Vom Verfolgten zum Brückenbauer

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Das Leben des am Dienstag, 18. August, im Alter von 83 Jahren in Seoul verstorbenen ehemaligen Staatspräsidenten Südkoreas und Friedensnobelpreisträgers Kim Dae-jung hätte bereits lange vor seiner Präsidentschaft Bücher gefüllt. Die zahlreichen Versuche vor der Demokratisierung des Landes 1987, den langjährigen Oppositionsführer zum Schweigen zu bringen, lesen sich wie ein Polit-Thriller und spiegeln den steinigen Weg zur Demokratie Südkoreas wider: Kim Dae-jung verbrachte mehrere Jahre im Exil sowie im Gefängnis, entkam Geheimdienstanschlägen, überlebte eine Entführung und ein Todesurteil.

Wie kaum ein anderer Politiker in Ostasien erwarb sich der aus einer Bauernfamilie stammende Kim Dae-jung innerhalb seines Landes und international hohes Ansehen für sein mutiges und beharrliches Eintreten für Demokratie und Menschenrechte. Dieses und seine Schritte zu einer angestrebten Versöhnung mit Nordkorea brachten ihm im Jahr 2000 den Friedensnobelpreis ein. Der als „Sonnenscheinpolitik“ bezeichnete Aussöhnungskurs gegenüber dem kommunistischen Norden der Halbinsel prägte seine fünfjährige Präsidentschaft (1998 bis 2003) maßgeblich. Der wichtigste Durchbruch im Verhältnis zum ideologischen Erzfeind gelang Kim Dae-jung im Juni 2000 mit dem Treffen des nordkoreanischen Staatsoberhaupts Kim Jong-il. Beide Staaten einigten sich damals auf vertrauensbildende Maßnahmen und Schritte zur Wiedervereinigung. Unter dem derzeitigen konservativen Präsidenten Südkoreas verschlechterten sich die Beziehungen jedoch wieder.

Verfechter der Demokratie

1925 wurde der gläubige Katholik in der südlichen Provinz Cholla geboren. Nach dem Koreakrieg (1950-53) engagierte sich Kim Dae-jung zunehmend politisch und schaffte 1960 den Einzug ins Parlament, das jedoch kurz darauf durch einen Militärputsch ausgeschaltet wurde. Ab den siebziger Jahren wurde der Oppositionsführer den wechselnden Regimes und ihren Geheimdiensten immer mehr ein Dorn im Auge. 1971, Kim Dae-jung hätte General Park Chung-hee in einer vermutlich manipulierten Wahl beinahe geschlagen, erleidet Kim einen schweren Autounfall, seitdem humpelte er. Mutmaßungen zufolge war dafür der Geheimdienst KCIA verantwortlich. Bis nach Japan, wo er sich nach der Verhängung des Kriegsrechts 1972 aufhielt, verfolgten die Machthaber in Seoul ihren Konkurrenten. 1973 spürte ihn der Geheimdienst in seinem Hotelzimmer in Tokio auf und verschleppte ihn anschließend auf ein Kriegsschiff. Mit einem Betonklotz an den Beinen wartete Kim darauf, von den Agenten für immer aus dem Verkehr gezogen zu werden. „Ich sah Jesus Christus, hielt mich an seiner Kutte fest und betete zu ihm, er möge mein Leben retten“, erzählte er. Seine Rettung war schließlich der amerikanische Geheimdienst CIA, der Südkorea mit Konsequenzen drohte, falls Kim ertränkt würde. Auch die Aufhebung seines Todesurteils wegen angeblicher Umsturzpläne 1980 hatte er dem internationalen Druck zu verdanken. Nach der Demokratisierung des Landes kündigte der Träger des Bruno-Kreisky-Menschenrechtspreises nach zwei missglückten Wahlen bereits den Ausstieg aus der Politik an. 1987 scheiterte er an seinem „größten politischen Fehler“, der Spaltung der Opposition. 1997 stellte er sich dann doch noch zur Wahl und wurde schließlich für seine Anstrengungen belohnt. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon, einst Vizeaußenminister in Kims Kabinett, sprach von einer „großen Leitfigur“, die Südkorea verloren habe.

(Nikolai Soukup/APA)

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