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Unsere Wohnwirtschaft wird neu geordnet

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Die österreichische Volks- und Staatswirtschaft sieht sich vor einem Problem von großer Tragweite und fühlbarster allgemeiner und persönlicher Auswirkung: Eine dauernd tragfähige Regelung der bei uns jahrzehntelang „provisorisch" durch Zwangsmaßnahmen gebundenen Wohnwirtschaft. Diese Fragen werden in naher Zeit die gesetzgebenden Körperschaften beschäftigen. Als hörenswerten Beitrag zu ihrer Klärung bringt die „Furche" einen Aufsatz aus berufener Feder, der eine Präzisierung eines vor kurzem veröffentlichten, vieldiskutierten Vorschlages darstellt. An ihn mögen sich, wie wir hoffen, Rede und Gegenrede knüpfen. Die tiefgreifenden Auswirkungen einer Gesamtregelung des Wohn- und Mietzinsproblems lassen eine solche allseitige Beleuchtung ratsam scheinen.

Die Fragen der Wohnungswirtschaft beschäftigen in zunehmendem Maße die Oeffentlichkeit. Die Beratungen wirtschaftlicher und politischer Kreise haben eingesetzt, da die Regierung eine so dringende Neuordnung nicht hinauszögern lassen will. Vielerlei Vorschläge sind vorgelegt worden. Sie befassen sich vorerst nur damit, wie man die Mittel verteilen soll, aber wie man sie herbeischafft, ohne die Mitbürger mit neuen Steuern zu belasten, hat eigentlich nur der itn Herbst 1953 veröffentlichte Plan der Sozialwissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft dargestellt, der auf tiefgehender Bearbeitung aller damit zusammenhängenden Fragen fußt und daher gründliche Vorschläge für eine Sanierung des gesamten Miet- und Wohnungswesens bringen konnte.

Darum wendet sich diesem Plan das lebhafte Interesse der weiteren Kreise zu, welche an der ehesten Behebung der Wohnungsnot, wie der Beschaffung von Arbeitsplätzen interessiert sind. So hat Ing. Wöber kürzlich im Rundfunk diesen Plan im Namen der österreichischen Bauwirtschaft begrüßt und auch die Zustimmung der Bauarbeitergewerkschaft bekanntgegeben. Der Oesterreichische Haus- und Grundbesitzerbund hat schon zu Ende November 1953 seine grundsätzliche Zustimmung zu diesem Plan gegeben und sich bereit erklärt, durch Zurückstellen eigener Forderungen und durch Leistung neuerlicher Opfer beizutragen, daß in den nächsten Jahren die längst fällige Neuordnung der Wohnwirtschaft möglich und damit eine dauernde Gesundung unseres ganzen wirtschaftlichen Gefüges gesichert wird.

Es besteht darüber Einverständnis, daß die Verhältnisse im Wohnungswesen immer unhaltbarer werden und daß vornehmlich die krassen Mietzinsunterschiede als unsozial und ungerecht auch von den Verteidigern der Zwangswirtschaft beklagt werden. Ihretwegen mußte der Althausbesitz jahrzehntelang vernachlässigt werden, so daß die Mieter eine Modernisierung fordern, für welche aber die niedrigen Mietzinse keine Unterlage geben.

Der Aufgaben sind nun zwei, welche auf diesem bedeutsamen Gebiete zu lösen sind. Sie müssen aus einer einheitlichen Schau der wirtschaftlichen wie der sozialen Belange, aber in strenger Auseinanderhaltung der hierfür nötigen Maßnahmen angegangen werden. Es handelt sich 1. um die Verstärkung des Neubaues von Wohnungen, besonders in den Brennpunkten der Wohnungsnot, und in naher Zukunft auch um die Ersatzbauten für die vielen überalterten und demolierungsreifen Häuser, und 1. um die Instandsetzung und Modernisierung der hierfür noch geeigneten alt,en Objekte. Wir dürfen nicht vergessen, daß drei Fünftel des Wohnbestandes in Häusern liegen, welche vor dem ersten Weltkrieg erbaut wurden und, soferne sie aus dem vorigen Jahrhundert stammen, nach Bauart und Bauzustand als zurückgeblieben bezeichnet werden müssen.

Diese Aufgaben können nur gelöst werden, wenn im Wohnungswesen sowie in den übrigen Bereichen unserer Volkswirtschaft die Wirtschaftlichkeit wiederhergestellt wird. Man glaubte auf die Rentabilität in der Wohnwirtschaft zugunsten sozialer Erwägungen verzichten zu können; man hat die Sparer aus der seit je üblichen, höchst fruchtbringenden Mithilfe beim Bau von Mietwohnungen vertrieben und damit die Gefahr unwirtschaftlicher Verwendung öffentlicher Mittel heraufbeschworen.

-Allmählich wächst die Einsicht in allen politischen Kreisen, daß wir ohne Wiederbelebung eines Kapitalmarktes den Wohnungsbau nicht entsprechend finanzieren und damit die Wohnungsnot mit all ihren üblen Auswirkungen nicht bekämpfen können. Zu den wichtigsten Voraussetzungen gehört sonach die Wiederherstellung der Rentabilität im Hausbesitz. Wenn sich dieser wichtige Zweig unserer Volkswirtschaft, der etwa ein Drittel unseres Volksvermögens umfaßt, nicht aus sich selbst wirtschaftlich erhalten kann, wird der jährliche Kapitalsverlust, der auf eine Milliarde Schilling veranschlagt wird, eben dieses Vermögen ständig vermindern und eine Hebung der Lebenshaltung der österreichischen Bevölkerung nicht zulassen.

Erst mit der Eingliederung des Wohnungswesens in eine sozial geführte Marktwirtschaft ist die sichere Gewähr hierfür gegeben. Es müssen daher die Mieten zunächst auf eine Mindesthöhe gebracht werden, welche die oben angeführten Arbeiten ermöglicht. Nach dem vorliegenden Plane wird das in Oesterreich stark zurückgebliebene Zinsniveau auf 3 S je Friedenskrone zu bringen sein, wobei für die Länder 3.50 bzw. 4 S gerechtfertigt sind.

Zum Ausgleich hierfür ist gleichzeitig eine Abgeltung dieser Leistung durch eine weitere allgemeine Steuersenkung, welche durch die Einsparung der Zuwendungen für die Fonds usw. ermöglicht wird, und durch den Einbau eines Wohnungsgeldes für die Lohnempfänger, vorgesehen.

In ähnlicher Weise ist auch bei den dem alten Mietengesetz nicht unterliegenden Wohnungen wegen der Vielfalt der Zinsberechnung durch Feststellung eines diesem Dreischillingzins entsprechenden Schlüssels die Mietzinsangleichung durchzuführen, wobei der Preis je Quadratmeter Nutzfläche, abgestuft nach Lage und"Ausstattung, festgelegt wird. Die Mieten für Geschäfte, Büros, wie alle gewerblichen Räume, sind zu einem nahen Zeitpunkte wieder in freier Vereinbarung zu bilden. Mit Ende 1958 voraussichtlich könnten die geltenden Zinsbeschränkungen wegfallen, weil sich bis dorthin zweifellos der Preis für gute und schlechte Wohnungen nach Angebot und Nachfrage durcheesetzt haben wird. Man wird so, wie dies jüngst in Deutschland geschehen ist, für diese Uebergangsjahre die sogenannten Kostenmiete auch bei jenen Wohnungen festzusetzen haben, für welche die Zwangsvorschriften in Wegfall kommen. Die Kündigungsbeschränkungen werden, wie wir dies schon einmal in den dreißiger Jahren erlebt haben, ihre Bedeutung verlieren, und es wird wieder die Freiheit in der Wahl des Wohnsitzes das Vorrecht des einzelnen sein.

Zur Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit gehört aber auch die Beseitigung der ständigen Subventionierungen der Wohnwirtschaft. Sie wurde bisher in der Weise geübt, daß in den Häusern, die vor 1945 gebaut wurden, der Hausbesitzer sie zu tragen hat, während sie bei den Neubauten die Allgemeinheit durch eine hohe Steuerleistung aufbringt, welche mit jährlich etwa zwei Milliarden Schilling dem öffentlichen Wohnungsbau zufließt. Die Hauseigentümer sehen darin mit Recht einen schweren Verstoß gegen -die im Staatsgrundgesetz gewährleistete Gleichheit der Bürger. Denn wenn der Staat schon eine Verbilligung von Brot, Kleidung oder Wohnung will, dann hat er dies aus den Mitteln der Allgemeinheit zu leisten, nicht aber das Recht, Private dazu einseitig heranzuziehen.

Und was die jetzige Finanzierung des Wohnungsbaues im Wege öffentlicher Fonds oder gar durch die Gemeinden anlangt, so kann niemand die ungeheure steuerliche Belastung leugnen, noch dazu bei einer zu geringen Auswirkung so bedeutender Beträge in der Bekämpfung der Wohnungsnot. Zwei Milliarden Schilling sind etwa zehn Prozent der gesamten Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden; sie werden dadurch anderen, echten Aufgaben dieser Körperschaften entzogen. Bedenklich ist, daß sie ganz unwirtschaftlich eingesetzt werden und daher das jährliche Ergebnis kaum 25.000 Wohnungen ausmacht, während bei richtigem Einsätze dieser Mittel, durch Heranziehung des Kapitales der Privaten und des Marktes, bis zu 60.000 Wohnungen geschaffen werden könnten, wie wir dies am deutschen Beispiel der letzten Jahre erwiesen sehen.

Der Vorschlag geht daher auf eine Ueber- führung der beiden großen staatlichen Fonds in eine Wohnbaubank, nicht zuletzt, um damit eine Entpolitisierung und Entbürokratisierung der Bauförderung herbeizuführen. Aber auch wenn die Regierungsparteien sich zu einer solchen Aufgabe politischer Vormachtstellung nicht entschließen können und die damit verbundene Vereinfachung des ganzen Apparates unterbleibt, so müßten sie zumindest darangehen, durch eine zeitgemäße Neufassung der Fondsvorschrifren die bisherigen Fehler abzustellen und den Weg befruchtender Wohnbauhilfe zu gehen. Das müßte selbstverständlich auch für die Gemeinden gelten.

Kommt es zu der Zusammenfassung aller öffentlichen Mittel und Agenden in einem Institut, das nach den erprobten Methoden der Bausparkassen zu führen ist und seine Aufgaben gemeinsam mit den Landeshypothekenanstalten abzuwickeln hat, dann wäre für die Finanzierung des Wohnungsbaues vorzuschlagen:

Wer die meisten Eigen- und Fremdmittel bringt, hat den Vorrang bei der Gewährung der Darlehen. Diese können auf 2. Satz bis zur Hälfte der Kosten, höchstens bis 40.000 S je Wohnung, gehem Für Familien wäre je Kind 5000 S mehr zu geben.

Um in den nächsten Jahren, wo die Wohnungsnot dank der schon bisher spürbaren Bautätigkeit in den meisten Orten überwunden sein wird, auch in den Zentren derselben diese überwinden zu können, wären die alljährlich zur Darlehensgewährung bereiten Gelder etwa nach drei Gruppen aufzuteilen; indem die Hälfte für Orte mit einem Notstand von mehr als 20 Prozent der Wohnungsbedürftigen gegenüber der Zahl der vorhandenen Wohnungen, ein Viertel für Orte mit 10 bis 20 Prozent und ein Viertel für solche unter 10 Prozent bestimmt wird.

Die Gemeinden sollen durch Zuwendung ihrer Mittel den kapitalschwachen Bauwerbern und Genossenschaften die Aufbringung der Eigenmittel erleichtern und damit die Darlehensgewährung beschleunigen helfen. — Auch die Landesfonds sollen sich in gleicher Art einschalten und dadurch gleichfalls eine Verbilligung der Mieten ermöglichen.

Damit der Bau von Eigenheimen und Eigentumswohnungen besonders gefördert wird, sollte bis zur Hälfte der verfügbaren Gelder bei den einzelnen Gruppen für diesen Zweck gewidmet werden.

Durch das Wegfällen des Wiederaufbaufonds kann für die längst fällige Wiederherstellung beschädigten oder zerstörten Wohnraumes am besten in der Weise vorgesorgt werden, daß den Bauherren für jeden Quadratmeter so wiederhergestellten Raumes ein einmaliger Zuschuß bis zu 200 S gegeben wird. Dadurch erleichtert sich merklich für den geschädigten Hausbesitzer die Aufbringung der Eigenmittel. — Eine Sonderbegünstigung des darüber hinaus zur Verbauung gelangenden Raumes sowie auch bei Ueber- tragung des Grundstückes an einen Dritten darf nicht mehr in Frage kommen. Da das nötige Kapital für die Behebung der wirklich noch vorhandenen Schäden auf kaum 700 Millionen Schilling geschätzt wird, müßte diese Aufgabe in längstens zwei Jahren beendet sein.

Auch wenn in der Uebergangszeit die Kostenmieten noch zu hoch lägen, könnte bei solchen Neubauten durch einen zwei- nrozentigen Zinsenzuschuß geholfen werden. Dies würde bei Fremdmitteln von jährlich etwa einer Milliarde Schilling für diese Neubauten den Bund nur 20 Millionen Schilling kosten, eine bescheidene Last, wenn ihr die gesicherte und dadurch vermehrte Bautätigkeit, höhere Steuereingänge, Ersparung von Arbeitslosenhilfe usw. entgegengehalten wird.

Das Wesentliche muß jedenfalls in diesem Jahre geschehen, und es muß gerecht geschehen. „Nichts ist ' geregelt“, sagte der große Staatsmann Abraham Lincoln, „solange es nicht gerecht geregelt ist.“

Aus kulturellen Vereinigungen

Wiener Volksbildung. 28.. I., Margareten: 19 Uhr: Prof. Dr. Erich G a wronski . ,,Helen Keller, Helferin der leidenden Menschheit.“ — 29. I., VHS Favoriten: 19 Uhr: Dr. Ilse Dörfler: „Van Gogh und Gauguin“ (mit Filmen). — VHS Meidling: 19 Uhr: Prof. Dr. Friedrich Glaeser. „Wesen und Wert der Persönlichkeit.“

Wiener Katholische Akademie. 1. II., 17 Uhr: Professor Dr. Elfriede Riener : „Frauenbildung in der Kulturkrise.“ — Prof. Andrė Espiau de La Maėstre: „Jean Paul Sartre et l’humanisme“ (in französischer Sprache). — 18 Uhr: Prof. Dr. P. Franz Sissulak: „Das Wesen des Glaubens.“ — Prof. Dr. Heinrich Peter: ..Die Revision der Erziehung in christlicher Schau.“ — DDr. Gerhart Egger: „Sakrale Kunst des frühen Mittelalters“ (Lichtbilder). — 19 Uhr: Univ.-Professor Dr. Josef H a e k e 1 : „Staat und Religion in den frühen Hochkulturen.“ — Dr. Rupert Feuchtmüller: „Die sakrale Kunst Oesterreichs im 19. Jahrhundert und die europäischen Leistungen“ (Lichtbilder). — Prof. Dr. Hans Vogelsang: „Von traumhaftem Weltspiel zu himmlischer Verheißung in Hugo von Hofmannsthals religiösen Barockdramen “ — 2. II., 16.30 Uhr: Dr. Luitpold G r i e ß ė r : Altgriechischer Sprachkurs. — 18 Uhr: Univ.-Doz. Dr. Walter Kornfeld: „Das Messiasbild im Alten Testament.“ — Prof. Dr. Rainer Schub er t - Sol d e rn : „Weltanschaulihce Probleme in der Biologie.“ — Doz. Dr Walter Buchowiecki: „Die italienische Kunst des 15. Jahrhunderts“ (Lichtbilder). — 19 Uhr: Dr. Josef Tzöbl: „Geschichte und Grundriß der österreichischen Verfassung “ — 3. II.» 17 Uhr: Univ.-Prof. Dr. Friedrich Billies ich: Lateinischer Sprachkurs. — 18 Uhr: Univ.-Prof. Doktor Fritz Schacher may r : „Geschichte der alten Griechen.“ — Univ.-Prof. Dr. Billicsich: „Das Problem des Uebels in der Philosophie (Theodizee).“ — Alle Vorlesungen und Vorträge, I., Freyung 6, I. und II. Stiege. — Das Sommersemester 1954 beginnt am 8. März. Vorlesungsverzeichnisse ab 1. März im Sekretariat der Akademie.

West-College: 29. I., 19 Uhr (IX, Kolingasse 19 III): Univ.-Prof. DDr. Leo Gabriel: „Vom Wesen der Religion.“

Wiener Urania: 31. I., 11 Uhr: Fred Hennings: „Der Heldenplatz“ (mit Lichtbildern).

Gesellschaft für vergleichende Kunstforschung: 30. I., 16.30 Uhr (IV, Gußhausstraße 25, Hörsaal III): Dozent Dr.-Ing. A. Klaar: „Die Insignien und Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches.“

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