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Schwarze Tage für Papandreou

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Von der großen Erwartung, mit der Griechenlands Ministerpräsident Papandreou und sein Außenminister Kostopoulus Anfang des Monats nach Belgrad gekommen waren, blieb nichts als ein dürftiges Kommunique und Lobpreisungen der jugoslawischen Zeitungen, die den großen Alten der griechischen Politik als „Förderer der Demokratie“ herausstrichen. Diese Anspielungen auf die Lockerung der politischen Bewegungsfreiheit für die Linksradikalen können für Papandreou wenig Trost bedeuten; sie mögen eher zur weiteren Unterhöhlung seiner Position beitragen.

Papandreou hätte einen deutlichen Erfolg bitter benötigt, zumal seine entscheidungsscheue Taktik in in-und außenpolitische Sackgassen geführt hatte. Seit seinem Regierungsantritt im Februar vorigen Jahres steht das Fatum Zypern hinter ihm, das die Zertrümmerung der müh^ sam aufgebauten guten Beziehungen zwischen Athen und Ankara wie auch das Zerbröckeln der inneren Fronten, an denen die eigentliche Bewährung griechischer Politik gemessen werden muß, verursachte. Die Belgrader Gespräche waren von Jugoslawien initiiert worden. Athen nahm die Einladung freudig an, um der weitgehenden Isolierung zu entkommen. Der jugoslawische Außenminister Popovic war soeben aus Bulgarien zurückgekehrt und hatte von einer echten neuen Stabilisierung auf dem Balkan gesprochen. Zwischen Bulgarien und Griechenland waren schon vor einigen Monaten verschiedene Abkommen getroffen worden, die zur Normalisierung der Beziehungen geführt hatten. Die Kontakte mit Belgrad boten sich als folgerichtiger Schritt an, da unter der Rechtsregierung Karamanlis bestehende Vereinbarungen über den kleinen Grenzverkehr wegen angeblicher makedonischer Agitation in Skoplje außer Kraft gesetzt worden waren. Während sich Athen auf die Gespräche vorbereitete, platzte das Interview Gromykos, in dem er von einer „föderativen Lösung“ des Zypernproblems “ sprach. Sowjetrußland hatte also die Unterstützung der griechischen Enosis-Pläne aufgegeben, ein Schritt, der nicht überraschen konnte, da kurz vorher Podgorny die Türkei besucht hatte und mit der Absage des NATO-Mitgliedes an den Vorbereitungs-arbeiten zur Multilateralen Atomstreitmacht zurückgekehrt war. Die Atmosphäre des Balkanpaktes, in der Jugoslawien weitgehend der russischen Politik fernstand, hatte sich längst verflüchtigt. Niemand konnte nun von Belgrad, das sich stark an Moskau orientierte, eine Unterstützung des griechischen Standpunktes erwarten. Das Kommunique, das nach dem viertägigen Staatsbesuch veröffentlicht wurde, bewegte sich in Allgemeinheiten. Enosis wurde nicht erwähnt. Schlimmer noch, man verwendete die Formel „Selbstbestimmung des zypriotischen Volkes“. Aber auch Belgrad sah seine Erwartungen nicht erfüllt Dia wirtschaftlichen Beziehunger werden ausgebaut, doch die Frage der makedonischen Minderheit blieb unberührt, da Papandreou auf das Anschneiden des Problems gereizt reagierte und die Nichtexistenz des Problems behauptete.

Papandreou hatte von Anfang an wenig Glück gehabt. Innerhalb der Zentrumsunion mußte der Regierungschef mit linken Dissidenten kämpfen, während rechts ein großes Murren über Maßnahmen an-hub, die als Beitrag zur psychologischen Bewältigung der Vergangenheit gedacht waren und zu einer weitgehenden Amnestie für Bürgerkriegsinhaftierte führten. Dies verbitterte die Rechte, besänftigte jedoch die Linke nicht. Die Gemeinderatswahlen vom Sommer brachten den ersten greifbaren Beweis für das Schwinden des Vertrauens. Kandidaten der gemäßigten und radikalen Linken eroberten die Städte und Dörfer. Das Durchfallen vieler Zentrumsunionkandidaten wurde zum Teil der zögernden Zypernpolitik des Regierungschefs zugeschrieben. An diesem Punkt trifft Papandreou in der Tat große Schuld. Zypern stellt nicht eine Kausalkette eigener Gesetzlichkeit dar, sondern wurde von der starrsinnigen, ungezügelten Politik Makarios' und seiner Ratgeber verursacht. So erfolgreich der streitbare Erzbischof, diese merkwürdige Mischung von Andreas Hofer und Pater Haspinger, in der Strukturreform der orthodoxen Kirche auf Zypern ist, so verhängnisvoll wirkten sich seine politischen Maßnahmen aus. Enosis wurde trotzdem nicht erreicht. Erbittert über die Haltung der Vereinigten Staaten wandte sich Papandreou der Sowjetunion zu, obwohl damals noch ein begrenzter Anschluß der Insel an Griechenland im Rahmen der Vorschläge Dean Aahesons möglich gewesen wäre. Der Katzenjammer brach nach dem Interview Gromykos an. Zu spät ging es den Verantwortlichen in Athen, daß den Männern um Makarios, die der sowjetrussischen und ägyptischen Unterstützung sicher sind, vielleicht an der Enosis gar nichts gelegen sein mag. Gegen 4000 Athener Studenten rotteten sich vor der Universität zusammen und krönten diesmal Gromyko — vor einigen Monaten wurde diese Ehre Johnson zuteil — mit einem türkischen Fez, um ihrer Erbitterung über den „Dolchstoß in den Rücken“ Luft zu machen. (Die linksradikalen Studenten boykottierten die Protestdemonstration,.) Athen sab sich von allen Bundesgenossen verlassen. Zum erstenmal richteten griechische Gazetten Angriffe gegen Makarios und seine Politik.

Zu den außenpolitischen Enttäuschungen gesellte sich bitterer Unmut über die Erfahrungen mit der EWG. Wohl schreitet die langfristig geplante Assoziierung vorwärts, doch Griechenland hatte sich eine stärkere Förderung des Obst- und Agrarexportes erhofft. Zu weiteren Komplikationen führte die Landwirtschaftspolitik der Regierung. Man hatte sich bereit erklärt, den griechischen Bauern pro Tonne Weizen fast das Doppelte des Weltmarktpreises zu bezahlen, um mit diesem „Fair Deal“ eine Angleiohung des Lebensstandards zwischen Stadt und Land zu erzielen. Ein beträchtlicher Weizenüberschuß war die Folge, der das bereits mit hohen Militärausgaben belastete Budget zu-zätzlich bedrückte. Zudem war der devisenbringende Fremdenverkehr nicht, wie erwartet, gegenüber dem Vorjahr um 20 Prozent gestiegen, sondern geringfügig gefallen.

Nicht einmal die farbenfrohe Fassade der „Kinderhochzeit“ Konstantins mit Anna-Maria, die ausgiebig von Illustrierten ausgeweidet wurde, trug zur Verminderung der politischen Spannung bei. Die Linksradikalen, die die Feiern boykottierten — der Bürgermeister von Saloniki überreichte kein Hochzeitsgeschenk —, griffen begierig nach dem von regierungsnahen Zeitungen verbreiteten Gerücht, die Königinmutter Friederike verlasse gegen eine jährliche Abfindung von 150.000 DM das Land. Friederike, deren Problem es ist, die Politik zu ernst zu nehmen, feuerte ein scharfes Dementi ab und blieb. Die Zeitung „Eleftheria“ seufzte: „Friederike will nicht nur dem Grab des Mannes, sondern auch dem Thron des Sohnes nahe bleiben.“

Zwischen Putschgerücthten von rechts und beißender Kritik von links versuchte Papandreou im Jänner nach längerem Zaudern eine Stabilisierung seiner zahlenmäßig eindrucksvollen, doch in Wirklichkeit brüchigen parlamentarischen Basis. Mit dem dissidenten Flügel um Ilias Tsirimokos wurde Frieden geschlossen und dieser zum Innenminister ernannt Der Protest der Rechten ließ nicht auf sich warten, zumal Papandreou mit König Konstantin auch Änderungen in der Armeeführung und die Zukunft des persönlichen militärischen Beraters, General Dovas, dem Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung der Wahlen von 1961 zur Last gelegt werden, besprochen hatte. Zwölf Abgeordnete vom rechten Zentrumsunionflügel unter der Führung des Kreters Mitsotakis, der das Erbe des Liberalen Venizelos antreten möchte, sagten daraufhin Papandreou den Gehorsam auf. Zur weiteren Empörung der Konservativen gelang es den linksradilfalen EDA-Vertretern, zusammen mit den Angehörigen der Zentrumsunion, im Parlament einen Antrag durchzubringen, der eine gerichtliche Untersuchung gegen den exilierten Karamanlis, dem Verschleuderung öffentlicher Mittel und Benachteiligung des Landes bei Verträgen mit ausländischen Firmen vorgeworfen werden, fordert.

In diese labile Situation kehrte Papandreou mit leeren Händen aus Belgrad zurück. Athen bleibt in der Isolierung, da direkte Kontakte mit Ankara abgelehnt werden. Der sowjetischen Verlockung, durch Austritt aus der NATO volle Unterstützung für Enosis zu erkaufen, kann Papandreou nicht nachgeben. Doch welche Alternativen will der große Zauderer vorbereiten? Offenbar haben die Stellungskämpfe um seine Nachfolge bereits begonnen. Die eine große Stütze Papandreous, der Rückhalt in der Landbevölkerung, kommt im parlamentarischen Spiel um Sein oder Nichtsein wenig zur Geltung. Seine Regierung wird Mitte des kommenden Monats ein Jahr alt. Es könnte sein, daß sie ein zweites Jahr nicht durchsteht. .

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