Trump von hinten - © Foto: APA / AFP / Mandel Ngan

US-Wahl: Trump, war alles schlecht?

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Wenn der US-Präsident einen Superlativ zu Recht führt, dann wohl diesen: der bestgehasste Politiker der freien Welt. Aber er produzierte nicht nur Fehler und Skandale. Einige wenige Punkte finden sich auf der Haben-Seite.

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Wenn der US-Präsident einen Superlativ zu Recht führt, dann wohl diesen: der bestgehasste Politiker der freien Welt. Aber er produzierte nicht nur Fehler und Skandale. Einige wenige Punkte finden sich auf der Haben-Seite.

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Man nehme es als einen Akt des Optimismus und der Weltfreude dieser Zeitung, wenn hier der Versuch unternommen werden soll, über eine ganze Seite lang die positiven Seiten der Präsidentschaft von Donald John Trump zu beschreiben. In der Tat scheint das eine Herausforderung zu sein angesichts chronischer Unwahrheiten, aufrührerischer Reden, lebensgefährlicher Wissenschaftsignoranz und rassistischer Ausritte, die aus dem 45. Präsidenten der USA nur so hervorsprudeln. Parallelen zur Banalität des Bösen scheinen sich aufzudrängen, oder müsste es nicht heißen, der Dummheit und Ignoranz des Bösen? Nicht wenige Mitglieder dieser Redaktion haben auch eine bis zwei Augenbrauen gehoben, als sie von dem Vorschlag erfuhren, Trump etwas Gutes nachsagen zu wollen.

Aber es ist doch so: Mindestens 40 Prozent der US-Wähler finden den Mann richtig gut. Daraus erhebt sich wie von selbst die Frage: Gibt es unter all dem, was da gemocht wird, auch etwas, das mehr als die 40 Prozent notorischen Fans wertschätzen könnten. Oder etwas an dieser Amtsführung, das zwar weder die 40 Prozent noch Herr Trump bewusst gut finden, das aber dennoch gut ist? Viel lässt sich als Antwort hierzu zwar nicht finden, aber in mindes­tens sechs Punkten kann man aus diesen Jahren Gewinn ziehen.

1 Welthandel anders

Das beginnt zunächst bei einer anderen Form der Handelspolitik. Lange war die Öffnung aller Märkte das oberste Gebot des Welthandels und der WTO. Trump hat das geändert, und es hat in Mexiko zu neuen und besseren Lohnverträgen geführt, auch wenn Trump sein Ziel, Industrien im eigenen Land zu behalten, nicht ganz erreicht hat. Die Tendenz, die Industrie in Billiglohnländer auszulagern, hat sehr viele Menschen in den USA und Europa aus Arbeit und Lohn gebracht. Dass aber Industrie einen Teil jeder gesunden Volkswirtschaft ausmacht, vor allem weil sie zehntausende Arbeitsplätze und damit den sozialen Frieden garantiert, diese Botschaft ist bei den Demokraten und Joe ­Biden gelandet. In Europa muss sie noch ankommen. In diesem Sinn hat Trump ein Umdenken zur Globalisierung verursacht, das nicht nur unter dem Schlagwort Protektionismus verdammt werden sollte.

2 China fordern

Damit zusammenhängend hat diese Administration wie keine vor ihr den schwelenden Konflikt mit China als Wirtschaftsmacht Nummer eins in der Produktion angenommen. Diese Auseinandersetzung wird zwar von Trump mit argem Populismus geführt. In der Substanz aber bleibt, dass sich die Welt bei einer immer weiter steigenden Dominanz Pekings in eine gefährliche wirtschaftliche Abhängigkeit begibt, die demokratische Systeme erpressbar macht durch ein Einparteienregime, das im eigenen Land jede Kritik rücksichtslos unterdrückt, Minderheiten in Lager deportiert und seine Nachbarn in Territorialkonflikte verwickelt. In einer etwas gesitteteren Version als Trump kann eine Chinakritik mit rationalen Mitteln zur Herstellung einer Handelsfairness Platz greifen.

So könnte es eine neue Form der Herkunftskontrolle geben: Produkte aus China und anderen „Werkbank“-Ländern der Globalisierung sollten auf Arbeitsbedingungen bei ihrer Herstellung geprüft werden. Harsche Arbeitsbedingungen (u. a. die Einschränkung vom Recht auf Freizeit, Urlaub und Krankenstand) sollten mit Arbeitszöllen belegt werden, um Kostenwettbewerb auf Kosten von Arbeiter- und Menschenrechten zu verhindern. So können westliche Industrien auch effizient vor Preisdumping und Abwanderung geschützt werden. Es kann auch überlegt werden, ob das eine oder andere Segment der Produktion, vor allem wenn es systemrelevant ist, wieder aus China abwandern sollte, etwa die Herstellung von Medikamenten.

3 Nahostpolitik in Bewegung

Erstmals gibt es eine über Ägypten hinausgehende diplomatische Normalisierung zwischen Israel und einigen arabischen Staaten. Das kann als das Werk der Trump-Administration betrachtet werden. Aber auch als Zeichen des sich verschärfenden Konflikts mit dem Iran, den nicht nur Israel, sondern auch das sunnitische Regime der Region als arge Gefahr wahrnehmen. Bei der Normalisierung handelt es sich also nicht um neue Freundschaft, sondern um ein Zweckbündnis gegen Teheran. Erstaunlich wird es freilich, wenn man das Verhalten des von den USA so hart verfolgten Iran genauer betrachtet. Trump ließ den allmächtigen Revolutionsgardengeneral Suleimani liquidieren. Der Iran reagierte darauf mit harmlosen Drohnenangriffen, anstatt die Welt in ein Terrorchaos zu stürzen wie eigentlich befürchtet. Das war zwar von Trump so nicht beabsichtigt. Aber aus dieser Zurückhaltung kann man hohe Verhandlungsbereitschaft für die Zeit nach Trump ablesen.

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