Todfeindschaften in der Ukraine

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Wer war Auftraggeber jenes Mordes, der Julija Timoschenko zur Last gelegt wird? Auch Freunde von Präsident Janukowitsch sind verdächtig, so die FAZ.

Wer die Auftraggeber des Mordes waren, der nun Julija Timoschenko vorgeworfen wird, ist bis heute unklar. Auch Leute aus Janukowitschs Umgebung kommen in Frage.

Hinter den Strafprozessen und Ermittlungen, mit denen das Regime des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch gegen die inhaftierte Oppositionsführerin und frühere Ministerpräsidentin Julija Timoschenko vorgeht, steht stets derselbe Mann: der stv. Generalstaatsanwalt Renat Kusmin. Bisher ist es bei diesen Verfahren um wirtschaftliche Vergehen gegangen: um einen angeblich ungünstigen Gasvertrag mit Russland, für den Frau Timoschenko im Oktober zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde, oder um Steuervergehen in moderatem Umfang, wegen deren sie derzeit angeklagt ist. Jetzt aber wird der Vorwurf härter: In zwei Wochen, so hat Kusmin dem Internetportal Euractiv.com jetzt gesagt, werde die Generalstaatsanwaltschaft gegen Frau Timoschenko Anklage wegen Mordes erheben. Die unumstrittenen Tatsachen sind folgende: Im November 1996 eröffneten als Polizisten verkleidete Mörder auf dem Flughafen der Industriemetropole Donezk das Feuer auf den Abgeordneten und Geschäftsmann Jewhen Schtscherban und seine Begleiter, als sie gerade aus einem Privatjet stiegen. Schtscherban, seine Frau sowie zwei Besatzungsmitglieder wurden erschossen.

Nie ganz aufgeklärt

Der Mord ist nie ganz aufgeklärt worden. Die ukrainische Justiz hat zwar mehrere Männer für schuldig befunden, die Tat begangen zu haben, aber bis heute ist es ein Rätsel, wer ihr Auftraggeber war. Schtscherban hatte viele Feinde. Er war ein führender Repräsentant des "Donezker Clans“, dem auch Präsident Janukowitsch und Rinat Achmetow, der reichste Mann der Ukraine, zugerechnet werden, und als solcher stand er in bitterer Konkurrenz mit dem damaligen Ministerpräsidenten Lasarenko, der an der Spitze des rivalisierenden "Dnipropetrowsker Clans“ stand - und selbst gerade einem Anschlag entkommen war. Aber auch innerhalb der Donezker gab es Todfeindschaften. Der Pate von Donezk Achat Bragin, ein Konkurrent Schtscherbans, war kurz vor dessen Tod von einer Bombe zerfetzt worden. Nach dem Tod der beiden teilten die überlebenden Donezker Oligarchen, deren Vermögen unter sich auf.

Timoschenko, milliardenschwere Geschäftsfrau

Julija Timoschenko war zu jener Zeit als Gasmonopolistin eine milliardenschwere Geschäftsfrau und als solche wohl ebenfalls eine Konkurrentin der Donezker, die damals versuchten, ihr einen Teil ihres lukrativen Gasgeschäfts abzujagen. Unbestreitbar ist sie damals eine enge Verbündete Lasarenkos und seiner Dnipropetrowsker gewesen - schließlich ist Dnipropetrowsk auch ihre Heimatstadt. Aus dieser Konkurrenz will der Staatsanwalt Kusmin, der selbst als Mann des Präsidenten Janukowitsch den Donezkern nahesteht, nun den Beweis herleiten, dass Frau Timoschenko und ihr seinerzeitiger Mentor Lasarenko die Auftraggeber des Mordes waren. Timoschenkos Verteidiger hat einige der mutmaßlichen Beweismittel infrage gestellt. Dazu gehört eine unlängst veröffentlichte Stellungnahme von Ruslan Schtscherban, dem Sohn des Ermordeten, der heute als Abgeordneter im Regionalparlament von Donezk mit dem Regime Janukowitsch eng verbunden ist. Schtscherban junior behauptet, er habe vor dem Mord "viele Male“ erlebt, wie Frau Timoschenko zusammen mit Lasarenko seinem Vater "den Tod“ angedroht habe, falls er seine geschäftlichen Ambitionen nicht zügele. Jewhen Schtscherban habe sich aber stets geweigert zurückzuweichen.

Aus Frankfurter Allgemeine Zeitung 15. Mai 2012

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