Sehr schlechte Karten für den Kosovo

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Die Meinung Vizekanzler Straches, der Kosovo sei 'zweifelsohne' ein Teil von Serbien, hat die Glaubwürdigkeit Österreichs im Kosovo immens beschädigt.

Am Samstag feiert der jüngste Staat Europas seinen zehnten Geburtstag, doch richtige Feierlaune kommt nicht auf. Trotz Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, allen voran der EU, hat sich nur wenig zum Guten entwickelt. Selbst in der Hauptstadt Pristina fällt regelmäßig der Strom aus und abends kommt kein Wasser aus den Hähnen.

Viele Bürger fragen zurecht, wo die Milliarden geblieben sind, welche die USA, die Vereinten Nationen und die EU seit 1999 in das Land investiert haben, das gerade einmal so viele Einwohner wie Wien zählt. Unsummen verschwanden in den Taschen korrupter Politiker und ihrer jeweiligen Klientel. Der Kosovo konkurriert mit Moldawien um den wenig ruhmreichen Titel "Ärmstes Land Europas". Zwar hält die EU an einer Beitrittsperspektive fest, doch weder in Brüssel noch in Pristina rechnet man damit, dass der Kosovo in den kommenden fünfzehn Jahren die Bedingungen für einen EU-Beitritt erfüllen wird.

Instabile Regierung

Auch politisch ist das Land nicht stabil. In den vergangenen zwei Jahren war der Kosovo vor allem dann in den westlichen Nachrichten, wenn die Opposition die Arbeit der Regierung mit Tränengasangriffen im Parlament verhinderte. Derzeit regiert ein breites Bündnis aus albanischen Ex-Warlords, der Partei eines Milliardärs und einer serbischen Liste, deren Abgeordnete die Unabhängigkeit des Kosovo teilweise ablehnen. Das instabile Bündnis aus denkbar ungleichen Partnern regiert mit einer nur hauchdünnen Mehrheit.

Kritiker behaupten, dass die Situation im Kosovo nicht trotz, sondern wegen der westlichen Politik so schlecht sei. Demnach sind USA, Vereinte Nationen und EU mit der Verwaltung des kleinen Territoriums gescheitert, weil sie ihre Politik auf bestehende Machtstrukturen und somit auf fragwürdige UÇK-Warlords aufgebaut hat, denen eine Nähe zum organisierten Verbrechen nachgesagt wird. So gilt der amtierende Präsident Hashim Thaçi vielen Kosovaren mehr als Mafiaboss denn als Politiker.

Ihm wird zudem vorgeworfen, als Führer der UÇK an schweren Kriegsverbrechen an Oppositionellen, Roma und Serben beteiligt gewesen zu sein. Zeugen, die beim Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gegen ranghohe UÇK-Mitglieder wie den amtierenden Premierminister Ramush Haradinaj aussagen sollten, starben mysteriöse Tode. Andere zogen ihre Aussagen daraufhin zurück.

Zähneknirschend haben die Mächtigen im Kosovo kürzlich der Gründung eines internationalen Gerichts zugestimmt, dass die Verbrechen der UÇK während des Kosovokrieges untersuchen soll.

Doch Probleme gibt es nicht nur in Pristina, sondern auch im Norden des Landes. Dort leben noch rund 60.000 Serben. Sie stellen die Bevölkerungsmehrheit auf rund 20 Prozent des kosovarischen Territoriums. Es ist ein gallisches Dorf, dessen Bewohner aus Belgrad alimentiert werden, das den Kosovo bis heute nicht anerkennt und weiterhin als sein Staatsgebiet betrachtet. Die meisten Serben im Nordkosovo streben nach einem Anschluss an Serbien oder zumindest nach Autonomie.

Doch nicht nur Serbien sieht den Kosovo weiterhin als sein Staatsgebiet an. Auch die EU-Staaten Spanien, Rumänien, Griechenland, die Slowakei und Zypern erkennen den Kosovo nicht an. Als jüngste Spitze steht freilich Vizekanzler Heinz-Christian Strache, der in einem Interview mit der Tageszeitung Politika meinte, dass der Kosovo "zweifelsohne" ein Teil Serbiens sei. Das war das Gegenteil der offiziellen österreichischen Position und konnte auch nicht mit einem Dementi von Seiten Straches wettgemacht werden, das sich noch dazu als unwahr herausstellte. Die Angelegenheit hat die Glaubwürdigkeit Österreichs im Kosovo extrem beschädigt.

Der Exodus

Die Kosovaren sitzen auf gepackten Koffern, und wenn sie nicht Mitglied der EU werden, dann versuchen sie eben in die EU zu ziehen. Anfang 2015 gab es einen Massenexodus aus dem Kosovo, als Zehntausende das Land in Richtung Deutschland, Österreich und Schweiz verließen und Asyl beantragten. Die meisten waren ethnische Albaner und keine Roma, die sonst die größte Gruppe an Asylantragsstellern aus der Region bilden. Nach wenigen Monaten sprach sich herum, dass Kosovaren kaum realistische Chancen auf Asyl haben und die Asylgesuche gingen schlagartig wieder zurück.

Die Kosovaren haben wenig Verständnis dafür, dass sie nicht visafrei in die EU einreisen dürfen, nachdem den Ukrainern dieses Recht gewährt wurde. Der kosovarische Pass ist einer der schwächsten auf der ganzen Welt. Man kann nur in 42 Länder der Welt visafrei reisen, womit der Kosovo nur knapp vor Nordkorea liegt.

Die meisten Bürger des Kosovo schwanken zwischen Resignation und Protest. Der Kosovo ist nicht nur der jüngste Staat Europas, es ist auch der Staat mit der jüngsten Bevölkerung und einer Jugendarbeitslosenquote von annähernd 60 Prozent. Die Jugend fordert Perspektiven und ist bereit dafür wieder auf die Straße zu gehen. Es sieht derzeit nämlich nicht so aus, als würde sich die Situation in naher Zukunft bessern.

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