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US-Unterstützung für Tudjman & Milosevic

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Die bosnische Parlamentswahl am 14. September werde weder eine „faire noch eine demokratische Wahl" sein. Diese düstere Prognose stellte die aus Finnland stammende OSZE-Menschrechtsbeauftragte Elisabeth Rehn. Als die Amerikaner, die Architekten des Friedens von Dayton, beschlossen, Rosni-en-Herzegowina als Staat wieder zu errichten, war klar, daß das nur durch demokratische Wahlen geschehen kann. Offenbar um die US-Präsidentschaftswahl 1996 nicht durch die Rüder von der bosnischen Tragödie zu stören, bestimmten die US-Unterhändler, daß die Rosnien-Wahl genau neun Monate nach dem Abkommen von Dayton, also im September, stattfinden sollte.

Doch genau vor sechs Jahren war Rosnien durch ebenso demokratische Wahlen zerfallen: Die Serben wählten damals größtenteils die Karadzic Partei SDS, die Kroaten Tudjmans HDZ und die Moslems die muslimische Massenpartei SDA. Jetzt sollen nach vier Jahren Krieg die Serben, Kroaten und Moslems ein gemeinsames Parlament wählen, was in der chaotischen Lage, die heute in Rosnien herrscht, an die Quadratur des Kreises erinnert.

Von den 4,7 Millionen Einwohnern, die vor dem Krieg in Rosnien-Herzegowina gelebt hatten, halten sich derzeit etwa 1,6 Millionen als Flüchtlinge im Ausland auf- und das in etwa 30 verschiedenen Staaten der Welt. Und von den verbliebenen drei Millionen Einwohnern lebt höchstens die Hälfte in jenen Gebieten, in denen sie vor dem Ausbrach des Krieges am 6. April 1992 gelebt hat.

Deshalb hat die OSZE-Wahlkommission, die von den USA mit der Durchführung des Wahlvorganges beauftragt wurde, die Rürger in drei Wahlgruppen eingeteilt. In die erste

Gruppe fielen jene Rosnier, die zwischen der letzten Völkszählung 1991 und dem Ausbruch des Krieges ihren Wohnort freiwillig wechselten. Das sind zum Reispiel jene Serben aus Sarajewo, die die bosnische Hauptstadt in Richtung der Serbenhochburg Pale verließen, weil sie über den unmittelbar bevorstehenden Angriff auf Sarajewo von ihren Landsleuten informiert worden waren. Die zweite Gruppe besteht einfach aus Flüchtlingen, die sich jetzt im Ausland aufhalten.

Für die dritte Gruppe kommt das sogenannte „P-2"-Formular zum Tragen. Dieses ist äußerst umstritten, weil es in der Praxis eine Art Abseg-nung der „ethnischen Säuberungen" bedeutet. In diese Gruppe fallen jene Personen, die nach dem 6. April 1992 freiwillig oder unter Zwang ihren Wohnort verließen, jetzt an einem anderen Ort leben und die Absicht haben, dort weiterhin zu bleiben. Neue Konflikte nach den Wahlen sind bereits vorprogrammiert, weil sich jetzt massenweise Wähler in die Listen jener Wohngebiete eintragen lassen haben, in denen sie früher niemals gelebt hatten. So haben die Serben in ihrer „Republika Srpska" gleich eine Viertelmillion Wähler in die Listen eintragen lassen, die vor dem 6. April 1992 keineswegs dort lebten, was den US-Reauftragten für Rosnien, Robert Frowick, veranlaßt hat, die Kommunalwahlen zu verschieben. Dieses „ethnische Engineering" wird natürlich von der jeweiligen nationalen Massenpartei ferndirigiert und gemanagt.

Viele meinen, dieses von den Amerikanern durchgeboxte ominöse Wahlformular „P-2" sei ein Geschenk an die beiden Machthaber Tudjman und Milosevic. Daß sich die Amerikaner zu dieser „Gefälligkeit" hinreißen ließen, läßt sich dadurch erklären, daß Washington nach den Wahlen in beiden Staaten, Kroatien und Serbien, Fuß fassen will und deshalb die beiden „starken Männer" als Partner gewinnen möchte.

Die Wahlsponsoren hatten es offenbar eilig, die bosnischen Wahlen durchzuführen. Aber diese Wahlen könnten das Rad der Entwicklung in Rosnien genauso wieder an den Anfang zurückdrehen.

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