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Verschleierung von Umverteilungsvorgängen

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Man sollte die Dinge beim Namen nennen: Wir haben es momentan mit dem zweiten Scheitern des Sozialismus zu tun.

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Man sollte die Dinge beim Namen nennen: Wir haben es momentan mit dem zweiten Scheitern des Sozialismus zu tun.

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Besinnen wir uns darauf: Der Sozialismus trat historisch zwar in zahlreichen Spielarten auf, fußte aber stets auf einer wesentlichen Grundauffassung. Er ging von einer prinzipiell ungerechten Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung aus, die es zu überwinden galt. Durch die private Verfügung über die Produktionsmittel und den Mechanismus des Marktes entstand in seiner Betrachtung eine an sich ungerechte Verteilung der Güter.

Mit der Behebung dieses Fehlers sollte eine bessere Welt geschaffen werden. Die Beschreibung dieser Absicht hat ohne jeden Zynismus zu erfolgen, denn die Gesinnung des Sozialismus war stets idealistisch geprägt, und viele Menschen haben für diese Idee große Opfer erbracht. Zu kritisieren ist ganz anderes. Wir hatten es beim politischen Konzept des Sozialismus mit einer diesseitigen Heilslehre zu tun. Diese schätzte die menschliche Natur insofern falsch ein, als sie meinte, mit der Beseitigung kapitalistischer Ausbeutungsvorgänge würden sich Gerechtigkeit und Glück gleichsam von selbst einstellen. Je mehr sich dies als Irrtum herausstellte, um so stärker mußte staatlicher Zwang eingesetzt werden, der aber persönliche Initiative und Verantwortung nicht ersetzen konnte. Das tragische Ende ist bekannt, ebenso sind es die Folgen, an denen viele Völker noch lange tragen werden. Österreich hatte wie andere Nationen des Westens das große Glück, nach dem Zweiten Weltkrieg nicht sozialistisch regiert zu werden. Die starke politische Kraft SPÖ konnte erst dann wirklich gestaltend auftreten, als sie staatssozialistische Konzepte aufgegeben und sich auf den Weg zur sozialen Demokratie begeben hatte.

Dieser Wandlungsprozeß vollzog sich allerdings zögernd und keineswegs unter vollständiger Aufgabe der ursprünglichen Wertvorstellungen. Die Sozialdemokratie geht von einem Vorrang staatlicher Maßnahmen aus. Freies Wirtschaften und unbeeinflußte Einkommensverteilung werden nur zugelassen und zwar soweit, als dies zweckmäßig und nützlich erscheint. Die Christliche Demokratie hingegen sieht die Notwendigkeit staatlichen Eingreifens nur dort, wo ungeregeltes Spiel der Kräfte und selbstverantwortliches Handeln zu sozial unbefriedigenden Ergebnissen führen. Dies entspricht dem Subsidiaritätsprinzip als wesentlichem Baugesetz der Gemeinschaft.

Enteignung des Wirtschaftserfolges

Die Sozialgesetzgebung unseres Landes wurde überwiegend von der SPÖ geprägt und war in vieler Hinsicht erfolgreich. Sie weist allerdings einen elementaren Fehler auf, der nun immer stärker hervortritt. Teils beabsichtigt, teils aber auch ungewollt wurden Dimensionen der Umverteilung von Einkommen erreicht, die nur mehr durch tiefe und immer stärker werdende Eingriffe in die Masseneinkommen bewältigt werden können. Auf diese Weise findet wiederum Enteignung statt, allerdings nicht der Produktionsmittel, sondern des Wirtschaftserfolges. Man hat alles versucht, diese Tatsache zu verbergen. So wurden etwa die sogenannten „Dienstgeberbeiträge” zur Hauptquelle der Bedeckung von Sozialausgaben gemacht. Sie können gleichsam unsichtbar und unspürbar eingehoben werden, stellen aber in Wahrheit eine drastische Quellenbesteuerung der Arbeitslöhne dar. Die wohl verantwortungsloseste Form der Verschleierung von Umverteilungsvorgängen ist aber die Finanzierung von Sozialausgaben durch Staatsverschuldung. Sie bewirkt den Zugriff auf das Einkommen der folgenden Jahre und Generationen.

Wie konnte es zu dieser verhängnisvollen Situation kommen? War es nur Leichtsinn, das gewissenlose Kaufen von Wählerstimmen oder die österreichische Mentalität des Fortwursteins im Vertrauen darauf, daß nichts passieren und alles schon irgendwie weitergehen würde? Nein, wenn wir heute mit den öffentlichen Geldern immer weniger zu Rande kommen und die explodierende Staatsverschuldung zum größten Problem der Behauptung unseres Gemeinwesens wird, ist die wahre Ursache die Arroganz einer politischen Ideologie. Sie wollte nur die Wohltat des Gebens, nicht aber die Plage des Nehmens sehen. Wir leiden heute an der Illusion des Sozialismus, der zwar das Glück aller wollte, aber die Folgen nicht erkannte, die ungehemmtes Eingreifen in die Verteilung des allgemeinen Wohlstands haben muß. So erleben wir dieses zweite Scheitern einer politischen Idee. Nach dem Widersinn der Verstaatlichung wird das Unheil erkennbar, das Umverteilung um ihrer selbst willen, ohne strengen Vorrang der Sinnhaftigkeit, bewirkt.

Aus diesem Grund wäre die Sanierung der Staatsfinanzen durch das Aufbürden neuer Lasten ein Fortsetzen des bisherigen verhängnisvollen Weges. Daran ändert nichts, wenn man wiederum vortäuscht, nur „die Reichen” zusätzlich belasten zu wollen. Der Staat muß als Verteiler angeblich kostenloser Geschenke abtreten. Es bleibt uns nicht erspart, unsere Sozialordnung zu revidieren und ihre Kosten auf ein Maß zu senken, das verträglich ist. Dies mag schmerzlich sein, bietet aber auch die Chance, eingebüßte Quantität durch bessere Qualität zu ersetzen. Sparprogramme, die Ergebnis machtpolitischer Auseinandersetzung sind, schaffen das nicht und riskieren nur neuerliches Unrecht.

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