Strategisch wird Europa zur Randzone

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Würden die USA nicht für eine Machtbalance sorgen, wäre die sicherheitspolitische Situation in Südostasien äußerst bedrohlich.

Ost- und Südostasien mit seinen rund zwei Milliarden Bewohnern ist eine wirtschaftlich aufstrebende Region. Während Russland dort im Moment als Machtfaktor kaum noch eine Rolle spielt, hat sich China zur regionalen Vormacht entwickelt. Der Wirtschaftsgigant Japan - politisch ein (noch) schlafender Riese - ist auch eine potentielle militärische Großmacht; wenn Japan wollte, könnte es relativ rasch die zweitstärkste Militärmacht der Welt werden.

Den machtpolitischen Ton geben aber die USA an. Sie haben Stützpunkte in Südkorea, Japan und im (amerikanischen) Guam, Militärabkommen und sind mit ihrer derzeit allen anderen vielfach überlegenen Flotte präsent. Für China ist die US-Präsenz ein Zeichen des amerikanischen Versuches nach Weltherrschaft. Die USA ihrerseits akzeptieren China zwar als regionale Macht, nicht aber als gleichwertigen globalen Akteur. Und das ist China auch nicht. Zwar haben seine Nachbarn und die Meeresanrainer im Süden große Sorgen vor dem chinesischen Versuch, das ganze südchinesische Meer zu beherrschen (und damit auch die erdölhaltigen Meerböden im Bereich der Spratly-Inseln sowie die Schifffahrtsrouten nach Japan und Korea). Aber im strategischen Vergleich zu den USA ist das militärtechnologisch rückständige China ein Zwerg.

Nach einhelliger militärfachlicher Meinung ist China auch in absehbarer Zeit nicht im Stande, Taiwan - das es als abtrünnige Provinz betrachtet - militärisch zu erobern. Weil China die unipolare, von den USA dominierte Weltordnung ablehnt und eine multipolare, von mehreren regionalen Vormächten kontrollierte Welt wünscht, ist Russland derzeit ein strategischer Partner der Chinesen, aber - wegen historischer Interessengegensätze - kein Verbündeter. Immerhin hilft Russland bei der militärischen Aufrüstung Chinas und es sucht unter Putin wieder nach stärkerem Einfluss in der Region, hat aber außer Kriegsgerät nicht viel zu bieten.

Da es in dieser Region wenig wirksamen Multilateralismus gibt und an vertrauensbildenden Institutionen wie der OSZE mangelt, wäre die sicherheitspolitische Situation aufgrund der Interessensgegensätze und Konfliktpotentiale äußerst bedrohlich, würden nicht die USA für eine Machtbalance sorgen: Die USA begrenzen den Machtbereich Chinas und binden Japan ein; sie garantieren den derzeitigen Status, mit dem eigentlich alle ganz gut leben können.

Ein großer Krieg in der Region erscheint derzeit nicht wahrscheinlich, wenn man von der immer noch gegebenen Unberechenbarkeit Nordkoreas absieht, das derzeit auch bei einem Verzweiflungskrieg der diktatorischen Staatsführung von China nicht unterstützt würde. Die große Unbekannte ist die innerchinesische Entwicklung selbst: Wie lange bleiben die Kommunisten im Sattel? Löst die wirtschaftliche Liberalisierung einen Demokratisierungsschub aus, der zum Zerfall der inneren Ordnung führt? Wird eine im Abstieg befindliche kommunistische Führung nationale Emotionen schüren wollen und den Krieg zur "Heimholung" Taiwans riskieren, damit die USA auf den Plan rufen und dadurch eine Aufrüstung Japans auslösen? Noch steht solchen Abenteuern der Zwang wirtschaftlicher Weiterentwicklung entgegen.

Längerfristig ist allerdings in dieser Region sehr viel möglich, da sich die Machtgewichtung weiterentwickelt und verändert. Die ostasiatische/pazifische Entwicklung (USA, China, Russland, Japan) wird jedenfalls, unter Berücksichtigung der gestiegenen Ambitionen der neuen Atommacht Indien und dem fortgesetzten Ansteigen der Verbreitung von Atomwaffen und anderer Massenvernichtungswaffen sowie ballistischer Raketen, die globale Machtbalance prägen. Die USA werden sich stärker dieser Region zu- und von Europa abwenden. Europa wird politisch und strategisch zu einer Randzone - was Vor- und Nachteile hat.

Der Autor

ist Beauftragter für Strategische Studien im Bundesministerium für Landesverteidigung.

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