Vysegrad - © Foto: gettyimages / Michal Cizek

Ukraine: Die Vysegrad-Krise

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Jahrelang waren Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn als „Visegrád-Gruppe“ eine erfolgreiche Allianz innerhalb der EU. Doch Viktor Orbáns Russland-Freundschaft hat dem Verhältnis arg geschadet.

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Jahrelang waren Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn als „Visegrád-Gruppe“ eine erfolgreiche Allianz innerhalb der EU. Doch Viktor Orbáns Russland-Freundschaft hat dem Verhältnis arg geschadet.

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E in „Budapest an der Weichsel“ wollte Polens mächtigster Politiker, Jarosław Kaczyński, einst errichten. Das Schlagwort des Vorsitzenden der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zielte auf den Staatsumbau von Viktor Orbán: eine Verfassungsänderung, eine Medienreform und vieles mehr. Experten bezeichnen Ungarn mittlerweile als „sanfte Autokratie“, Orbán selbst spricht lieber von „illiberaler Demokratie“.

Nach dem Sieg seiner Fidesz-Partei bei der Parlamentswahl 2010 entwickelte sich der ungarische Premierminister weltweit schnell zu einem Vorbild für rechtspopulistische Parteien, vor allem im Osten der EU, in Polen. Ab 2015 schließlich traten Ungarn und Polen immer wieder als Duo in der Union auf, häufig als Quartett zusammen mit Tschechien und der Slowakei. Diese sogenannte Visegrád-Gruppe (V4) stellte einen einflussreichen Block in der Gemeinschaft dar, stemmte sich etwa gegen eine gemeinsame Migrationspolitik; Warschau und Budapest deckten sich gegenseitig bei Rechtsstaatsverstößen und konnten so vielfach Sanktionen aus Brüssel entgehen.

Einige polnische oder ungarische Entscheidungsträger hofften gar auf ein östliches Gegengewicht zur Achse Paris-Berlin. Mit der Einheit der V4-Staaten jedoch scheint es jetzt vorbei zu sein. Erste Kommentatoren sprechen bereits vom Ende Visegráds – und verantwortlich dafür ist ausgerechnet der Ungar Viktor Orbán. Mit seiner mangelnden Unterstützung für die Ukraine und seinem pro-russischen Wahlkampf, der am 3. April mit einer eindeutigen Wiederwahl für die Fidesz ausging, erzeugte und erzeugt Orbán gewaltigen Unmut bei den Slowaken, den Tschechen, vor allem bei seinen ehemals engen Verbündeten, den Polen. Sie alle sehen sich von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine bedroht, unterstützen Kiew nach Kräften.

Dass Orbán westliche Waffenlieferungen über ungarisches Territorium nicht zulässt, ein Energieembargo ablehnt, ungarische Offizielle bekunden, kein Problem darin zu sehen, für Gaslieferungen in Rubel zu zahlen, all das grenzt in Warschau oder Prag an Verrat an der gemeinsamen europäischen Sache.

Der Ukraine-Riss

Auch Orbáns russlandfreundliche Rhetorik stößt vielen auf. Während der ersten Pressekonferenz nach der Parlamentswahl verurteilte er die Kriegsverbrechen von Butscha, die von russischen Soldaten begangenen Massaker an der Zivilbevölkerung, nicht eindeutig. Stattdessen sprach er davon, dass „wir alle in einer Zeit der Massenmanipulation leben“.

Die Antwort aus Warschau kam prompt: „Wenn Orbán sagt, er kann nicht sehen, was in Butscha passiert ist, dann muss ihm empfohlen werden, einen Augenarzt aufzusuchen.“ Das sagte der gleiche Kaczyński, für den mit seinem „Budapest an der Weichsel“ Orbán einmal als leuchtendes Beispiel galt. „Wir können nicht so kooperieren wie in der Vergangenheit, wenn das so weitergeht“, warnte er.

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