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Vergessener Kosovo

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Als der UN-Sonderbeauftragte für Menschenrechte in Bosnien-Herzegowina, Tadeusz Mazowiecki, seinen Posten zurücklegte, weil er, wie er sagte, „den Menschen dort nicht mehr in die Augen sehen kann” - war dies eine moralische Tragödie, eine politische Katastrophe und ein Menetekel. Moralische Tragödie, weil dieser Mann und seine Aufgabe das letzte Feigenblatt waren, mit dem die angesichts der ungeheuerlichen, sorgfältig geplanten Verbrechen, die die serbischen Angreifer an einzelnen und an „Muslimen” verübten, inaktive westliche Politik ihre Blöße bedecken konnte. Eine politische Katastrophe, weil der Bücktritt Mazowieckis EU und UN gleichermaßen anklagte und ihre Verantwortung für die „Gefährdung unserer Zivilisation” anprangerte, wie der Sonderbeauftragte es formulierte. Damit wurde der Bücktritt auch zum Menetekel für die Politiker.

Da wir schon bei den ach so dämonisierten Serben sind: Seit Beginn dieses Jahres wird das „Komitee zur Verteidigung der Menschenrechte und Freiheit im Kosovo”, mit Sitz in Prishtina, das 1989 gegründet worden war, von den serbischen Behörden systematisch unter Druck gesetzt. Die Belgrader Ministerin für Minderheiten und Menschenrechte, Margit Savivic, gab den Startschuß, als sie erklärte, die Berichte des Komitees hätten „die Funktion, die ausländische Meinung aufzustacheln und Serbien zu satanisieren.”

Seither wurden fast 30 Vorfälle bekannt, in denen Aktivisten des Komitees im Kosovo Opfer von Übergriffen der serbischen Polizei wurden. Dem auch im Ausland höchst respektierten Sekretär des Komitees, Sami Kurteshi, wurde im April der Pass abgenommen und bis heute nicht mehr zurückgegeben.

Mit anderen Worten: die serbischen Behörden wollen offensichtlich das Netz um das Komitee enger schnüren, und es ist zu befürchten, daß ein größerer Schlag gegen diese NGO bevorsteht.

Zur Erklärung: Das Komitee, dessen Präsident Adern Demaci ist, der 27 Jahre in Titos Gefängnissen verbrachte, dessen Mitarbeiterstab aus arbeitslosen Intellektuellen besteht, informiert das In- und Ausland über die täglichen serbischen Übergriffe.

Bisher glaubten die Kosovo-Albaner und ihre politische Führung mit Ibrahim Bugova an der Spitze, daß die Welt, daß Europa sie nicht vergessen würde, eben weil sie nie mit Gewalt auf die serbischen Provokationen reagieren und damit Europa einen Balkankrieg erspart haben.

Heute aber müssen sie erkennen, daß sie sich geirrt haben. Denn wie ist es zu verstehen, daß ein Carl Bildt, Nachfolger des ruhmreichen Lord Owen als UN-Friedensver-handler öffentlich (sinngemäß) sagen kann: Wenn den Kroaten erlaubt wird, die Krajina zurückzuerobern, dann müssen wir auch den Serben freie Hand im Kosovo lassen?

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