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"Flieg, Gedanke …“: Die berühmte Zeile aus Verdis "Nabucco“ war einst die Hymne der - nationalen - Freiheit Italiens. Heute wäre dem Land ein neues "Risorgimento“, eine "Wiedergeburt“, zu wünschen. Doch es sieht nicht danach aus.

Zum wievielten Mal wird nun eigentlich der Anfang vom Ende des Cavaliere herbeigeschrieben? Ginge es nach den Analysen und Kommentaren der internationalen Medien, müsste Silvio Berlusconi - immerhin seit 1994 der Big Player der italienischen Politik - längst nur noch eine Fußnote in der Zeitgeschichte seines Landes sein. Aber, um es in einer der österreichischen Politfolklore entliehenen Terminologie zu sagen, er war nie wirklich weg, und wenn er doch einmal weg war, war er gleich wieder da und wird es wohl auch noch eine Zeit lang bleiben.

Das ist nicht erfreulich und stellt der politischen Kultur Italiens kein besonders gutes Zeugnis aus. Es sagt vor allem einiges über den Zustand der Parteien(?) von links bis Mitte aus. Mangels nennenswerter christdemokratischer und bürgerlicher Kräfte geht ja Berlusconi mitsamt seiner jeweils aktuellen Parteienformation als Quasi-Repräsentant dieses Lagers durch, was nicht zuletzt in der Zugehörigkeit seines "Popolo della Libertà“ zur Europäischen Volkspartei (EVP) seinen Ausdruck findet.

Desolate Opposition

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist auch die von Wolfgang Schüssel bekannte Argumentationslinie: Kritisch auf seine wohlwollende Verbundenheit mit Berlusconi angesprochen und gefragt, ob ihm der Christdemokrat Romano Prodi, seinerzeit Oppositionsführer und Galionsfigur des Mitte-links-Lagers, nicht näher stehen müsste als Berlusconi, lautete Schüssels Antwort stets: Prodi, den er sehr schätze, dürfe man nicht für das wahre Gesicht seines extrem heterogenen und ganz nach linksaußen reichenden Bündnisses halten. Ob man diese Ansicht nun teilt oder nicht, sie verdeutlicht jedenfalls etwas, das nach Ansicht der meisten Beobachter entscheidend zum Erfolg Berlusconis beigetragen hat: die desolate Verfasstheit der Opposition - oder anders gesagt: den Mangel an Alternativen.

Nun müsste man ja eigentlich über diese Dinge keine weiteren Worte verlieren, fast alles scheint schon gesagt, über die italienischen Verhältnisse im Generellen und das System Berlusconi im Speziellen. Manchmal beschleicht einen indes der Verdacht, diese italienischen Verhältnisse seien nur ein Zerrbild der europäischen, in jenen würden letztere nur zur Kenntlichkeit entstellt. Das gilt etwa auch für die Themen des jüngsten Referendums, das für Berlusconi eine neuerliche Schlappe bedeutet hat. Abgesehen von der Ad-personam-Frage stand die Atomkraft und die Privatisierung des Wassers zur Abstimmung. Wer wollte bestreiten, dass es sich dabei um hoch aufgeladene, emotional besetzte und dementsprechend sachlich kaum zu diskutierende Themen weit über Italiens Grenzen hinaus handelt?

Vor allem aber ist es die Krise des überkommenen Parteiensystems, die in Italien wie unter einem Brennglass sichtbar wird. Das reicht freilich weit in die Zeit vor Berlusconi zurück. Mit Italien verband man schon Begriffe wie Zersplitterung der politischen Landschaft, Auflösung traditioneller Wählerbindungen und Unregierbarkeit, als anderswo in Europa noch relativ klar schien, wer und was links bzw. rechts war.

Berlusconi versus Faymann

Die Extremvarianten, die sich aus den Erosionsprozessen des Vertrauten ergeben, lauten: Berlusconi und Faymann. Allgemein gesprochen: Schillerndes Politainment - oder gepflegtes großkoalitionäres Mittelmaß. Beides sind nur traurige Surrogate einer lebendigen Demokratie. Ob diese die Kraft hat, sich noch einmal von innen her zu erneuern, ist äußerst ungewiss und lässt sich nur im Modus der Hoffnung beantworten.

Was auf Silvio Berlusconi dereinst folgt, mag niemand zu sagen. Was Rot-Schwarz bedrängt, lässt sich an Umfragen bereits deutlich ablesen. Ein "Risorgimento“ - ein Wiederaufstehen, eine Neubelebung - täte nicht nur Italien, sondern vielen europäischen Ländern, auch der Europäischen Union selbst und den fundamentalen Ideen von Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit dringend not.

rudolf.mitloehner@furche.at

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