Viktor Orbáns schöne, neue Medienwelt

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Das viel kritisierte Mediengesetz Ungarns entfaltet schon nach wenigen Monaten seine von der Regierung beabsichtigte Wirkung: Der Druck auf Regierungskritiker steigt. Eine Analyse.

Als sie am 1. Jänner 2011 die EU-Ratspräsidentschaft übernahm, wurde die ungarische Regierung von den scharfen Reaktionen auf die neuen Mediengesetze und die Medienbehörde überrascht. Einer der schärfsten Kritiker war der Grüne MEP Daniel Cohn-Bendit, der im März 2011 im europäischen Parlament erklärte: "Dieses Gesetz wurde mit der Absicht geschaffen, die Medienaktivitäten in Ungarn einzuschränken und die kritische Kontrolle der Regierung zu begrenzen, und das im Rahmen einer generellen Tendenz zur Einschränkung des Pluralismus in Ungarn.“

Bei einer Pressekonferenz mit Cohn-Bendit in Budapest stellte der Daniel Papp vom staatlichen ungarischen Fernsehen provozierende Fragen, die der Politiker auch beantwortete.

Papp aber schnitt für seinen Beitrag in den Abendnachrichten die Aufnahmen um: Die Frage blieb, doch die Antwort flog raus und es sah so aus, als ob Cohn-Bendit vor den Fragen geflohen sei. Der 32-jährige Papp, früher Kabinettchef bei der rechtsextremistischen Jobbik-Partei und dann Journalist beim regierungsnahen Echo TV, wurde eine Woche nach dieser Manipulation zum Chef der Hauptabteilung Nachrichten und Hintergrund bei der allmächtigen Zentralredaktion MTVA, die alle ungarischen öffentlich-rechtlichen Programme bedient, befördert.

Der Fall Papp bildet keine Ausnahme für das Verhalten der meisten staatlich kontrollierten Medien gegenüber Kritikern der Regierung Orbán. Sie führen Kampagnen gegen Kritiker der Orbán-Regierung, die sie unter anderem als "Ungarnfeinde“ und "antichristlich“ angreifen. Ein anderes nicht nur in Österreich wahrgenommenes Beispiel war die Kampagne gegen den österreichischen Journalisten Paul Lendvai (die FURCHE berichtete).

Die repressive Kontrolle der Medien geht aber noch weit über die Verschärfung des Gesetzes hinaus. Während der letzten Jahre wurden die privaten Medien fast zur Gänze von vier Oligarchenfamilien, die eng mit der Regierungspartei Fidesz verbunden sind, aufgekauft. Es handelt sich um vier verschiedene Geschäftsgruppen, die einige Tageszeitungen und die Gratis-Tageszeitung Metropolis besitzen.

Metropolis hat eine zweimal so große Auflage, wie alle wichtigen Tageszeitungen Ungarns zusammen besitzen. Zu den fidesznahen Zeitungen gehört auch Magyar Nemzet, ein Blatt, das wegen der Publikation von Verleumdungen am häufigsten verurteilt wurde. Magyar Hírlap und Dutzende lokale oder regionale Zeitungen gehören denselben Eigentümern ebenso Info Rádió, Class FM und EchoTV und Ungarns Online Medien wie inforadio.hu.

Keine politische Debatte mehr

In einem Großteil der Privatmedien wurde die politische Debatte gänzlich eliminiert, Kritik an der Orbán-Regierung ist verpönt und die Opposition wird grundsätzlich als korrupt, verräterisch, antiungarisch oder als pro-kommunistisch verunglimpft.

Hier nur zwei Beispiele: In Magyar Hírlap publizierte Mitte November ein deklarierter Freund der Fidesz, Zsolt Bayer, einen Artikel, in dem er erklärt, warum die Regierung plötzlich von dem zuvor beschimpften Internationalen Währungsfonds IWF eine weitere Anleihe erbitten müsse. In diesem Zusammenhang sprach er "von der in unserer Heimat sich provisorisch aufhaltenden Mainstream-Linken“. László Bogár, ehemaliger Staatssekretär in der ersten Regierung Orbán, warnte im gleichen Blatt von einer Weltverschwörung, welche von "globalen Medien“ geführt würde.

Das passt ins Bild: Seit Mai 2010 wurden Hunderte unabhängiger Journalisten und Redakteure entlassen. Die Nachrichtenagentur MTI wurde beauftragt, für den staatlichen Rundfunk und Fernsehen die Nachrichten zu gestalten. MTI wurde kostenfrei allen ungarischen Medien zur Verfügung gestellt - und damit die Konkurrenz liquidiert. Dazu kommt noch eine zentrale Medienbehörde, deren Leiterin gleich für neun Jahre bestimmt wurde. Diese Behörde ist der größte Arbeitgeber von Journalisten in Ungarn und entscheidet über Inhalte und auch über die Vergabe von Lizenzen.

Eine solche Nachrichtenzentralisation von öffentlichen Medien erinnert an die Propagandamaschinen totalitärer politischer Systeme und wurde auch vom Europarat und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa OSZE mehrfach kritisiert.

Die OSZE - an der auch die USA und Kanada teilnehmen - musste feststellen: "Das Gesetz verleiht der politisch homogenen Medien-Behörde und Medienrat ungemein große Vollmacht, die ihnen ermöglicht, den Inhalt aller Medien zu kontrollieren. Diese Gesetze regulieren Rundfunk und Fernsehen, Print- und Online-Medien aufgrund der gleichen Prinzipien. Sie lassen Schlüsselbegriffe undefiniert … Verstöße werden mit hohen Strafen geahndet. Sie sind nicht imstande, die politische Unabhängigkeit der öffentlichen Medien zu garantieren.“

Die ungarische Regierung hört nicht auf Kritik, sie beschuldigt stattdessen kritische Medien, sich von den ungarischen Linken irreführen zu lassen. Wenn alle diese Maßnahmen nicht zum Ziel führen, hilft wirtschaftlicher Druck weiter. Die Regierung schaltet keine Inserate in kritischen Medien mehr. Damit signalisiert die Regierung auch anderen Teilnehmern des Marktes ihr zu folgen, oder aber die Konsequenzen zu tragen.

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