Vogelfreie "wahre" Russen

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Kosak (oder korrekterweise auf tartarisch Kazak) heißt eigentlich "freier Reiter" und bezeichnete ab dem 15. Jahrhundert nicht nur jene, die vor der Leibeigenschaft in Polen, Russland und dem Baltikum geflohen waren, sondern auch ihren Status als "Vogelfreie" - also Rechtlose. In den Gebieten des heutigen Südrusslands und der Ukraine wurden die Kosaken zu trinkfreudigen Spartanern der eurasischen Steppe, und durch ihre loyalen Haltung gegenüber der orthodoxen Kirche zu gefürchteten Grenzkämpfern gegen das Osmanische Reich. Im Gebiet zwischen Don und Dnjepr entstand unter den Saporoger Kosaken zwischen Polen, Russland und dem Osmanischen Reich ein eigener Staat, der heute eine wichtige Rolle im Gründungsmythos der Ukraine spielt. Im 18. Jahrhundert, unter Zar Peter dem Großen und vor allem unter der Deutschen Katharina der Großen, wurden die Kosaken langsam ins russische Reich eingegliedert und galten ab da als die eigentlichen Vertreter "wahren Russentums".

In der Zeit vor und während der Oktoberrevolution nahmen die zarentreuen Kosaken an Juden-Progromen teil, verfolgten und misshandelten Intellektuelle und Oppositionelle und kämpften auf der Seite der Verlierer gegen die Rote Armee. Allerdings ist es ein Zeichen der hohen Ambivalenz unter den zahllosen Kosakenbünden, dass einer der besten Freunde Stalins, der Marschall Budjonny, ebenfalls zu den "freien Reitern" gehörte und das Kosakentum bis zum Exzess zelebrierte. Ab den 1920er-Jahren wurden als solche auftretende Kosaken unnachgiebig verfolgt, so dass diese damals eigentlich aufhörten zu existieren.

Wiederentdeckung nach 1990

Nach der Auflösung der Sowjetunion entdeckten die Russen die Kosakenkultur neu. 1990 forderte Boris Jelzin deren Wiederherstellung als "ethno-kulturelle Gruppe". Bis dahin waren nur noch wenige Kosaken übrig geblieben, die der amerikanische Historiker Brian Boeck wie folgt charakterisierte: "Der durchschnittliche Kosake war ein Mann mittleren Alters, der von patriarchalischen Werten, ungezügelter Männlichkeit und dem glorreichen Streben nach eingebildeten Vorfahren träumte." Ebenfalls 1990 wurde in Russland der gesamtrussische Kosakenbund wiedergegründet und die elf Heere, welche es zur Zarenzeit gab, auf lokaler Ebene wiederbelebt. 2005 trat in Russland das Gesetz "Über den Staatsdienst des Russischen Kosakentums" in Kraft. Wladimir Putin wurde der Titel eines Kosaken-Hetmans verliehen, was ihn einmal mehr in die Nachfolge eines russischen Zaren stellt.

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