Unanständige Bayern wählten falsch!

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Bei der Maßeinheit Mass ist es wie bei Barrel – man braucht nicht dazusagen, was drin ist: In Fass wird Erdöl gemessen und aus „oana Mass“ wird Bier getrunken: 60.000 Hektoliter jedes Jahr beim Münchner Oktoberfest und dazu werden über eine halbe Million Brathendl und über 100 Ochsen verspeist. 8,30 Euro kostet heuer eine Mass, und auch wenn die Besucher der 175. Wiesn über den Preis jammern – bis zum Ende der Woche werden wieder mehr als sechs Millionen Mass auf der Theresienwiese gezapft, gekauft und getrunken.

Die Bayern können sich auch ein teures Bier leisten: 2007 lag Bayern mit einem Wirtschaftswachstum von 2,8 Prozent gleichauf mit Hamburg und Baden-Württemberg an der Spitze der deutschen Bundesländer. Die Arbeitslosenquote war im August mit 3,9 Prozent so niedrig wie sonst nirgends in der Bundesrepublik.

Und trotzdem wurde die regierende CSU bei den Wahlen am Sonntag abgestraft, wegen ihres absolutistischen Auftritts um die Absolute gebracht. CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer hat das noch nicht verstanden: „Das ist ein schwarzer Tag für die CSU und Bayern“, sagte sie, und machte damit deutlich, dass für sie nicht ihre Partei abgehoben regiert hat, sondern die Wähler dumm entschieden haben.

Dieser Arroganz hat die CSU ihr Desaster mit „nur“ mehr 43,4 Prozent der Stimmen zu verdanken. Einen ähnlichen Fehler machte Ministerpräsident Günther Beckstein, als er feststellte, „anständige“ Bayern wählten CSU. Seit Sonntag muss er einsehen: Viele Bayern wählen „unanständig“ und die Formel „Bayern = CSU“ gilt nicht mehr.

Seit 1962 stellt die Christlich-Soziale Union die absolute Mehrheit im Maximilianeum, dem Münchner Landtag. Die CSU besteht als Schwester der größeren Unionspartei CDU nur in Bayern, ist aber als einzige Regionalpartei bundesweit aktiv.

Ursprünglich versteht sich die 1945 unter der Führung von „Ochsensepp“ Josef Müller gegründete CSU als „Partei des kleinen Mannes“. Ihre Fundamente sieht sie in einem christlichen Menschenbild, Selbstverantwortung der Bürger und Subsidiarität. Die Partei zählt rund 170.000 Mitglieder. Mit 2853 Ortsverbänden überall in Bayern will die CSU „näher am Menschen“ sein, wie es in einem Werbeslogan geheißen hat.

Näher am Menschen war bei dieser Wahl aber die Partei der „Freien Wähler“ (FW). Erstmals sind die bisher nur in der Kommunalpolitik aktiven Konkurrenten der Union in den Landtag eingezogen – und das gleich mit rund zehn Prozent der Stimmen. Die Stärke der FW als „bürgerlicher Protestpartei“ liegt in der Schwäche der CSU. Mit Erfolg warben die FW um die Stimmen enttäuschter CSU-Wähler, die den Christsozialen zwar einen Denkzettel wünschen, aber auch keine gänzlich neue Politik wollen.

Wahlziel verfehlt, hieß es hingegen für die SPD. Dem Jubel über den Absturz der CSU folgten auf der Wahlparty der Genossen meist lange Gesichter über das eigene Abschneiden. Auf knapp 19 Prozent kamen die Sozialdemokraten. Das war weniger als 2003, als die SPD mit 19,6 Prozent ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahren hatte.

Der Gewinner von 2003, der ehemalige CSU-Chef und Ministerpräsident Edmund Stoiber erreichte bei der letzten Landtagswahl noch 60,7 Prozent und eroberte damit erstmals für die CSU die Zwei-Drittel-Mehrheit. Das hatte nicht einmal der legendäre Franz-Josef Strauß geschafft. So ist es jetzt keine Überraschung, dass sich der mehr oder weniger zwangspensionierte Stoiber, dem das Wahldebakel seinen 67. Geburtstag „verhagelt“ hat, wieder zurückmeldet. Als „Ehrenspielführer“ will er in Zukunft wieder mehr mitmischen. Für Beckstein & Co. heißt das dann wohl: „Prost, Mahlzeit!“ WM

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