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Der Reformvertrag stärkt das soziale Profil der EU: soziale Markwirtschaft, Vollbeschäftigung, Gleichstellung von Mann und Frau, Generationensolidarität …

Im Reformvertrag werden für die Menschen wichtige Politikbereiche durch zusätzliche Bestimmungen gestärkt, wie etwa die Daseinsvorsorge - also die Bereitstellung von wichtigen Grundvoraussetzungen des Alltagslebens - oder die soziale Dimension. Aber auch für neue Zuständigkeiten, wie etwa die Bereiche Energie, geistiges Eigentum, Katastrophenschutz und Sport, werden im Vertrag von Lissabon Rechtsgrundlagen geschaffen. Damit ist sichergestellt, dass Maßnahmen, die für die Bürgerinnen und Bürger von Nutzen sind, auch rasch ergriffen werden können. Der Herausforderung, dem Klimawandel entschlossen zu begegnen, wird im Reformvertrag Rechnung getragen. Darüber hinaus werden rechtliche Voraussetzungen für ein gemeinsames Handeln geschaffen.

Stärkung der sozialen Dimension

Der Reformvertrag stärkt das soziale Profil der EU. Soziale Marktwirtschaft und Vollbeschäftigung werden als Ziele der Union verankert. Zudem ist festgeschrieben, dass die Union die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Solidarität zwischen den Generationen und die Rechte des Kindes fördert.

Neu ist die "Soziale Querschnittsklausel". Das bedeutet, dass die Union bei Festlegung und Durchführung ihrer Politik "auf die Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus und eines angemessenen sozialen Schutzes" zu achten hat. Sie verpflichtet sich, soziale Ausgrenzung zu bekämpfen und unterstützt ein hohes Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes.

Die Union kann Initiativen zur Koordinierung der Sozialpolitik ergreifen. Dabei wird die Sozialpolitik erstmals gemeinsam mit der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik in einer Bestimmung erwähnt. Ihre Bedeutung wird dadurch unterstrichen.

Soziale Grundrechte

Wichtig für die Soziale Dimension ist die rechtsverbindliche Charta der Grundrechte und hier insbesondere die sozialen Grundrechte. Diese sind:

* Recht auf Unterrichtung sowie Anhörung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Unternehmen;

* Recht auf Kollektivverhandlungen und Kollektivmaßnahmen;

* Recht auf Zugang zu einem Arbeitsvermittlungsdienst;

* Schutz bei ungerechtfertigter Entlassung;

* Gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen;

* Verbot der Kinderarbeit und Schutz der Jugendlichen am Arbeitsplatz;

* Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben;

* Soziale Sicherheit und soziale Unterstützung;

* Gesundheitsschutz und Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse.

Stärkung der Daseinsvorsorge

Die Daseinsgrundlagen des täglichen Lebens wie Öffentlicher Verkehr, Müllabfuhr oder die Wasserversorgung werden am effizientesten auf regionaler und lokaler Ebene organisiert. Hier wird auch am besten auf die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger eingegangen. Im Reformvertrag wird deshalb die derzeitige Bestimmung zu den Diensten von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse folgendermaßen ergänzt: Achtung der regionalen und kommunalen Selbstverwaltung, in der die nationale Identität der Mitgliedstaaten zum Ausdruck kommt. Die Union kann Verordnungen erlassen, in denen Grundsätze und Bedingungen für das Funktionieren dieser Dienste festgelegt werden.

Diese Verordnungen dürfen jedoch nicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten beeinträchtigen, solche Dienste in Auftrag zu geben und zu finanzieren.

Außerdem wird festgelegt, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch für die Auftragsvergabe und Organisation nicht-wirtschaftlicher Dienste von allgemeinem Interesse wie Gesundheit oder Bildung verantwortlich sind.

Energie, Umwelt- und Klimaschutz

Der Reformvertrag ermöglicht es der Union nunmehr, Legislativmaßnahmen zu ergreifen, um das Funktionieren des Energiemarktes, die Versorgungssicherheit, die Energieeffizienz und die erneuerbaren Energiequellen sowie die Netzzusammenschaltung zu fördern.

Der Energieartikel sieht weiters vor, dass die Energiekompetenz im Geist der wechselseitigen Solidarität wahrzunehmen ist. Dies bedeutet, dass bei Maßnahmen im Fall gravierender Versorgungsschwierigkeiten, insbesondere bei Energie, die Mitgliedstaaten solidarisch handeln sollen.

Im Hinblick auf die Wichtigkeit der Energiepolitik war eine eigene europäische Kompetenzgrundlage immer ein wesentliches österreichisches Anliegen. Ebenso wichtig für Österreich ist auch, dass weiterhin jeder Mitgliedstaat selbst über seine Energiequellen und Energieversorgung bestimmen kann. Dadurch kann Österreich nicht gegen seinen Willen zur Erzeugung von Nuklearenergie gezwungen werden.

Den neuen Herausforderungen des Klimawandels wird nun erstmals im Reformvertrag Rechnung getragen. Auf österreichische Initiative wurde das Ziel der Bekämpfung des Klimawandels auf internationaler Ebene als Aufgabe der Union in den Reformvertrag aufgenommen.

Ein weiteres wichtiges österreichisches Anliegen im Umweltbereich war auch, dass für bestimmte Umweltmaßnahmen, vor allem die Wasserressourcen betreffend, das Einstimmigkeitserfordernis aufrecht bleibt.

Im Reformvertrag ist darüber hinaus vorgesehen, dass die EU und die Mitgliedstaaten in den Politikbereichen Landwirtschaft, Fischerei, Transport, Binnenmarkt sowie Forschung, technologische Entwicklung und Raumfahrt auf das Wohlergehen der Tiere Bedacht zu nehmen haben, die ausdrücklich als "fühlende Wesen" bezeichnet werden.

Auswärtiges Handeln

Die EU kann künftig auf internationaler Ebene einheitlicher und stärker auftreten und mehr Sicherheit bieten.

Die Europäische Union bekommt Rechtspersönlichkeit und wird nun als einheitliches Völkerrechtssubjekt nach außen auftreten können.

Der neue Hohe Vertreter für die Außen- und Sicherheitspolitik wird dem Rat für Auswärtige Angelegenheiten, in dem die Außenminister der EU-Mitgliedstaaten vertreten sind, vorsitzen und gleichzeitig Vizepräsident der Europäischen Kommission sein.

Im Vertrag ist vorgesehen, dass einem Mitgliedstaat, der Opfer eines bewaffneten Angriffs wurde, Hilfe und Unterstützung gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen geleistet wird. Dabei bleibt der Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Mitgliedstaaten mit Neutralitätsverpflichtungen unberührt. Die neutralen und bündnisfreien Mitgliedstaaten können im Einzelfall daher weiterhin frei darüber entscheiden, ob und wie sie Hilfe leisten.

Mit Neutralität konform

Aufgrund seiner verfassungsrechtlich verankerten Neutralität hat Österreich besonderes Augenmerk auf diese Bestimmung gelegt. Mit der einschränkenden Klausel, wonach die Hilfeleistungspflicht "den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt lässt", ist gewährleistet, dass die Österreichische Neutralität auch durch den Vertrag von Lissabon gewahrt bleibt. Österreich kann somit nicht verpflichtet werden, Hilfe zu leisten, die nicht im Einklang mit seiner Neutralität steht.

Die bereits bestehende breite Palette an Missionen, die die Union im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) außerhalb der Union zur Friedenssicherung durchführen kann, wird bestätigt. Es wird auch festgehalten, dass diese Missionen zur Bekämpfung des Terrorismus beitragen können.

Es wird eine strukturierte Zusammenarbeit in der GSVP vorgesehen. Das bedeutet, dass eine Gruppe von Staaten in Zusammenarbeit mit dem Hohen Vertreter grundsätzlich eine bestimmte Mission durchführen kann, wobei sie den Rat über den Ablauf der Mission regelmäßig informieren müssen.

Die Aufgaben der Europäische Verteidigungsagentur (EVA) werden im Reformvertrag festgehalten. Die EVA soll die Beschaffungsvorgänge der nationalen Armeen sowie den Bereich der Forschung besser koordinieren und effizienter gestalten.

Die Entscheidungsfindung bleibt hingegen unverändert: Insbesondere für alle Entscheidungen, die militärische Fragen betreffen, muss der Europäische Rat weiterhin einstimmig vorgehen. Die Klausel, dass die Vertragsbestimmungen den besonderen Charakter der GSVP bestimmter Mitgliedstaaten nicht berühren, gilt für alle Bereiche der GSVP und stellt somit die Wahrung der österreichischen Neutralitätsverpflichtungen sicher.

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