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Sozialkompetenz wird entscheidend

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Mit seiner Rede vor dem US-Kongreß zur Lage der Nation hat US-Präsident Clinton den Wahlkampf in den USA eröffnet. Gegen alle Unkenrufe sind die Chancen für die Wiederwahl des amtierenden Präsidenten sehr gut. Warum?

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Mit seiner Rede vor dem US-Kongreß zur Lage der Nation hat US-Präsident Clinton den Wahlkampf in den USA eröffnet. Gegen alle Unkenrufe sind die Chancen für die Wiederwahl des amtierenden Präsidenten sehr gut. Warum?

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Die FURCHE verfügt über neue Umfragedaten aus Washington zum politischen Stimmungsbild in Amerika. Demnach haben die Amerikaner bereits eine Meinung darüber, wer die heurige Präsi-entenwahl gewinnen könnte: Die Hälfte aller registrierten Wähler meint unabhängig von der persönlichen politischen Überzeugung, daß Bill Clinton diese Wahl gewinnen wird. Lediglich 17 Prozent sehen den bisherigen Spitzenkandidaten der Republikanischen Partei, Senator Bob Dole, als den nächsten amerikanischen Präsidenten.

Mit 56 Prozent hat Clinton augenblicklich einen sehr hohen Zustimmungsgrad erreicht. Der vergangene Herbst 1995 war daher für Clinton in den Meinungsumfragen sehr gut. Seine Werte sind ähnlich gut wie die von George Bush (56 Prozent) und Ronald Reagan (57 Prozent) am Höhepunkt ihrer Popularität.

Clintons Entscheidung, US-amerikanische Truppen nach Bosnien zu entsenden, hat wesentlich zu seinem Popularitätshoch beigetragen. Historisch gesehen ist es immer so, daß sich die amerikanische Öffentlichkeit hinter solche Entscheidungen ihrer Präsidenten stellt und die Zustimmungsraten des jeweiligen Amtsinhabers in die Höhe schnellen läßt. Dieses Meinungsbild kann aber auch wieder sehr schnell umschlagen, wie das Beispiel von Somalia beweist, wo der damalige Präsident George Bush ein sehr hohes Risiko eingegangen ist.

Auf die Frage, wen die Amerikaner von all den bisher bekannten Kandidaten zum Präsidenten gewählt sehen möchten, erhält Bill Clinton 26 Prozent Unterstützung. Halb so.viel bekäme mit 13 Prozent einer, der gar kein Kandidat ist: der ehemalige oberste Kommandant der- US-Streitkräfte und neue Publikumsliebling Colin Powell. Der republikanische Spitzenkandidat Bob Dole liegt mit neun Prozent weit abgeschlagen an dritter Stelle. Ross Perot ebenfalls kein Kandidat - würde von fünf Prozent gerne als US-Präsident gesehen - und die beiden republikanischen Herausforderer, Senator Phil Gramm und Pat Buchanan, liegen lediglich bei zwei Prozent.

Dieses schlecht Abschneiden der konservativen Herausforderer Bill Clintons ist darauf zurückzuführen, daß immer noch nicht klar ist, wer der republikanische Spitzenkandidat nun tatsächlich sein wird. In dem Augenblick, wo die Republikaner ihren Spitzenkandidaten endgültig nominiert haben werden (momentan baut sich Medienzar Steve Forbes mächtig auf, in Bob Dole ist ein ernstzunehmender Konkurrent erwachsen), wird sich dieses Bild sicherlich rasch ändern.

Wenn Bill Clinton und Bob Dole die beiden einzigen Spitzenkandidaten für das Präsidentenamt sein sollten, liegt der amtierende Präsident mit 50 Prozent weit vor Bob Dole mit 41 Prozent Zustimmung. Wird gefragt, ob Bill Clinton, Bob Dole oder Ross Perot Präsident werden sollte, kommt Ross Perot auf 21 Prozent der Stimmen. Dole würde in einem Dreierrennen auf 31 Prozent und Clinton auf 42 zurückfallen. Die Kandidatur von Ross Perot würde also dem republikanischen Kandidaten wesentlich mehr schaden als dem Demokraten Bill Clinton.

Das politische Stimmungsbild in den Vereinigten Staaten hat sich wieder gegen die bei den Kongreßwahlen 1994 erfolgreichen Republikaner gedreht. In der Zwischenzeit glauben wieder mehr Wähler, daß die Demokratische Partei besser in der Lage sei, die großen Probleme des Landes zu lösen. Das zeigt auch der Hinweis, daß 44 Prozent einen demokratischen Kandidaten für den Kongreß unterstützen würden, der republikanische aber lediglich auf 34 Prozent käme.

Interessant ist der Hinweis, daß die Amerikaner immer noch gesellschaftspolitische Fragen für weit wichtiger halten als die Lage der Wirtschaft (40 zu 27 Prozent). Und die wichtigsten gesellschaftspolitisehen Fragen sind Kriminalität (18 Prozent), die Gesundheitsvorsorge (fünf Prozent) das Drogenproblem (vier Prozent) und der Niedergang der moralischen Werte (vier Prozent). Unter den wirtschaftlichen Problemen interessiert die Amerikaner das Budgetdefizit (sieben Prozent), die Rezession (ebenfalls sieben) und die Schwierigkeit bei der Erstellung des Budgets (vier Prozent). Auch wenn außenpolitische Fragen nie an der Front des Interesses der US-Bürger liegen, so ist Bill Clintons Bosnien-Entscheidung dafür verantwortlich, daß doch acht Prozent der Amerikaner sich derzeit über Außenpolitik und den Weltfrieden Sorgen machen. Die derzeitige Datenlage der Meinungsforschung in den USA läßt auf jeden Fall den Schluß zu, daß die Amerikaner im Jahr 1996 sehr genau überlegen werden, wem sie die Führung des Landes anvertrauen werden, um die nach wie vor zentralen und weiterhin ungelösten sozialen Probleme des amerikanischen Gemeinwohls zu lösen. Die Enttäuschung über die radikale Rhetorik der Republikaner im Kongreß wird daher die Präsidentenwahl wesentlich beeinflussen.

Dr. Clemens Martin Auer

ist Leiter der Hauptabteilung Politik der Österreichischen Volkspartei

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