Triell - © Foto: Getty Images / Michael Kappeler - Pool

Ursula Münch: „Olaf Scholz gibt Hoffnung auf geordneten Wandel"

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Wer im Wahlkampf zum Deutschen Bundestag Vertrauen verspielt, wird abgestraft, sagt die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch. Der Sozialdemokrat Olaf Scholz hat immerhin keine Fehler gemacht - aber seine Partei im Nacken. Ein Gespräch über Stimmung, Sicherheit, Söders Sager und die neue Staatsgläubigkeit.

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Wer im Wahlkampf zum Deutschen Bundestag Vertrauen verspielt, wird abgestraft, sagt die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch. Der Sozialdemokrat Olaf Scholz hat immerhin keine Fehler gemacht - aber seine Partei im Nacken. Ein Gespräch über Stimmung, Sicherheit, Söders Sager und die neue Staatsgläubigkeit.

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Die Politologin Ursula Münch leitet die „Akademie für Politische Bildung“ in Tutzing am Starnberger See - und gilt dieser Tage als eine der gefragtesten Politik-Expertinnen Deutschlands. Während sie vor sechs Monaten noch jede Wette eingegangen wäre, dass der nächste deutsche Bundeskanzler Armin Laschet heißt, setzt sie jetzt auf Olaf Scholz. Wie es zu dieser Kehrtwende innerhalb des Wahlkampfes kommen konnte, was das über den Zeitgeist aussagt und weshalb Laschets Tolpatschigkeiten Angela Merkel nie passiert wären, erklärt sie im Interview.

DIE FURCHE: Wenn die Deutschen ihren Bundeskanzler direkt wählen könnten, käme Olaf Scholz laut aktuellen Umfragen auf 39 Prozent. Wenn Ihnen das vor einem halben Jahr jemand gesagt hätte, wie hätten Sie reagiert?
Ursula Münch:
Ich hätte das nicht geglaubt. Auch ich gehöre zu denjenigen, die noch vor Wochen völlig andere Einschätzungen abgegeben haben. Ich habe mich getäuscht wie fast alle Experten. Man dachte, es gäbe ein Wettrennen zwischen der Union und den Grünen. Olaf Scholz wurde gar nicht wahrgenommen. Er hatte Glück, dass er überhaupt zu den TV-Triellen eingeladen worden ist. Da gab es Leute, die hielten die SPD schon fast für irrelevant.

DIE FURCHE: Wie kam es zu dieser Kehrwende? Wie kann es ein „Underdog“ binnen Monaten zum Top-Favoriten schaffen? Einige argumentieren, Scholz würde als einziger der Kandidaten im Merkel-Kabinett sitzen und somit Kontinuität versprechen. Andere schieben es auf Scholz´ „One-man-Show“, die vergessen lässt, dass er für die Sozialdemokraten antritt. Eine weitere Theorie lautet, dass Armin Laschets fehlendes Charisma die Wähler abschreckt...
Münch:
An allem ist etwas dran. Aber es gibt noch mehr Gründe. So hatte etwa Annalena Baerbock, die ja im Frühjahr eine große Rolle gespielt hat, eine persönliche Glaubwürdigkeitskrise. Danach gingen die Umfragen für die Grünen runter, Baerbocks Ansehen ist bis heute beschädigt. Gleichzeitig machte Laschet diese persönlichen Fehler, von denen jeder einzelne nicht dramatisch war, aber in der Summe dann eben doch. Ganz besonders sein Lacher in den Flutgebieten. Und das hat im Grunde das Bild von Armin Laschet in der Öffentlichkeit, das bereits seit dem unionsinternen Streit mit Söder bei vielen beschädigt war, noch einmal negativiert. Ein weiterer Punkt ist, dass sich die Union leichter mit einer Gegenkandidatin Baerbock getan hätte. Das hätte die Unions-Wähler mobilisiert – die Grünen-Kandidatin ist für viele ein Schreckgespenst. Olaf Scholz ist das nicht.

DIE FURCHE: Angela Merkel wird nachgesagt, sie hätte die CDU sozialdemokratisiert. Es klingt fast logisch, dass sich viele nach ihrem Weggang für das Original entscheiden.
Münch:
Die Deutschen haben erst im Sommer so richtig realisiert, was es heißt, wenn die Amtsinhaberin nicht mehr antritt. Und ja, Angela Merkel hat mit ihrem Politikstil neue Wählerinnen und Wähler an die CDU gebunden. Und die folgen jetzt nicht mehr automatisch der Union, sind wieder ungebunden. Diesen Umstand hatte Olaf Scholz übrigens von Anfang an auf dem Schirm.

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