Werbung
Werbung
Werbung

Wie weit reicht die christliche Verpflichtung, allen Hilfsbedürftigen auch tatsächlich zu helfen? Gibt es nicht doch Vorzugsregeln, die einige etwas mehr zum "Nächsten" machen als andere, etwa Flüchtlinge?

Solche Fragen werden immer wieder gestellt, nicht zuletzt auch als Kritik an der sehr positiven offiziellen kirchlichen Haltung gegenüber der Merkel'schen Flüchtlingspolitik, wie sie etwa der Kölner Kardinal Woelki immer wieder öffentlich formulierte. Man betont dann, dass der christlich grundsätzlich gebotene ethische Universalismus, der die uneingeschränkte Hilfsbereitschaft gegenüber jedermann fordert, nicht verwechselt werden dürfe mit der Pflicht zu realer uneingeschränkter Hilfe. Mit Robert Spaemann gelte: "Uneingeschränkt kann die Hilfsbereitschaft sein, aber nicht die tatsächliche Hilfe. Es kann nicht die Pflicht sein, uneingeschränkt zu helfen, weil es nicht möglich ist." Das ist natürlich völlig richtig: Unter Knappheit gelten Vorzugsregeln. Problematischer, weil schwer beweisbar, dürfte dann schon die Auffassung sein, solche Einsichten wären in der kirchlichen Diskussion zur Flüchtlingsproblematik auf der Strecke geblieben. Vor allem aber wird in dieser Prinzipiendiskussion die "quaestio facti" nicht thematisiert: Ob es denn tatsächlich unmöglich war, so viele Flüchtende aufzunehmen, wie damals geschehen? Ob also die Vorzugsregeln tatsächlich geboten hätten, anders zu handeln? Das ist die eigentliche politische Entscheidungsfrage. Sie wird mit dem Verweis auf -eventuelle -argumentative Leerstellen tendenziell verschleiert.

Für mich steht fest: Merkels Handeln war auch unter Berücksichtigung von Vorzugsregeln, ethisch geboten und stand für ein Deutschland, auf das ich als Christ und Deutscher ausnahmsweise einmal ein klein wenig stolz sein kann.

Der Autor ist katholischer Pastoraltheologe an der Universität Graz

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung