Schwechat Raffinerie - ©  Foto: APA / Roland Schlager Foto: OVE / De Boes

Ukrainekrise und Energiewende: "Wir müssen ins Tun kommen"

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Ukrainekrieg und Teuerung könnten den Umstieg von Gas auf erneuerbare Energien stark beschleunigen. Energieexpertin Barbara Schmidt über Klima-Perspektiven und Strom als Mangelware.

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Ukrainekrieg und Teuerung könnten den Umstieg von Gas auf erneuerbare Energien stark beschleunigen. Energieexpertin Barbara Schmidt über Klima-Perspektiven und Strom als Mangelware.

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Österreich braucht jährlich 335 Terawattstunden Energie. Russisches Erdgas hat davon einen Anteil von 63 Terawattstunden. Auch für die Stromerzeugung ist dieses Gas wichtig. Umso wesentlicher auch hier: der Ausstieg aus der Abhängigkeit. Barbara Schmidt, Generalsekretärin des Stromerzeugerdachverbandes „Oesterreichs Energie“, im Gespräch.

DIE FURCHE: Kann man Ihrer Meinung nach unbeschadet aus der Krise kommen oder müssen wir uns alle auf eine Zeit einstellen, in der Energie ab Herbst zur kostbaren Mangelware wird?

Barbara Schmidt: Ich denke, jetzt merken wir alle, dass Energie kostbar ist. Wir hatten uns ja daran gewöhnt, dass der Strom selbstverständlich und günstig aus der Steckdose fließt. Die wenigsten von uns haben bisher über den Wert der Energie und über Alternativen nachgedacht und das wird sich jetzt verändern. Das meine ich nicht zynisch - natürlich muss allen geholfen werden, die bei den aktuellen Preisen Schwierigkeiten haben ihre Rechnungen zu bezahlen. Aber wichtig ist auch die Schlussfolgerung, dass wir mit Energie sorgsam umgehen sollen und die österreichischen Potenziale – Wind, Wasser, Sonne - nützen müssen.

DIE FURCHE: Ist 2027 ein realistisches Ausstiegsszenario für Erdgas – und könnte es im Strombereich im Winter ohne Gas zu Blackouts kommen, falls Russland den Gashahn zudreht?

Schmidt: Vermutlich wird es nicht gleich ein Blackout geben. Für ein Blackout müssen mehrere Komponenten ausfallen. Aber sicher ist: wenn wir Strom nicht mehr in Gaskraftwerken erzeugen können dann wird es Probleme geben, wir können Gas nicht von heute auf morgen eliminieren. Auch der Stromsektor nicht, obwohl wir schon 80 Prozent erneuerbare Stromerzeugung haben. Es gibt eben eine Zeit in denen der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint und der Energiebedarf trotzdem sehr hoch wird. Und zu dieser Spitzenabdeckung braucht es Gas.

DIE FURCHE: Um wie viel Gas geht es bei dieser Spitzenabdeckung durchschnittlich?

Schmidt: Da geht es um die verbleibenden 20 Prozent übers Jahr gesehen.

DIE FURCHE: Also doch erklecklich. Strom- und Gaspreise treiben derzeit die Inflation auf über sieben Prozent. Es gibt Prognosen, die von einer dauerhaften Hausse bei den Preisen ausgehen. Mit wieviel muss der Endverbraucher dabei an Mehrkosten am Jahresende rechnen?

Schmidt: Das kann man derzeit seriöser Weise nicht sagen. Wir kennen die Preissteigerungen am Großmarkt, wieviel und wann es die einzelnen Anbieter an die Endkunden weitergeben ist unterschiedlich. Jedenfalls müssen aktuell die Kunden keine Erneuerbaren Beiträge zahlen und die Energieabgaben wurden reduziert. Und es wurde der Energiekostenausgleich von 150 Euro beschlossen. Da müssten im Laufe des Monats die Gutscheine bei den Haushalten eintreffen, die dann bei der nächsten Jahresabrechnung berücksichtigt werden.

DIE FURCHE: Ende März haben Sie beim „Trendforum“ gemeint, die derzeitige Situation sei „der letzte Warnschuss“ für dringend notwendige Reformen. Wie haben sie das gemeint? Und wen muss man mit Warnschüssen zur Raison bringen?

Schmidt: Wir haben das Problem, dass generell alle dafür sind, für Klimaschutz einzutreten und etwas zu tun. Aber wenn es dann um die konkreten Projekte geht, dann werden beispielsweise Flächen für Phototvoltaikanlagen nicht zur Verfügung gestellt oder dann bilden sich Bürgerinitiativen gegen Windparks mit dem Argument des Vogelschutzes. Biodiversität ist sehr wichtig, aber ebenso richtig ist auch, dass es ohne den Umstieg auf Erneuerbare keine Biodiversität mehr gibt, denn dann ist alles kaputt. Ich glaube, wir brauchen wirklich gemeinsame Kraftanstrengungen, um Projekte, die es zuhauf in den Schubladen gibt, umzusetzen. Viele Bürger haben das schon erkannt. Wir sehen etwa bei der Photovoltaik, dass derzeit so viele Menschen eine Solaranlage auf dem Dach wollen, dass man mit Produktion und Installation nicht mehr nachkommt. Da tut sich also bereits sehr viel.

Wenn wir bis 2030 den Klimaplan erfüllen wollen, müssen wir alle zwei Minuten eine Solaranlage installieren.

DIE FURCHE: Es liegen viele Vorschläge zum Ausbau nachhaltiger Energie auf dem Tisch. Photovoltaik gehört dazu, ebenso Windkraft und Biomasse. Bis 2030 sollen 27 Terawattstunden zusätzlich hereinkommen. Wo orten Sie die besten Möglichkeiten?

Schmidt: Wenn wir unsere Klimaziele bis 2030 schaffen wollen und bis dahin hundert Prozent Strom aus erneuerbaren Energien haben wollen, dann ist das ein gewaltiger Aufwand: Wir müssten dann alle zwei Minuten eine PV-Anlage installieren, alle drei Tage ein Windrad und alle paar Monate ein mittelgroßes Wasserkraftwerk. DIE FURCHE: Und wenn man, wie aktuell etwa im PV-Bereich, gerade mit Fachkräftemangel kämpft oder die globalen Lieferketten nicht funktionieren? Schmidt: Man müsste hier schon überlegen, ob man Industrien auslagert oder bewusst in Europa hält, damit man diesen Engpässen entgegenwirkt. Und der Fachkräftemangel ist evident. Aber auch da kann man wirksam gegensteuern.

DIE FURCHE: Die Energieagentur kalkuliert zum Ausstieg aus russischem Gas kalkuliert mit massiver Energieeinsparungen durch die Konsumenten. Ihre Daten zeigen aber, dass der Anteil des Energiebedarfs der Haushalte seit 1970 von 16 auf 28 Prozent gestiegen ist. Wie soll das Sparen bei solchen Gewohnheiten gehen?

Schmidt: Die Energieagentur betrachtet ja allein den Ausstieg aus russischem Gas. Und die Einsparungsziele sind wirklich ehrgeizig. Wobei ja nicht alle 63 Terawattstunden, die wir durch russisches Gas beziehen eingespart, sondern ersetzt werden durch Erneuerbare, beziehungsweise über alternative Anbieter.

DIE FURCHE: Könnte oder müsste die Regierung nicht mehr unterstützen – etwa durch gesetzliche Maßnahmen statt bloßen Appellen ans Gewissen? Was raten Sie dem Bürger, was der Regierung?

Dieser Artikel erschien unter dem Titel: "Müssen ins Tun kommen" in Ausgabe 18/2022

Schmidt: Jede und jeder kann überlegen, was man selbst tun kann, muss ich bei mittleren Strecken etwa mit dem Auto fahren oder steige ich auf den Zug um. Und wir müssen bei der Energiewende vorwärts kommen und nicht gegen jedes Projekt Gründe dagegen finden. Es wäre schon geholfen, wenn man zumindest Projekte nicht verhindert. Und bei der Politik gilt Ähnliches: Wir müssen vom Reden, Diskutieren und Blockieren ins Tun kommen.

Barbara Schmidt - © Foto: OVE / De Boes

Dr. Barbara Schmidt hat in Wien Rechtswissenschaften studiert, sie war bis 2001 Referentin im Österreichischen Parlament. Seit 2007 ist sie Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, der Interessenvertretung von Österreichs E-Wirtschaft und Geschäftsführerin von Oesterreichs Energie Akademie GmbH.

Dr. Barbara Schmidt hat in Wien Rechtswissenschaften studiert, sie war bis 2001 Referentin im Österreichischen Parlament. Seit 2007 ist sie Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, der Interessenvertretung von Österreichs E-Wirtschaft und Geschäftsführerin von Oesterreichs Energie Akademie GmbH.

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