Viele Wünsche sind Vater des EU-Gedankens

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Noch gedenkt Österreich des 100. Jahrestages der Gründung der Republik. Schon bald steht das nächste Jubiläum an, das große Relevanz für Österreich hat. Nämlich das Ansuchen um den Beitritt zur Europäischen Union: der "Brief nach Brüssel" wurde am 17. Juli 1989 übergeben. Ein entscheidender Schritt, der dazu führte, das Österreich Teil eines größeren Ganzen wurde und zudem mit dem Fall des Eisernen Vorhangs -der sich gleichfalls 2019 zum 30. Mal jährt -vom Rand in die Mitte Europas rückte.

Im November 1918 glaubten viele, nachdem Österreich von einem Land mit mehr als 50 plötzlich auf bloß sechs Millionen Einwohner geschrumpft war, nicht wirklich an die Zukunft. 2018 gibt es in den Umfragen eine klare Mehrheit dafür, dass die Mitgliedschaft in der EU der richtige Weg ist. Im Zuge einer Reihe von Gesprächen mit Zeitzeugen, politischen Persönlichkeiten, die Österreichs Weg seit den 1980er Jahren begleitet haben, wurde auch die Frage nach ihrer europäischen Vision gestellt.

Erhard Busek bringt es auf den Punkt: "Europa muss seine Rolle in der globalen Welt definieren, um handlungsfähig zu werden. Nicht nur wirtschaftlich sondern auch kulturell. Die zentrale Frage lautet: Wofür steht Europa?"

RÜCKBESINNUNG

Europa sollte sich so weiterentwickeln, wie es sich in den 80er und 90er Jahren entwickelt hat. Europa ist ein Kulturraum, ein Wirtschaftsraum, ein historischer Raum, der Vergangenheit und Zukunft hat. Ich verfolge nur mit einer gewissen Unsicherheit, dass diese Impulse für eine Weiterentwicklung schwächer werden, dass es eine Fraktionsbildung gibt, indem sich gewisse Länder als like-minded countries verstehen und so gemeinsame Positionen blockieren.

Heinz Fischer

Ausgehend von der Gründeridee wäre eine Rückbesinnung auf die gemeinsamen Werte mehr denn je angebracht. Denn wir haben keine zweite EU im Kofferraum.

Fritz Verzetnitsch

PROBLEMFELDER DER EU

Der Mangel an innerer Kohäsion setzt der Weiterentwicklung des europäischen Projektes politische und institutionelle Grenzen. Auch die oft gesuchten und beschworenen 'großen' Führungspersönlichkeiten können daran nichts ändern. Vielleicht sollte man sich an eine neue "Bescheidenheit" gewöhnen, das Errungene konsolidieren und pflegen -es ist nicht wenig. Auch könnte der Union eine erhöhte Fähigkeit zu Selbstkritik gut tun.

Manfred Scheich

Ich sehe mich veranlasst, eine mahnende Stimme einzubringen. Diese bezieht sich auf die im letzten Jahrfünft so starke Einwanderung nach Europa, die dazu führt, dass die Rechtsaußen-Parteien -und sie sind bekanntlich antieuropäisch -die jeweiligen Innenpolitiken immer mehr in Beschlag nehmen. Meine Vision ist eine Muss-Vision und die heißt: Liberale demokratische Kräfte stärkt euch innenpolitisch.

Franz Vranitzky

AUF IST-STAND REDUZIERT

Die EU hat nur dann eine Chance, das insbesondere 2015 verspielte Vertrauen wiederzuerlangen, wenn sie ihre Bürger vor ungeregelter Migration von Außen und resultierender Kriminalität im Inneren schützt. Europa ist zum Glück weit mehr, als der Merkel-Macron-Kurs des 'Weiter so'. Die Union tut auch angesichts der Massenmigration als der entscheidenden Frage unserer Zeit gut daran, sich auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren und gemäß dem Subsidiaritätsprinzip weniger, das dafür aber besser zu machen. Heinz Christian Strache

Die Europäische Union befindet sich in einer Krise. Durch den Austritt Großbritanniens ist sie amputiert und weder die Euro- noch die Migrationskrise sind ausgestanden. Ich bin vorsichtig mit Patentrezepten, ein Europa der 'Verzwergstaatlichung' wäre ebenso verhängnisvoll wie ein zentralistischer europäischer Superstaat.

Ursula Stenzel

EIN NEUER ANLAUF

'Trumpismus' ist jedenfalls kein Rezept für Europa. Europa steht für großartige Werte und müsste diese umso mehr wahrnehmen, als die USA in diesem Bereich an Leuchtkraft verlieren. Österreich könnte der Optimismusmotor in der EU sein, könnte aber auch eine ganz wichtige Rolle nach Mittel-und Osteuropa spielen und die Idee einer transkontinentalen Partnerschaft proaktiv entwickeln.

Christoph Leitl

Wir brauchen ein Europa, das im internationalen Wettbewerb seine Stärken ausspielen kann und egoistischen Nationalismus hinter sich lässt. Erfolgreich in der Verteidigung seiner Werte, seines Lebensstils und des Sozialmodells Europa. Im Bewusstsein, dass das heute sehr zweckoptimistisch anmutet. Aber bis 2030 ist ja noch Zeit.

Brigitte Ederer

ERFAHRUNG MACHT KLUG Um die EU-Maschine wieder auf Touren zu bringen und sie störungsfrei laufen zu lassen, muss sie nicht nur gewartet, sondern auch wieder ordentlich geölt werden. Damit meine ich in erster Linie eine bessere Kommunikation. Das Gegenprinzip zu den Populisten, die behaupten, sie seien die einzigen berechtigten Sprecher des Volkes, sie hätten recht, weil ja das Recht vom Volke ausgeht, heißt Dialog.

Franz Fischler

Die EU-Kommission muss künftig noch viel politischer und weniger bürokratisch agieren. Dies ist in allen Bereichen notwendig: Oft entscheiden Beamte über die Projekte, ohne direkten Einfluss des entsprechenden Kommissars, der aber im Falle von Fehlverhalten dafür im europäischen Parlament sehr wohl geradestehen muss.

Benita Ferrero-Waldner

Die Entscheidungsstrukturen müssen auf lange Sicht reformiert werden, um unsere Politik effizienter umsetzen zu können. Dies bedeutet, dass wir auch in sensiblen Bereichen wie der Außen-und Sicherheitspolitik vom Prinzip der Einstimmigkeit wegkommen, damit dringend notwendige Entscheidungen weder verzögert noch sogar unmöglich gemacht werden können. Wichtig ist aber auch die Klarstellung, dass getroffene Entscheidungen auch tatsächlich von allen umzusetzen sind. Hier sind die Mitgliedstaaten gefordert.

Johannes Hahn

VISION EINER EU Die EU sollte sich spätestens 2030 neu etabliert und aufgestellt haben. Die Länder des Balkans sollten vollwertige und aktive Mitglieder sein. Mit Ländern wie der Ukraine, der Türkei und -wenn das Vereinigte Königreich nicht schon wieder beigetreten ist - auch mit diesem sollte eine enge Partnerschaft zu beiderseitigem Wohl bestehen. Organisatorisch sollte die EU einen direkt gewählten Präsidenten erhalten.

Hannes Swoboda

Meine Vision sind die Vereinigten Staaten von Europa. Ich bin überzeugt, dass in 15 oder 50 Jahren die EU ein europäischer Bundesstaat sein wird. Ich bin auch überzeugt, dass dann die osteuropäischen Staaten erkennen, dass dadurch ihre Position gestärkt und nicht geschwächt wird.

Andreas Khol

DER BEZUG ZUR REALITÄT

Die Globalisierung kann man mögen oder nicht, sie ist aber ein Faktum. Die EU muss zur Antwort Europas auf die Globalisierung werden. Und die EU muss noch stärker ein Europa der Werte und der Durchsetzung der Menschenrechte werden. Nur wenn wir unsere europäischen Kräfte bündeln, können wir die Bürger vor den negativen Seiten der Globalisierung schützen, unseren Wohlstand bewahren und in der globalen Entwicklung mitreden. Dazu braucht es aber positiven Gestaltungswillen.

Othmar Karas

Auf den Punkt gebracht lautet unser Zugang zur EU und damit auch unsere Vision für die Zukunft: Stärkung des Subsidiaritätsprinzips. Die Union muss vom Global Payer, der sie jetzt schon ist, zum Global Player in den Bereichen werden, wo die EU schlagkräftig sein sollte, wie etwa in der gemeinsamen Außen-, Sicherheits-und Verteidigungspolitik oder bei der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit im globalen Wettbewerb. Gleichzeitig braucht es aber auch Zurücknahme in kleinen Fragen, in denen die Mitgliedstaaten oder Regionen besser entscheiden können.

Sebastian Kurz

EINFACH ZUM NACHDENKEN

Ich bin ein Europa-Optimist, wenngleich einem das derzeit nicht leicht gemacht wird, weil die Schwierigkeiten, die es politisch und institutionell gibt, offen auf der Hand liegen. Was mich zum Optimisten macht, ist die Tatsache, dass ich sehr viel außerhalb der Union reise. Wenn ich dort sehe, wie Politiker bei allen Schwierigkeiten auf die Union reflektieren, dann weiß ich, dass wir ein Zukunfts-und kein Vergangenheitskonzept haben. Es wäre schon wichtig, einen Reality-Check zu machen.

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