einer Grenzrevision im Osten drückte, obwohl eine in einer solchen Form vorgebrachte Forderung verständlicherweise niemals erfüllt werden wird. Kekkonen war gezwungen, in die Arena zu steigen und zuzugeben, daß bei seinen Begegnungen mit den sowjetischen Führern diese Frage wiederholt auf der Tagesordnung gestanden ist. Man konnte seinen Worten entnehmen, daß die Sowjets — möglicherweise, muß man wohl sagen! — eine solche Grenzrevision nicht grundsätzlich und für ewige Zeiten ablehnen, daß sie jedoch aus Rücksicht auf internationale Folgen (chinesische und japanische Forderungen, die Oder-Neiße-Grenze!) heute einer solchen Revision gar nicht zustimmen können. Hier spielt auch die Deutsche Frage und das deutsch-osteuropäische Problem hinein. Anderseits findet eine solche Forderung bei den Finnen immer ein Echo. Man fragt sich auch hier wieder einmal, warum man wohl den Saima-Kanal mit einem so großen Aufwand an Material und Menschen ausgebaut und modernisiert hat, wenn man nicht mit einer künftigen Verwendung im Dienste der finnischen Wirtschaft rechnete. Ebenso verständlich ist es aber auch, daß in der heutigen Situation kein Mitglied einer sitzenden Regierung auf eine solche Frage eine Antwort geben kann. Die Opposition hat es hier viel leichter. Sollte jedoch ihr großer Erfolg in der Elektorenwahl tatsächlich zu einem wesentlichen Teil auf großflnnische Vorstellungen zurückzuführen sein, dann beruht er auf falschen Prämissen!

Von konservativer Seite wird die Auflösung des Reichstages und die Ausschreibung von Neuwahlen verlangt. Die Wahrscheinlichkeit, daß es so weit kommen wird, ist nicht allzu groß. Vielleicht aber läge es im Interesse der finnischen Demokratie, in der entstandenen Situation durch eine Neuwahl ein klares Bild über die wirklichen Vorstellungen des finnischen Volkes zu erlangen. Sicher ist, daß das unglückselige Erbe der finnischen Politik aus der Kriegsund Vorkriegszeit immer noch nicht begraben und vergessen ist — und daß man zwangsläufig auch außerhalb des Landes mit dieser Tatsache und den sich daraus ergebenden Konsequenzen rechnen wird! Und das ist ernst genug r

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