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Steirische Wirtschaftsauf gaben

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Obwohl die Investitionstätigkeit der Steiri-schen Wirtschaft auch in der ersten Jahreshälfte 1963 mehrheitlich durch die gleiche Zurückhaltung gekennzeichnet war wie schon 1962, haben sich gegen Jahresende doch Anzeichen einer -Überwindung der Stagnation ergeben. So ergab sich eine im Gesamtdurch-schnitt doch gute Konjunkturlage, um so mehr, als auf dem Konsumgüter- und Fertigwarensektor weiterhin Auftriebstendenzen vorherrschten. Auch für das Jahr 1964 kann mit einer neuerlichen Steigerung der Konjunktur gerechnet werden, wenn auch gerade die steirische Wirtschaft mit ihrer den Bundesdurchschnitt deutlich übersteigenden Exportquote weitgehend von der Entwicklung auf den Weltmärkten abhängt; auch die derzeit noch immer unklaren Integrationsaussichten und -möglichkeiten Österreichs erschweren die Lage, denn die steirische Wirtschaft kann ihre derzeitigen Produktions- und Beschäftigungszahlen nur dann aufrechterhalten und womöglich noch steigern, wenn sie ihre gegenwärtig im Durchschnitt vierzig Prozent betragende Exportquote beibehalten kann.

Die steirische Industrie konnte ihre bisher höchste Produktion im Oktober 1963 mit 305,5 Indexpunkten erreichen (0 1937 = 100) und hat dadurch mit einem Jahresdurchschnitt von 275,85 Indexpunkten das vorhergehende Jahr 1962 (267,28) deutlich überbieten können. Die Produktivität ist trotz rückläufiger Beschäftigungsziffer von 135,10 auf 144,48 Indexpunkte gestiegen; ein Beweis, daß sich die nicht unbeträchtlichen Investitionen der vorhergehenden Jahre nach und nach auswirken. Dadurch konnten auch erstmals bisher gehortete Arbeitskräfte freigesetzt werden, die allerdings ohne Mühe anderweitig untergebracht wurden. Soweit aus den übrigen Bereichen der steirischen Wirtschaft Berichte über den Verlauf des Jahres 1963 vorliegen, sind im Handel und im Fremdenverkehr die Umsatzziffern leicht gestiegen und haben sich Gewerbe und Verkehr eher ungleichmäßig entwickelt; stark expandierenden Branchen standen solche mit retardierenden Tendenzen gegenüber. Gut haben sich die Kreditinstitute entwickelt, deren Einlagenzuwachs als Beweis dafür gelten mag, daß immer größere Teile der steirischen Bevölkerung in der Lage sind, ihrem Sparwillen die Tat folgen zu lassen. Obwohl sich also die steirische Wirtschaft 1963 nicht unbefriedigend entwickelt hat, hat die Verlangsamung der Zuwachsraten doch gewisse strukturelle Schwächen verursacht.

Der Steiermärkische Landtag hat auf diese Anzeichen reagiert und entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Die Handelskammer Steiermark hat in ihrem Gutachten die strukturelle und konjunkturelle Situation der Wirtschaft ausführlich geschildert und besonders darauf verwiesen, daß die Schwierigkeiten in verschiedenen Bergbauzweigen hauptsächlich und in der Eisenindustrie teilweise struktureller, in anderen Produktionszweigen, vor allem in der Papierindustrie, weit eher konjunktureller Natur sind; sie hat auch konkrete Vorschläge zur Überwindung dieser Schwäche unterbreitet.

In engem Zusammenhang mit diesen Strukturproblemen der steirischen Wirtschaft und Maßnahmen zu ihrer Behebung stehen auch die gutachtlichen oder direkten Bemühungen der Handelskammer als der großen einheitlichen Organisation der gewerblichen Wirtschaft der Steiermark, in sogenannten weniger* entwickelten Gebieten Betriebsgründungen zu befürworten und zu erleichtern, wobei bei allen verständlichen Förderungsmaßnahmen jeweils Bedacht darauf genommen werden muß, erweiterungswillige bestehende Firmen nicht zu benachteiligen. Natürlich wird auch getrachtet, Neugründungen in-oder ausländischer Interessenten nicht gerade in wirtschaftlichen Ballungsgebieten anzusiedeln, obwohl die in der nächsten Zeit wahrscheinlich zwingend notwendig werdende Umstrukturierung der steirischen Wirtschaft Niederlassungsmöglichkeiten auch in solchen Gebieten aufzuweisen haben wird, die sowohl wirtschaftlich als auch verkehrsmäßig als durchaus attraktiv gelten können. Es sei als Beispiel etwa an das weststeirische Kohlenrevier erinnert, in dem 1963 auch tatsächlich einige größere Betriebsgründungen erfolgten.

Die Aktivität der Handelskammer Steiermark auf diesem Gebiet erklärt sich in erster Linie aus der Tatsache, daß die Steiermark infolge ihrer ungünstigen Verkehrsläge, die von Fachleuten sehr richtig als „Verkehrsferne“ bezeichnet wird, nachweisbar weniger entwickelte Gebiete aufweist, und daß sich das ausländische Interesse bisher sehr stark, ja fast ausschließlich auf die westlichen Bundesländer konzentrierte, die oft schon bemüht sein mußten, den Zustrom einigermaßen einzudämmen, um unerwünschte Nebenerscheinungen auf dem Arbeitsmarkt etwa, aber auch sonstwo zu vermeiden. Demgegenüber kann die Steiermark, wie bereits angedeutet, noch recht interessante Niederlassungsmöglichkeiten bieten, in denen sich Neugründungen unter wirtschaftlich durchaus normalen Konditionen vornehmen ließen.

Ein weiteres Gebiet, auf dem die Handelskammer Steiermark bemüht ist, ihren Mitgliedern zusätzliche Expansionsmöglichkeiten zu schaffen, ist die Grazer Messe, mit der sich dank der Personalunion an der Spitze eine traditionell enge Zusammenarbeit ergab und ergibt. Das Wirtschaftsförderungsinstitut der Kammer ist an den Messeveranstaltungen jeweils mit repräsentativen Ausstellungen vertreten, die großen Anklang finden, und die zuständigen Stellen der Kammer sorgten bisher dafür, daß die Handelsbeziehungen zum benachbarten Jugoslawien durch die Schaffung von Messekontingenten eine jenseits der normalen Handelsvertragsquoten liegende Erhöhung erfahren haben. Ähnliche Bemühungen gelten nunmehr weiteren Nachbarstaaten, und es ist zu hoffen, daß die Erfolge nicht ausbleiben werden. Die steirische Wirtschaft betrachtet die Grazer Messe als ihren großen Ausstellungsraum, in dem sie sich den Besuchern gegenüber bewähren muß und gleichzeitig dank der zunehmenden Internationali-sierung der Messe zahlreiche Möglichkeiten vorfindet, ihre Produktion mit jener des Auslandes vergleichen zu können, was sich erfahrungsgemäß bisher immer außerordentlich günstig ausgewirkt hat.

Erhebt man nach dieser kurzen Skizzierung der wirtschaftlichen Situation der Steiermark die Frage, welche Probleme als besonders aktuell und daher lösungsbedürftig angesehen werden und die Erfüllung welcher Wünsche und Forderungen die steirische Wirtschaft als besonders vordringlich betrachtet, so lassen sich, selbstverständlich immer in großen Zügen, drei Schwerpunkte hervorheben:

• Angesichts der starken Exportorientiert-heit der steirischen Wirtschaft und ihres unverhältnismäßig hoch entwickelten Expansionswillens lastet die nunmehr seit Jahren bestehende Unsicherheit hinsichtlich der Integrationsabsichten oder -möglichkeiten Österreichs schwer auf der Wirtschaft; das Fehlen einer klaren Linie und die daraus resultierenden wirtschaftspolitischen Provisorien machen es dem einzelnen Unternehmer so gut wie unmöglich, auf längere Sicht zu disponieren und sich rechtzeitig auf diese oder jene Lösung einzustellen. Wie unter derartigen Umständen eine planmäßige Unternehmerpolitik aussehen soll, wie auf diese Weise Arbeitsplätze gesichert oder gar noch zusätzliche geschaffen werden sollen, dies müßten jene „zuständigen Stellen“ beantworten, denen der gegenwärtige „Schwebezustand'1 verdankt werden kann. Die österreichische — und selbstverständlich auch die steirische! — Wirtschaft verfügt keineswegs über die materiellen und sonstigen Reserven, einem künstlichen Hinauszögern der endgültigen Entscheidung noch lange zuzusehen.

• Die Verkehrsferne der Steiermark schafft zusätzliche Probleme, die anderen Bundesländern nicht zu schaffen machen. Im Interesse der gesamtösterreichischen Produktionsund Exportbilanz wäre es Sache der Zentralstellen, hier durch geeignete Maßnahmen tarifpolitischer Art sowie durch planmäßige Förderung des Straßenbaues und Verbesserungen in der Fahrplangestaltung der Bundesbahnen Abhilfe zu schaffen. Die steirische Wirtschaft hatte bisher leider nicht den Eindruck, daß diese ihre selbstverständlichen Wünsche auf besonderes Verständnis und Entgegenkommen stoßen.

• Bei einer durchschnittlichen Exportrate von 40 Prozent, deren Aufrechterhaltung ein Anliegen ganz Österreichs sein müßte, wird man einsehen, daß die steirische Wirtschaft im Interesse der Aufrechterhaltung ihrer internationalen Konkurrenzfähigkeit besondere Anstrengungen vor allem auf dem Investitionssektor erbringen muß, und Investitionen sind in erster Linie eine Kapitalfrage. Auch hier müßten also'die zuständigen SU- sn die notwendigen Folgerungen ziehen und can wirtschaftlichen Existenzfragen der Steiermark, die sich leicht zu Existenzfragen der gesamten österreichischen Wirtschaft ausweiten könnten, die erforderliche Aufmerksamkeit schenken.

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