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Trompetenstoß aus Bologna und Mailand

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Gonelias Rede wurde an ienem Montag im Parteiorgan „II Popolo“ mit keinem Wort erwähnt — ein einmaliger Fall. De Martino trat den Rückzug an und dementierte. Denn das Turnier war durch einen unüberhörbaren Trompetenstoß abgeblasen worden: „L’Awenire d’Italia“ in Bologna, das Blatt des Kardinals Ler- caro, und „L’Italia“ in Mailand, das Blatt des Kardinals Montini, wendeten sich in einem strengen Ton gegen den Justizminister und einstigen Parteisekretär und warfen ihm vor, die Einheit der Katholiken in Gefahr zu bringen: „Der Bruch dieser Einheit, oder auch nur die Drohungen gegen diese, würde, wie uns scheint, nicht nur mit dem Buchstaben und dem Geist der jüngsten Erklärungen der italienischen Bischofskonferenz in Widerspruch stehen, sondern auch ernste Prospektiven auf das politische Leben unseres Landes für die Zukunft eröffnen, indem sie erst die Sozialisten gefährlich macht, und nicht nur diese, sondern sogar auch noch die Republikaner.“

Die Verbündung mit den Sozialisten, zu der der Parteisekretär der Democrazia Cristiana. Aldo Moro, und der Regierungschef Fanfani eindeutig entschlossen sind, und gegen die sich nur noch sporadische Gegenstimmen erheben, während sich die Mehrheit mit „Reserven“ und „Garantien“ begnügt, soll auf dem vom 27. bis 29. Jänner abzuhaltenden Parteikongreß perfekt gemacht werden. Sie ’st zweifellos die wichtigste innerpolitische Wende seit der Ausbootung der Sozialisten und Kommunisten durch De Gasperi im Jahre 1947. Daß die Mitbestimmung der Sozialisten in der Regierungsmehrheit nicht ohne Auswirkungen auf sozialem, wirtschaftlichem und innerpolitischem Gebiet bleiben kann, liegt auf der Hand. Die Frage, die sich heute jeder in Italien stellt, geht dahin, wie weit sie sich auswirken und und ob sie auch — wegen der entschiedenen Neutralitätspolitik der Sozialisten — ihre Reflexe auf die Außenpolitik werfen wird. Es ist auch der kuriose Fall eingetreten, daß das Ende der Regierung Fanfani auf den Tag genau vorausgesagt werden kann: der 26. Jänner. Denn Sozialdemokraten und Republikaner haben für jenen Tag ihre bisherige Unterstützung angesagt, um die DC zu einer Entscheidung zu zwingen, was ihr, man möchte sagen konstitutionell, zuwider ist.

Enttäuschte Erwartungen

Da ein Abkommen mit den Sozialisten in so greifbare Nähe gerückt erscheint, wenden die Gruppen des rechten Parteiflügels ihre Blicke hilfesuchend zur Kirche, als ob sie von ihr ein Veto gegen das „Unternehmen Nenni“ erwarteten. Diese Hoffnungen sind bisher weitgehend enttäuscht worden. Man hatte erwartet, daß d’e anfangs November in Rom tagende Bischofskonferenz ein klares Wort der Verurteilung oder auch "der Approbie- rung sprechen würde. Statt dessen beschränkte sie sich darauf, den Katholiken die Gültigkeit ihrer Soziallehre und die Notwendigkeit, ihre Einheit zu wahren, ins Gedächtnis zurückzurufen: „Die Kardinale und Bischöfe erinnern an die den Katholiken auferlegte ernste Gewissenspflicht, in der Ausübung der sozialen Rechte und Pflichten die einträchtigste Einheit zu fördern und zu bewahren, und dies den unveränderten Richtlinien der Hierarchie entsprechend, indem sie entschlossen alles beseitigen, was trennen oder Mißverständnisse und Unsicherheit hervorrufen kann.“ An anderer Stelle wird besonders an die „Verantwortlichen“ die Mahnung gerichtet, „ihre Soziallehre nicht mit jener der anderen politischen oder ideologischen Gruppen zu vermengen".

Daraus war keine Verurteilung der „Öffnung nach links“ herauszulesen, sondern eher die Befolgung jener von Monsignore Luigi Civardi in seinem vom damaligen Staatssekretär Kardinal Tardini approbierten und gelobten Handbuch für die Katholische Aktion. Anschauungsweise: „Es gibt eine Politik, die nichts mit Religion und Moral zu tun hat; es ist das eine im engeren Sinn .technisch' zu nennende Politik. Und dann gibt es wieder eine Politik, die ethische Prinzipien und religiöse Interessen einbezieht. Um jene braucht sich die Kirche nicht zu kümmern, um diese ja.“ Sollte die nächste, mit Hilfe der sozialistischen Unterstützung zustande gekommene Regierung auf der „technischen“ Ebene verbleiben, so sieht die Kirche keinen Anlaß, einzugreifen; sollte sie es nicht tun, wird „der Vatikan“ nichl säumen, sein Wort zu sprechen.

Österreich als Beispiel?

Die Bischofskonferenz ist zweifellos auch den Richtlinien gefolgt, die Papst Johannes XXIII. in drei langen Audienzen dem Vorsitzenden der

Konferenz, dem Kardinal von Genua, Siri, gegeben hat. Der Papst, und mit ihm das Staatssekretariat, möchte, daß sich die katholischen Politiker nicht ihrer Verantwortung entziehen und nicht immer wieder versuchen, diese auf die Schultern der römischen Kurie zu wälzen. Wirklich verantwortungsvolle katholische Politiker, wie es der im Leben viel bekämpfte und im Tode viel verehrte De Gasperi war, haben niemals im Vatikan Rat gesucht. Es muß gesagt werden, daß auch Fanfani es nicht tut. Wo aber eine Intervention der Kirche notwendig werden sollte, möge sie von der Bischofskonferenz ausgehen, in Italien ebenso wie in anderen Ländern. Das Staatssekretariat nimmt den italienischen Sozialisten gegenüber heute eine Haltung ein, die jener, die seinerzeit der österreichische Episkopat, voran der Erzbischof von Wien, Kardinal König, den österreichischen gegenüber einnahm, nicht unähnlich ist. Auch in Österreich konnte und wollte der Episkopat nicht übersehen, daß im österreichischen Sozialismus Entwicklungen im Gange sind, die aufmerksam beobachtet und nicht gehindert zu werden verdienen. Eine Verurteilung, auch wenn vieles in diesem Sozialismus der Kirche mißfallen mußte, würde nicht nur auf jene, die es anging, keinen Eindruck gemacht haben, sie hätte auch den erweckt, daß für die Kirche die Mar xisten Marxisten zu bleiben haben und damit basta! Auch im italienischen Sozialismus sind Entwicklungen im Gange, sie sind nicht mehr zu übersehen, obwohl sein Marxismus noch so hochgradig ist und obwohl ein beträchtlicher Teil in ihm mit den Kommunisten zusammenarbeitet.

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