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Verlust an Prägekraft für Jüngere

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Ein Managementdefizit, an dem beide Regierungsparteien leiden, hat zur momentanen Regierungskrise beigetragen -so der Innsbrucker Politologe Anton Pelinka zur FURCHE.

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Ein Managementdefizit, an dem beide Regierungsparteien leiden, hat zur momentanen Regierungskrise beigetragen -so der Innsbrucker Politologe Anton Pelinka zur FURCHE.

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Neuwahlen hält Anton Pelinka % für ein Zeichen der Hilflosig--L 1 keit. Sie seien für die Öffentlichkeit insofern schwer einzusehen, als beide Parteien mehr oder weniger deutlich machen, daß sie nach den Wahlen notgedrungen wiederum eine große Koalition eingehen wollen. Die gegenwärtige Krise, die die Koalitionsparteien in unterschiedlicher Weise nützen wollen, führt der Politologe auf ein erkennbares Defizit an politischem Management zurück - daran habe auch die SPÖ mitschuld.

Neuwahlen sind in der momentanen Situation „ein schlimmes Signal, was die Handlungsfähigkeit der Regierung betrifft”. Was danach herauskommt, könne nur ein Hin-und Herschieben des einen oder anderen Ministeriums sein: „Dafür sich monatelang Handlungsunfähigkeit einzuhandeln, ist wirklich schwer erklärbar.” Die einzige Logik, die nach Pelinka noch für diese Regierung spricht, sei, gefährliche Alternativlösungen zu verhindern. Die erste Logik dieser Koalition, Österreich in die EU zu führen, sei konsumiert. „Die zweite Logik ist, die einzig greifbare Alternative, die für die Mehrzahl der Österreicherinnen von großem Übel ist, fernzuhalten, nämlich eine führende Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen.” Obwohl diese Notwendigkeit der Koalition noch immer gegeben sei, sei es doch auf Dauer sehr unbefriedigend, daß es durch die Stärke der Freiheitlichen nicht zu dem kommen dürfe, „was in einer parlamentarischen Demokratie der Normalfall wäre, nämlich zum Rollen-tausch von Regierung und Opposition”. Für Pelinka zeigt sich darin die Schwäche der großen Koalition, „daß sie eigentlich nur noch durch die Unerfreulichkeit der einzigen Alternative zusammengehalten wird”.

Die gegenwärtige Schwäche der Sozialdemokratie führt der Innsbrucker Politologe auf den Generationenwechsel zurück: „Die Sozialdemokratie hat kaum bei den Älteren verloren, sie hat aber sehr stark die Jüngeren erst gar nicht gewinnen können. Das heißt, die Sozialdemokratie ist durchaus ähnlich wie die ÖVP zu einer Partei vor allem älterer Menschen geworden.”

Auf die Frage, warum denn die jungen Arbeiter nicht zur Sozialdemokratie stoßen, warum sie überdurchschnittlich vor allem freiheitlich wählen, gibt Pelinka zu bedenken, daß durch die Tradition der Sozialdemokratie, durch ihre Lagermentalität „etwas zugedeckt” worden sei: das Fehlen einer internationalistischen Überzeugung”. Die Arbeiterschaft, meint Pelinka, sei nie wirklich international gewesen, die Sozialdemokratie habe nur so getan, als wäre sie es. „Durch den Verlust an Prägekraft der jüngeren Generation kommt dies am Beispiel der sogenannten Ausländerfrage stark zum Tragen und wirkt sich voll auf die Sozialdemokratie aus.”

Es sei sehr leicht, die Rückeroberung internationaler Solidarität durch die Sozialdemokratie zu fordern. Hierzulande habe die Sozialdemokratie ohnehin einen „sehr breiten Spagat gemacht”. Durch die Politik der Verrechtsstaatlichung oder Liberalisierung der Ausländergesetze ~ personifiziert durch Innenminister Einem - habe man soziale rechtsstaatliche Kompetenz signalisiert, „eine Kompetenz, die vor allem kritische Wähler, die von den Sozialdemokraten zu den Grünen tendieren”, anspreche; andererseits sei diese Politik „sicherlich nicht geeignet, jene Wählerschaft anzusprechen, vor allem unter den Arbeitern, die zu den Freiheitlichen neigen. „Die Sozialdemokratie”, so Pelinka zur furche, „hat das Problem, daß sie es nicht beiden Seiten recht machen kann. Sie muß sich in diesen Fragen zwischen der internationalen Solidarität und der Rechtsstaatlichkeit entscheiden; sich nicht entscheiden, ist sicherlich das Allerschlechteste.”

In einem politischem System, wie dem unseren, brauche man sowohl eine gemäßigte Rechtspartei und eine gemäßigte Linkspartei - oder mehrere von diesen.

Pelinka: „Die Sozialdemokratie spielt in den meisten Ländern Europas noch immer die wichtige Rolle der gemäßigten Linken. Im Parteienpluralismus braucht man so eine Position, daher ist die Sozialdemokratie unverzichtbar, aber nicht unbedingt als Regierungspartei, sondern als wichtige Partei.”

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