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Volkreichster Staat Afrikas vor der Explosion

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Vor unseren Augen entwickelt sich in Nigeria eine Katastrophe, die das elffache Ausmaß der Tragik in Ruanda annehmen könnte.

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Vor unseren Augen entwickelt sich in Nigeria eine Katastrophe, die das elffache Ausmaß der Tragik in Ruanda annehmen könnte.

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Der Mann, der heute die demokratischen Hoffnungen Nigerias verkörpert, kommt aus dem Südwesten, dem Land der Yorubas (siehe Graphik). Mochood Abiola ist vielfacher Dollar- Millionär. Er wurde nach einem ziemlich schnellen Aufstieg im Juni 1993 zum Präsidenten Nigerias gewählt. Der Kandidat der Armee, der amtierende Präsident General Ibrahim Bataginda, hatte keine Chance. Zweieinhalb Monate nach der Wahl erklärte sich jedoch General Sani Ab- acha zum Präsidenten.

Dieser sistierte das Parlament, setzte die Gouverneure der Bundesstaaten ab und löste die zwei großen Parteien auf. Doch Abiola ließ sich vor drei Monaten zum legalen Präsidenten des Landes ausrufen. Prompt ließ ihn General Abacha verhaften und des Hochverrats anklagen, mit der Todesstrafe als konkrete Perspektive - oder aber volle Freiheit, wenn er eine Verzichtserklärung auf die Präsi- denschaft unterzeichne. Abio- las Partei und ihre Sympathisanten mobilisierten ihrerseits, vorerst mit einem Streik dort, wo er die empfindlichste Stelle des Militärregimes trifft. Die 230.000 Ölarbeiter hinter der NUPENG, ihrer wichtigsten Gewerkschaft sind in den Ausstand getreten, der bis zur Freilassung Abiolas durchgehalten werden soll. Der Nigerian Labor Congress, der größte Gewerkschaftsverband des Landes, hat Unterstützungsaktionen der Ölarbeiter durchgeführt.

Abachas Regime reagierte mit einem Verbot der Gewerkschaften. Die Auseinandersetzung droht zu eskalieren. Für die Medien zum Ereignis wurden die Vorgänge in Nigeria erst durch die Einstellung der Ölförderung und folgendes Steigen der Ölpreise.

Abiolas Freunde haben es allerdings mit mächtigeren Gegnern zu tun als ein paar hergelaufenen Generälen. Das internationale organisierte Verbrechen hat Nigeria nicht übersehen. Anfang der achtziger Jahre wurden die ersten Transportknotenpunkte für Heroin auf dem Weg von Ostasien nach Europa und den USA in Lagos und Kano eingerichtet. Wenige Jahre später folgte das Calikartell mit seinem Kokain. Generäle als Präsidenten und Schutzherren des internationalen organisierten Verbrechens haben die Möglichkeit, das Prinzip der staatlichen Souveränität voll zum Vorteil der Mafias auszunützen. Man kennt das von kleinen karibischen Staaten. Ein demokrati sches Regime im bevölkerungsreichsten Land Afrikas würde nicht nur die Interessen der heimischen, sondern auch die Interessen des internationalen organisierten Verbrechens gefährden. Hier liegt der Kern der gegenwärtigen innenpolitischen Auseinandersetzungen in Nigeria.

Die Ölarbeiter streiken nicht einfach gegen die Macht diktatorischer Generäle, sie stehen für einen normalen Rechtsstaat, untrennbar verbunden mit Demokratie.

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