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Schwarzes Pferdfürs Weiße Haus

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Im allgemeinen beginnen die Überlegungen der jeweils in Opposition stehenden Partei, wen sie wohl als aussichtsreichsten Kandidaten für die nächste Präsidentenwahl nominieren sollte, zirka eineinhalb Jahre vor dem Wahltermin.

Diesmal hat die Republikanische Partei es für gut gehalten, noch früher Ausschau nach einem „neuen Mann“ zu halten. Für Wochen diskutierten

ganz plötzlich die gesamte Presse des Landes, Magazine, Radio und Fernsehen den 54jährigen George Romney, den bisherigen Präsidenten der American Motors Corporation, der sich gerade als Kandidat der Republikaner für den Gouverneursposten in Michigan nominieren ließ, als für das höchste Amt der Nation in Frage kommend — falls ihm der Sprung in den Gouverneurspalast in Michigan glückt!

Die Republikaner haben es nicht leicht

Der Zeitpunkt für die versuchte Propagierung eines Außenseiters („dark horse“ =s schwarzes Pferd) ist ausgesprochen günstig. Nelson Rockefeiler, der als Repräsentant des „liberalen Republikanismus“ gilt, hat nicht nur im Kampf um die Wiederwahl als Gouverneur von New York State zu beweisen, daß er mit der verfestigten Stellung der Demokraten in New York City nach der mit überwältigender Stimmenzahl erfolgten Wiederwahl Wagners zum Bürgermeister noch seinen Staat als Sprungbrett halten kann. Der ehemalige Vizepräsident Richard Nixon, der sich der Wahl zum Gouverneur in Kalifornien dieses Jahr zu stellen beabsichtigt, hat sich bisher nicht sehr geneigt gezeigt, noch einmal zu kandidieren. Barry Goldwater, der Sprecher des „Konservatismus“ in der Partei, scheint zwar in steigendem Maße Versammlungserfolge zu haben, hat aber Mühe, die Rechtsextremisten vom Typ der John Birch Society von seinen Rockschößen abzuschütteln, und scheint sich gleichfalls nicht festlegen zu wollen.

Der Parteiapparat wurde nervös: Gibt es niemanden, der in die Bresche springt? Sowohl Expräsident Eisen-hower wie Richard Nixon waren seit einiger Zeit sehr günstig beeindruckt von dem Industriellen George Romney, der in wenigen lahren die zeitweise beinahe am Rande des Bankrotts stehende American Motors Corporation zu einer mehr als konkurrenzfähigen Firma entwickelt selbst wurde dabei ein Millionär!) und mit unermüdlicher Intensität seinen Autotyp, den „Rambler“, zu einem in den USA heute weitbekannten Artikel gemacht hatte.

In der Republikanischen Partei wurde er erst ein wenig bekannt, als er sich 1961 auf ihrer Liste gegen einen demokratischen Kandidaten für den Vorsitz einer überparteilichen Kommission in Michigan aufstellen ließ, die eine neue Staatsverfassung ausarbeiten soll. Sein Republikanismus hat (genau wie der Rockefellers und Goldwatersl) ein durchaus persönliches Gepräge. Er meint, daß beide Parteien heute zu stark mit Wirtschaftsinteressen identifiziert werden können: die Republikaner mit denen der Arbeitgeber, die Demokraten mit denen der Gewerkschaften. Dieser Verengung der Gesichtspunkte stellt er eine Philosophie gegenüber, die das Gemeinsame des Konsumenteninteresse betont, da* letztlich beiden gemeinsam ist.

Romney ist ein gläubiger Anhänger der Kirche der „Heiligen der letzten Tage“ (Mormonen). Zehn Prozent seines Jahreseinkommens von zirka 250.000 Dollar gehen an die Kirche. Er raucht und trinkt nicht — nicht einmal Tee oder Kaffee. Zwei Jahre lang hat er in England und Schottland in seiner Jugend als Missionär der Mormonen öffentliche Ansprachen gehalten und ist auch jetzt noch ein Prediger der Mormonenlehre.

„Gesunder Menschenverstand“ gegen „Neue Grenzen“

Was ihn in den Augen, derer, die für ihn jetzt systematisch die Öffentlichkeit alarmieren, als geeignet für die etwaige Kandidatur erscheinen läßt, ist seine ausschließlich in der Praxis erworbene Kenntnis der amerikanischen Wirklichkeit und das Fehlen

programmatischer Dogmatik. Er erscheint als Antityp des „politicians“ alter Schule. Die „zentristische“ Gruppe der republikanischen Parteipolitiker, die nur recht ungern unter „liberalem“ oder ausgesprochen „konservativem“ Vorzeichen in einen künftigen Wahlkampf gehen möchte, ist offensichtlich der Hoffnung, daß sich 1964 auf der Basis einer solchen antiutopischen, auf den „gesunden Menschenverstand“ aufbauenden Haltung eine Chance ergeben könnte, der Vision der „New Frontiers“ erfolgreich entgegenzutreten.

Was verständlicherweise eüüge der unabhängigen Beobachter angesichts der plötzlich wie mittels einer Stoppuhr kontrollierten Propagierung Romneys in allen mass media des Landes mißtrauisch fragen läßt: „Wer hat eigentlich wirklich diese koordinierte Kampagne gestartet?“, ist die Tatsache, daß das republikanische Nationalkomitee bisher in keiner Weise seine Fähigkeit zu einem solchen „Teamwork“ hat unter Beweis stellen können. Wer also steht wirklich dahinter?

Romney selbst erklärt noch (das haben bisher alle einmal versuchsweise in der Öffentlichkeit genannten Prätendenten beider Parteien solange getan, bis der „Ruf des Volkes“ sie zur Annahme einer Kandidatur zwang!), daß er nur an dem Gouverneursposten interessiert sei und keinerlei Absichten auf das Weiße Haus habe.

Wer hat die Kampagne gestartet?

Und er hat auch nur Aussichten darauf, bei der Parteikonvention der Republikanischen Partei eventuell vorgeschlagen zu werden, wenn es ihm gelingt, die Hürde erst einmal in Michigan zu nehmen. Dort ist d*,T Gouverneurssitz seit 14 Jahren in den Händen der Demokraten.

Gelingt es ihm, das zu ändern, ist es nicht ausgeschlossen, daß zum zweitenmal in der Geschichte der Republikanischen Partei ein „dark horse“, das heißt ein von keiner spezifischen innerparteiliche .Fraktion .gedeckter Außenseiter die Favoriten ausstechet kann. Wendell Willkie gefeng das 1940 - zur Verblüffung der Nation. Die Novemberwahl in Michigan wird klarer sehen lassen, ob Romnev dem Ziel näherkommt.

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