UN-Israel: Tacheles mit Genf reden!

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Seit Anfang September ist die frühere chilenische sozialistische Präsidentin Michelle Bachelet (Präsidentin 2006-2010 und 2014-2018) Hohe Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen in Genf. Die 1951 geborene Medizinerin Bachelet machte in ihrem eigenen Leben bittere Erfahrungen von Flucht und Asyl. Nach Haft, Folter und Herzinfarkt ihres zur Regierung Allende loyalen Vaters, des Luftwaffengenerals Alberto Bachelet, floh Bachelet mit ihrer Mutter 1975 aus dem von der Pinochet-Dikatur regierten Chile über Australien in die DDR und kehrte 1979 nach Chile zurück.

Einer der ersten nach ihrer Berufung kundgetanen Schritte schlug in Österreich gleich hohe Wellen: die Entsendung eines UNO-Teams nach Wien, weil die österreichische Migrationspolitik auf die Rückführung von Migranten abziele und damit zentrale internationale Menschenrechtsverpflichtungen nicht eingehalten würden. Damit steht Wien -zusammen mit Nicaragua, Venezuela, China (Umerziehungslager für Uiguren) und Afghanistan -am internationalen Pranger.

Kritik an "Ethnopopulisten"

Die neue Hochkommissarin Bachelet könnte sich aber beispielsweise auch mit dem Thema befassen, dass in der arabischen Welt generell nirgends das Bedürfnis bestand, die Flüchtlinge aus Palästina von 1948 bis heute zu integrieren, sondern dass der Flüchtlingsstatus sich über Generationen vererbt -und das seit 70 Jahren! Man stelle sich einmal vor, dass all die Flüchtlinge, die Österreich seit 1945 integrierte, bis heute nicht Österreicher wären -und dass nicht nur sie, sondern auch ihre Kinder und Enkelkinder weiter nur Flüchtlingsstatus hätten und großteils in entsprechenden Lagern leben müssten!

Der langjährige Vorgänger Bachelets als UNO-Menschenrechtskommissar, der jordanische Spitzendiplomat und Angehöriger der haschemetischen Königsfamilie, Seid bin Ra'ad Seid Al-Hussein, war den aufmerksamen Zeitgenossen in Österreich ebenso ein Begriff, weil er bei einem Expertentreffen anlässlich des 25. Jahrestags der UNO-Menschenrechtskonferenz scharfe Kritik an Österreich und Europa geübt hatte: Ethnopopulisten in Europa würden, so Al-Hussein, Hass und Angst säen sowie "verzerrte und falsche Ideen über Migranten und Menschenrechtsverteidiger" verbreiten.

Derweil begann die Tätigkeit Österreichs im seit 2006 bestehenden UN-Menschenrechtsrat ja eigentlich als einzigartige diplomatische Erfolgsgeschichte. Österreich wurde am 20. Mai 2011 von der Generalversammlung als Mitglied des Menschenrechtsrates gewählt und hat sich 2018 erneut um einen Sitz in diesem Gremium beworben. Für die österreichische Außenpolitik sind die Ereignisse rund um den UN-Menschenrechtsrat aber nun ein komplizierter Spagat. Die Förderung und der Schutz der Menschenrechte an sich haben für Österreich oberste Priorität. Das österreichische Engagement fußt auf der Überzeugung, dass alle Menschenrechte universal, unteilbar und miteinander verflochten sind, heißt es im Außenamt. Bei seiner jüngsten Reise nach Genf betonte Bundespräsident Alexander Van der Bellen, dass Österreich einen "wesentlichen Beitrag" zum Schutz der Menschenrechte leis_ ten könne, Österreich wolle versuchen, Brücken zu bauen.

Solche Brücken werden beim UN-Menschenrechtsrat, aus dem sich ja die Vereinigten Staaten zurückgezogen haben, bitter nötig sein.

Kurz' Selbstverpflichtung

Aber nicht nur in Bezug auf den Umgang mit Flucht und Migration muss nun der Ballhausplatz gegenüber Genf Farbe bekennen.

Seit der von Bundeskanzler Sebastian Kurz in Israel vor dem Weltforum des American Jewish Committee in Jerusalem abgegebenen Erklärung, wonach die Sicherheit Israels Teil der österreichischen Staatsraison sei, kommt auch dem sehr einseitigen Umgang des UN-Menschenrechtsrats mit Israel eine große Bedeutung zu. Daraus kann Wien auch für sich selbst einiges lernen.

Systematisches Israel-Bashing

Von seiner Gründung im Juni 2006 bis Juni 2016 hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen 135 Resolutionen angenommen, in denen Länder kritisiert werden; 68 davon waren gegen Israel gerichtet (mehr als 50 Prozent). Ebenso traurig ist die Menschenrechtsbilanz der Generalversammlung der Vereinten Nationen: Von 2012 bis 2015 hat diese 97 gegen einzelne Länder gerichtete Resolutionen verabschiedet; 83 davon betrafen Israel (86 Prozent).

Dieses bisherige systematische Israel-Bashing -als ob die Menschenrechtsprobleme der Welt zu mehr als 50 Prozent aus israelischen Vergehen bestehen würden -ist nicht zu überbieten. Kaum eine Rede über die schweren Menschenrechtsverletzungen in zahlreichen Ländern der Welt, keine Rede über Todesurteile wegen sexueller Orientierung im Iran, in Saudi-Arabien etc. Im Sinn der Erklärung von Kanzler Kurz in Jerusalem ergibt sich hier ein direkter Arbeitsauftrag für die österreichische Außenpolitikmaschinerie auch auf der Ebene der UNESCO: Jedes Jahr verabschiedet die UNESCO etwa zehn Resolutionen, die allesamt nur Israel kritisieren -i. e. 100 Prozent der länderspezifischen Resolutionen. Eine ähnliche Manie (um nicht zu sagen ein ähnlicher Irrsinn) zeigt sich auch auf der Ebene der WHO (Weltgesundheitsorganisation); Beispiele bei der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) ließen sich hinzufügen.

Jenseits der Sonntagsgedenkreden

Für eine politikwissenschaftliche Bewertung der bisherigen Arbeit des UN-Menschenrechtsrates ist auch die Tatsache relevant, dass Israel mit seiner zu mehr als 20 Prozent arabischen Bevölkerung heute nach dem Bildung, Einkommen und Lebenserwartung kombinierenden UNDP-Human Development Index Rang 19 der Weltgesellschaft (Spitzentrio Norwegen, Australien, Schweiz) aufweist -und damit noch vor hochentwickelten Kernstaaten der EU wie Luxemburg, Frankreich, Belgien, Finnland und Österreich liegt und Meilen vor den Staaten, die Israel heute so gern als "Apartheidstaat" kritisieren.

Diesen Irrsinn in Genf im Namen Europas zu benennen, wäre eine harte, aber notwendige Aufgabe für die österreichische EU-Ratspräsidentschaft, es sei denn, die Bundesregierung betrachtet das heurige Bedenkjahr nur als Anlass für diverse schöne Sonntagsreden. Zeit also, mit der Delegation aus Genf wirklich Tacheles zu reden.

| Der Autor war ab 1992 bis zu seiner Pensionierung 2016 Beamter des Sozialministeriums und von 1992 bis 1999 dienstzugeteilt an das Außenamt |

BUCHHINWEIS Vereinte Nationen gegen Israel Wie die UNO den jüdischen Staat delegitimiert Von Alex Feuerherdt und Florian Markl Hentrich &Hentrich 2018 e 24,90

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