Spione - © Illustration: Rainer Messerklinger

Ukraine: Klebrige Unwahrheiten

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Im Russland-Ukraine-Konflikt geht es nicht mehr um die Ukraine an sich, sondern um einen russischen Propaganda-Feldzug gegen den Westen. Eine EU-Spezialeinheit beobachtet ihn – mit wachsender Sorge.

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Im Russland-Ukraine-Konflikt geht es nicht mehr um die Ukraine an sich, sondern um einen russischen Propaganda-Feldzug gegen den Westen. Eine EU-Spezialeinheit beobachtet ihn – mit wachsender Sorge.

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Während Russland Truppen an den eigenen und der belarussischen Grenze zur Ukraine sammelt, sind Worte die Waffe der Wahl. Sehr viele Worte. Ein wahrer Sturm an Worten, verbalen Attacken, aus ihrem Kontext herausgelösten Argumenten, an sprichwörtlichen Grenzüberschreitungen wie solchen: Die Ukraine sei nicht bereit, der NATO beizutreten, sie habe der NATO nichts zu bieten, so Russlands Außenminister Sergej Lawrow erst am Wochenende. Nur: Ein NATO-Beitritt der Ukraine steht aktuell nicht zur Debatte, und selbst wenn, läge es nicht an Lawrow, darüber zu urteilen. So baut sich in der Öffentlichkeit das Bild auf, die Ukraine allein sei das Problem. Dabei geht es um viel mehr. Denn wie auch immer die aktuelle Krise ausgeht: Ein Konflikt wird weiter bestehen bleiben.

Was derzeit stattfinde, sei „ein Angriff auf die westliche Gemeinschaft, auf die EU“, sagt Peter Stano. Er ist Außenpolitischer Sprecher der EU. Und was er genau meint, ist, was spätestens seit der Revolution in der Ukraine 2013/2014 in den Beziehungen zwischen Moskau und Westeuropa vor sich geht. Denn seither hagelt es propagandistische Großattacken seitens Russlands vor allem auf die EU. Nicht zu reden von Hackerattacken, die auf Russland zurückgeführt werden – oder von direkten Attentaten auf russische Dissidenten. Die Ukraine liegt schlicht zwischen den Welten. Politisch ist sie eine Antithese zu Moskau.

Eine Antithese, in der Horrorszenarien für das System Putin real sind: wo ein amtierender Präsident abgewählt wurde, in dem Revolutionen siegreich sein können, ein Land mit Zivilgesellschaft und so etwas wie einem öffentlichen Diskurs. Zunächst, so sagt Peter Stano, sei es Russland in erster Linie darum gegangen, russische Narrative über die Ukraine in der westeuropäischen Debatte zu etablieren. Immer mehr aber sei in Folge auch die EU selbst ins Visier der russischen Propaganda geraten. Peter Stano sagt dazu: „Das Ziel ist, zu zeigen, dass das bessere Modell das russische Modell ist. Und dass Russland die bessere Alternative ist. Ein ,starkes Land, Beschützer wahrer Familienwerte, ein Staat mit einem klugen Leader‘.“

Die verkommene Union

So betrachtet ist die Ukraine nur Schauplatz. Und das ergibt sich vor allem aus einem: den vielen Worten, die russische Stellen peinlich genau und präzise adressiert gen Westen aussenden und in deren Summe vor allem die EU als werteverkommenes, dysfunktionales Ungetüm aussieht. Bei der Wahl der Mittel war der Kreml da keinesfalls zimperlich: Da gab es direkte Eingriffe in die nationalen politischen Debatten in Mitgliedstaaten, gezielt wurden antieuropäische, radikale politische Kräfte gefördert, und es gab vor allem wahre Sturmfluten an Falschinformationen, gestreuten Gerüchten und an den Haaren herbeigezogenen Schlussfolgerungen, die auf verschiedensten Ebenen gestreut wurden. Ein ganzes „Ökosystem“ an Akteuren nennt es ein EU-Beamter. Ein Ökosystem mit einer mittlerweile etablierten Infrastruktur.

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