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Digital In Arbeit

TV-Gleichschaltung weltweit

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Die Entwicklung auf dem Mediensektor ist atemberaubend. Durch die Verbreitung von Kabelnetzen und durch Satelliten-TV hat eine Internationalisierung des Programmangebotes stattgefunden, wie das vor zehn Jahren noch unvorstellbar gewesen wäre. Ein Wettlauf der Giganten findet statt.

In Europa schreitet der Gewinn von Marktanteilen rasch voran, in Lateinamerika kommt diese Entwicklung langsam in Gang (fünf Millionen Haushalte erreicht dort derzeit das Musikfernsehen MTV) und in Asien starten neue Projekte im großen Stil. So investierte Rupert Murdoch, Chef eines der weltweit größten Medien-Multis, im Vorjahr über fünf Milliarden Dollar, um die Kontrolle über „Star-TV” in Hongkong zu erlangen. „Star” strahlt über Satelliten Programme in 39 Länder aus. Das ist natürlich ein gigantischer Hoffnungsmarkt, eine enorme Konkurrenz für die wenigen lokalen Fernsehstationen, die sich in den Händen von nationalen Regierungen befinden.

Die Jugend im Visier

Seit zwei Jahren versucht „Star” die städtische Elite - vor allem in Indien - mit den vor Jahrzehnten im Westen erfolgreichen „Seifenopern” in seinen Bann zu ziehen, mit Erfolg wie das Magazin „Fortune” kürzlich berichtete. Besonderes Interesse hat man alllerdings daran, die Jugend anzusprechen, ihr einen vom Westen inspirierten, konsumorientierten Lebensstil g'schmackig zu machen.

Für MTV („Music Television”) ist Musik für die Jugend das Erfolgsrezept. Nach gigantischen Erfolgen in den USA und Europa startet MTV nun auch in Asien. „MTV hat in Europa schon mehr Zuseher als in den USA und es pumpt Musik-Videos nach Brasilien und Japan - und, ab dieser Woche wird es ,around the clock' in chinesisch rocken,” berichtete das Magazin „Newsweek” vorige Woche in seiner Titelgeschichte. Bis zum Jahr 2004 will man in Asien 206 Millionen Haushalte an „die Leine nehmen”.

Die begehrlichen Blicke richten sich vor allem auf das wirtschaftlich stark expandierende China. Taiwan und Hongkong bieten sich als ideale Sprungbretter in diesen Zukunftsmarkt mit mehr als einer Milliarde Konsumenten an.

In den USA und in Europa wird heute schon das große Geld gemacht. Denn kein Fernsehnetz in Europa erfreut sich bei der Jugend größerer Beliebtheit als MTV. Seine Reichtweite hat sich seit 1990 verdreifacht! Bund 59 Millionen Haushalte empfangen das mit Werbung durchsetzte Musikprogramm für die Jugend. Damit ist MTVs Beichtweite in Europa größer als in den USA.

Über Werbeeinschaltungen ist dieser Fernsehgigant das ideale Vehikel zur Verbreitung einer internationalen Jugendkultur. Fast überall kaufen die Teenager heute dieselbe

Umwälzungen

finden auf dem Mediensektor statt, vor allem beim Fernsehen: Via Kabel und Satellit erobern Stationen ganze Kontinente.

Produktpalette ( bei der Kleidung ist es besonders auffällig): Beebok Sportschuhe, Timberland und Doc Martens Schuhe, Levi und Diesel Jeans (der Jeans-Markt wird auf 15 Milliarden Dollar geschätzt, der für Sportschuhe auf 30), Sega und Nintendo Videospiele, Cover-Girl Makeup, Pepsi und Coca Cola, CDs und CD-Player ... Wer Kinder im anvisierten Alter hat, weiß, wie stark der Druck ist, den Nachwuchs entsprechend auszustatten: „Alle anderen haben das auch...”

So findet eine weltweite Uniformierung der Jugend statt, nicht nur im äußeren Erscheinungsbild. Auch die Ausstattung ihres Lebensraumes scheint diesem Trend zu unterliegen. So berichtet „Fortune” von einer Untersuchung, die eine New Yorker Werbe-Agentur in den Zimmern von Teenagern in 25 Ländern durchgeführt hat: „Bei den Teenagern gibt es weltweit eine Schatulle für Schmusetiere und Bilder: ihr Schlafzimmer... Von dem Zeug und den Posters her ist schwer zu erkennen, ob sich die Bäume in Los Angeles, Mexico City oder Tokio befinden. Basketbälle, Fußbälle. Die Kästen gehen über von Unmengen einer internationalen, „unisex” Uniform...”

Diese Internationalisierung des Geschmacks kommt insbesondere den multinationalen Unternehmungen (vor allem den US-Firmen) zugute. Sie stecken daher auch enorme Werbemittel in dieses gezielt die Generation der Konsumenten von morgen ansprechenden Medium. Das ist höchst effizient. „Für ,Coca Cola' und ,Nike' gibt es keine größere Marketing-Herausforderung als auf der richtigen Welle zu reiten. Da geht es um Milliarden-Verdienste,” kennzeichnet „Fortune” die Situation. Schließlich kann man ja damit rechnen, daß diese Generation auch als Erwachsene noch Levi-Jeans, Timberland Schuhen und Apple Computern den Vorzug geben wird.

Ideal für die Werbung

Es ist damit zu rechnen, daß sich die Werbebotschaften tief einprägen, weil man die Teens so überaus leicht faszinieren kann. Klar, denn die jungen Menschen sind neugierig, stets bereit, Neues zu probieren, man kann sie bei ihrer Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Sex noch leichter packen als Erwachsene und man kann ihre Unsicherheit nützen und ihnen Bezepte zur Hand geben, wie sie sich einerseits von den Eltern abheben und andererseits den Gleichaltrigen imponieren können. Ideale Bedingungen also für die Werbewirtschaft, die das eben gezielt nützt.

Daß dieses Bombardement mit Werbung eine materialistische Einstellung fördert, kann man sich ausrechnen. Auch die Botschaft der Musik hat es in sich: Rock-Gruppen - es sind meist englische und amerikanische - kultivieren ja das Abstruse, die Revolte, die Aggressivität, das Okkulte, oberflächliche, von Lust geprägte Beziehungen der Geschlechter, - dann wieder auch das Sentimentale, das Irreale...

Man kann all das mit einer Hand-

bewegung abtun und den üblichen Spruch klopfen: Jede Jugend hat eben ihre Moden und Marotten gehabt, warum nicht diese Jugend auch? Ich denke aber, daß die heutige Konstellation über die Ähnlichkeiten mit früheren Zeiten hinaus besorgniserregende Merkmale trägt: die enorme Verarmung, die aus der weltweiten Uniformierung (auch in der Ausdrucksweise, einer primitiven Variante von Englisch) rührt, die Fixierung auf Lust, die möglichst ra-

sche Befriedigung von Bedürfnissen als Glücksrezept, die Vorstellung, man könne Glück und Anerkennung kaufen.

Mit der Internationalisierung des Fernsehens gibt es über kurz oder lang auch keine Möglichkeit mehr, auf der Ebene der Staaten Einfluß auf den Inhalt der Medienbotschaften zu nehmen. Das stellt eine Herausforderung für jedermann dar, sich neu die Frage nach dem Umgang mit dem Medium zu stellen.

Eltern haben jedes Interesse, ihre Kinder mit den wertbeladenen Botschaften des stark kommerzialisierten Fernsehens nicht allein zu lassen. Sich kritisch mit diesen Botschaften im Gespräch mit den Jugendlichen auseinanderzusetzen, eröffnet wohl aber auch die Möglichkeit zu ernsthaften Gesprächen über wesentliche Fragen zwischen den Generationen. Das könnte sogar eine Chance für die zeitgemäße Weitergabe christlicher Werte sein.

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