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Sowjetunion im Miniformat

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Etwa 90 verschiedene Volksgruppen sollen in der Moldau-Republik gezählt worden sein. Auch wenn diese Zahl hoch erscheint, ist das Land von seiner Bevölkerungsstruktur her eine Art Sowjetunion im Miniformat. Bei positiver Entwicklung könnte die Republik Modellcharakter für andere Staaten der ehemaligen UdSSR aufweisen.

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Etwa 90 verschiedene Volksgruppen sollen in der Moldau-Republik gezählt worden sein. Auch wenn diese Zahl hoch erscheint, ist das Land von seiner Bevölkerungsstruktur her eine Art Sowjetunion im Miniformat. Bei positiver Entwicklung könnte die Republik Modellcharakter für andere Staaten der ehemaligen UdSSR aufweisen.

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Im Jahre 1997 geriet die Moldau-Republik (deutsch Moldau, rumänisch Moldova, russisch Moldawien) ein einziges Mal und auch da nur kurz in die Schlagzeilen der internationalen Medien. Anlaß war die Enthüllung der „Washington Post" am 5. November, wonach die USA den Großteil der moldawischen Luftwaffe um 50 Millionen US-Dollar erworben hatten. Damit sollte verhindert werden, daß Jagdmaschinen etwa von Staaten wie dem Iran erworben werden könnten.

Abgesehen davon, daß es den USA gelungen ist, durch den Kaufauch einige Modelle des Typs MiG 29 C zu erwerben und damit ein bisher unbekanntes Produkt russischer Hochtechnologie zu analysieren, beleuchtet das Geschäft eine aus westlicher Sicht nicht gerade attraktive Rolle, die Moldova auch spielt - den des internationalen Waffen- und Drogenhändlers. So wurden etwa nach Angaben des Stockholmer Institutes für Friedensforschung im Jahre 1994 Rebellen aus dem Südjemen mit Waffen aus Reständen der ehemaligen Roten Armee aus Moldova über dubiose Zwischenhändler wie etwa eine bulgarische Rüstungsagentur ausgerüstet.

Einer der Hauptgeldgeber für dieses illegale Rüstungsgeschäft soll übrigens Saudi-Arabien gewesen sein. Klar ist auch, daß mit Rüstungsgütern der ehemaligen 14. sowjetischen Armee, die vom legendären Alexander Lebed kommandiert wurde, der Krisenherd *am Balkan beliefert wurde. Der genaue Umfang dieser Geschäfte ist ebenso schwer einzuschätzen, wie der Drogenhandel, der ebenfalls in beträchtlichen Mengen über Moldova laufen soll.

Dieser Umstand macht deutlich, daß sich insbesondere die EU weit intensiver mit Moldova befassen sollte, wobei vor allem eine „Zypriotisie-rung" des Transnistrien-Konflikts zu vermeiden ist. Diese Region östlich des Dnjestr spaltete sich unter bürgerkriegsähnlichen Erscheinungen von Moldova ab, als im Zuge des Zusammenbruchs der Sowjetunion in der politischen Elite in der Hauptstadt Chisinau massive Bestrebungen nach einer Vereinigung mit Rumänien erkennbar wurden. In Transni-strien selbst leben 600.000 Menschen, davon etwa 40 Prozent rumänisch-sprechende Moldauer, 28 Prozent Ukrainer und 23 Prozent Russen. Anders als im übrigen Moldova dominiert der russische Einfluß in Transnistrien fast völlig; dies nicht zuletzt deshalb, weil die ukrainische Volksgruppe weitgehend russifiziert ist und allfälligen Rumänisierungsbestrebungen angesichts der historisch äußerst belasteten rumänisch-ukrainischen Beziehungen fast noch feindseliger gegenübersteht als die Russen.

OSZE-Mission

Derzeit ist die Lage zwischen beiden Landesteilen entlang der sogenannten Sicherheitszone in einem instabilen Gleichgewicht, ein Erfolg, zu dem auch die nach wie vor aktive OSZE-Mission nicht unwesentlich beigetragen hat. Keine Schlüsselrolle kommt den verbliebenen Resten der einst 14. sowjetischen Armee zu, die von der OSZE auf weniger als 3.000 Mann geschätzt wird.

Transnistrien selbst war niemals echter Bestandteil des historischen Moldau-Fürstentums und weist im Grunde alle Eigenschaften auf, die ein Staat zur internationalen Anerkennung braucht. Vorhanden sind ein eigenes Territorium, eine eigene Armee, eine eigene Währung (der angeblich in Deutschland gedruckte Ru-bel) sowie eine eigene - daniederliegende - Wirtschaft. Was fehlt, ist die internationale Anerkennung, die Transnistrien mit seiner stark prosowjetisch eingestellten Bevölkerung auch nicht erhalten wird. Trotzdem bildet gerade der hohe Anteil an pensionierten sowjetischen Kadern, die nach Beendigung ihrer Berufslaufbahn in diese insgesamt angenehme Region gezogen sind, ein konservatives und politisch aktives Element, das der politischen Führung Transnistri-ens trotz der massiven Verarmung der Bevölkerung (Durchschnittsmonatslohn angeblich 5 Dollar, dagegen in Moldawien 40 Dollar) politischen Bückhalt verleiht. Insgesamt ist fast jeder fünfte Bewohner Moldovas ein Pensionist, ein Umstand der die schwierige soziale Lage des Landes sehr gut charakterisiert.

Zur Gesundung Moldovas und zur dauerhaften Wahrung der Eigenständigkeit des Landes ist aber eine (weitgehende Autonomie-)Regelung mit Transnistrien unerläßlich, weil dieser Landesteil gleichsam das industrielle Zentrum eines Landes darstellt, das sich zwar im äußersten Westen der ehemaligen UdSSR befindet, dessen Wirtschaft aber eine Struktur aufweist, die eher den zentralasiatischen

Republiken entspricht.

Politisch und wirtschaftlich betrachtet hat sich Molodova auf den langen und schwierigen Marsch gen Westen begeben, wobei dieser Orientierung nicht nur die grundlegende Abhängigkeit von Rußland (Energie) und der Ukraine (Außenbeziehungen) sowie der GUS als Haupthandelspartner entgegensteht. Dornig ist der Weg auch aus historischen Gründen, wobei sich Moldova als Hauptgebiet des ehemaligen Bessarabiens noch lange mit dem komplexen Erbe der russischen und sowjetischen Großmacht- und Russifizie-rungspolitik wird befassen müssen (so war beispielsweise Moldawisch Rumänisch in kyrillischer Schrift).

Hinzu kommen noch soziale Gründe, ist doch die Lage der Bevölkerung knapp sechs Jahre nach dem Zerfall der ÜdSSB weiter äußerst schwierig, was etwa die fehlende medizinische Versorgung betrifft. Während von der im März bevorstehenden Wahl zumindest eine Klärung der weiteren Richtung der Wirtschaftspolitik zu erwarten ist, kann mit einer Besserung der sozialen Lage nicht so rasch gerechnet werden.

Österreich hilft

In dieser Situation greift auch die katholische Kirche ein, die in einigen Dörfern durch Ausspeisungen sicherstellt, daß Kinder wenigstens ein Mal pro Tag eine warme Mahlzeit bekommen. Die Gesamtkosten dafür belaufen sich pro Kind auf umgerechnet sieben Schilling pro Tag und Mahlzeit. Geholfen wird auch von Österreich, und zwar in Wien vom Kolpingwerk in der Gumpendorfer Straße. Wer hier helfen will, der kann dies unter folgender Kontonummer tun: Kolpingsfam. Wien-Zentral 1060 Wien, Gumpendorferstraße 39, Cre-ditanstalt Bankverein Kontonummer: 0056 2293109, Verwendungszweck: Apostolische Administratur Moldawien.

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