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Jede Wette hätte ich riskiert, ein Ende dieses erstarrten Irrsinns nicht mehr erleben zu dürfen. War doch bis vor kurzem von Atomschlägen und 'völliger Vernichtung' die Rede.

Ich habe mich getäuscht - nicht nur einmal: Wenn ich nach dem bewegendsten Moment meiner Berufslaufbahn gefragt wurde, habe ich oft gesagt: "Der Besuch des ägyptischen Präsidenten Sadat in Jerusalem. Beim Feind." Und der beklemmendste Moment? "Mein Besuch in Panmunjom, Korea."

Es war der 19. September 1977 spätabends. Wir standen am Flughafen Tel Aviv, als die Sondermaschine aus Kairo im Nebel israelischer Begrüßungsböller landete. Selbst abgebrühte Kriegsreporter hatten Tränen in den Augen, als sich Politiker und Generäle beider Länder in die Arme fielen, die einander zuvor in vier Kriegen Tod und Elend beschert hatten. "Ich habe die Mondlandung gesehen", sagte ein Amerikaner neben mir, "aber was war das schon gegen diesen Tag -nichts!"

Heute wissen wir: Die Hoffnung auf den großen Nahostfrieden war verfrüht. Der Zauber jener Nacht hat den Erwartungen nicht standgehalten.

Und die zweite Täuschung: Vor vielen Jahren war ich in Korea; auch in Panmunjom -in meiner Erinnerung der politisch kälteste Ort dieser Erde. Im Zentrum drei blaue Baracken genau über der Waffenstillstandslinie von 1953, mit je einer Türe nach Nord-und Südkorea. Nirgendwo sonst habe ich den Wahnsinn politischer Feindschaft so beklemmend erlebt -bis in kleinste Details: Wer stellte die größer gewachsenen Soldaten, die durch Barackenfenster jede Bewegung des Feindes beobachteten? Und wer hatte die höheren Tischwimpel am Verhandlungstisch?

Und nirgendwo sonst bin ich mit Stahlhelm und in Uniform so tief durch dunkle Tunnel geschleust worden, die von Nordkoreas Regime unter das Territorium Südkoreas gegraben und irgendwann entdeckt worden waren.

Mischung aus interessen und gefühlen

Jede Wette hätte ich riskiert, ein Ende dieses erstarrten Irrsinns nicht mehr miterleben zu dürfen. War doch bis vor kurzem von Atomschlägen und "völliger Vernichtung" die Rede. Auch vom "senilen Trottel"(Nordkoreas Kim über Amerikas Trump) und vom "kleinen Raketenmann"(Trump über Kim).

Und jetzt: Nichts gilt mehr. Händchenhaltend, umarmend wird von den Führern beider Koreas die Geschichte neu geschrieben. Und unsere Emotionen und Feindbilder hecheln rat-und atemlos den Friedensgesten hinterher.

Wie seltsam: In einer Welt, die alles abhört, kontrolliert und durchschaut, versagen in diesen Tagen auch die größten Experten dabei, die totale Wende glaubhaft zu erklären. Was bleibt, ist eine alte Erfahrung: Das letzte Wort über die Zukunft der koreanischen Halbinsel wird nicht in Seoul oder Pjöngjang gesprochen, sondern in Washington.

Aber niemand weiß, was im Moment mehr zählt: Donald Trumps Stehsatz vom "maximalen Druck" - oder seine Gier, trotz aller Peinlichkeiten zum größten lebenden Staatsmann und Friedensfürsten aufzusteigen.

Politik -die große wie die kleine -ist meist eine wilde Mischung aus Interessen und Gefühlen.

Die Dankrede des Autors zur Ehrung durch den Presseclub Concordia lesen Sie auf S. 7.

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